Cobbett und sein neuester Brief an das brittische Parlament

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Titel: Cobbett und sein neuester Brief an das brittische Parlament
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aus: Das Ausland, Nr. 130; 133 S. 517-518; 530-532
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Offener Brief eines Publizisten an das britische Parlament
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Cobbett und sein neuester Brief an das brittische Parlament.



„Sie geben uns Briefe von Cobbett,“ sagte des andern Tages eine unserer Leserinnen zu einem der Redacteurs dieses Blattes, „Sie geben uns Briefe von Cobbett an Herzog von Wellington und jetzt erst wieder, höre ich, an das englische Parlament: Alles, was ich davon gesehen habe, ist recht interessant. Es ist so eine Art von Baß zu dem feinen Discant unserer lilliputanischen Diplomaten; und zuweilen, muß ich gestehen, bin ich eine große Freundin vom Baß. Aber wenn man Briefe liest, möchte man doch auch gern wissen, von wem sie kommen: wer, was ist denn eigentlich dieser Cobbett?“

Par exemple, antwortete ich, Cobbett ist einer der merkwürdigsten Männer unserer Zeit.

„Das will ich nicht wissen, unterbrach mich die Dame, die – wie die meisten gelehrten Frauen – etwas ungeduldig war. Daß der Mann mir merkwürdig ist, habe ich Ihnen ja selbst gesagt, aber was er ist?“

Wir können ihn, fuhr ich lächelnd in meinem Texte fort, wir können ihn als das auffallendste Beispiel von dem großen Namen betrachten, den in England ein Indidviduum unter allen möglichen Nachtheilen der Geburt und Erziehung, durch bloßes Talent und Fleiß erhalten kann, und zugleich auf der andern Seite als ein Beispiel, wie ganz und gar die Früchte dieser schätzbaren Eigenschaften verloren gehen können bei dem Mangel eines kleinen Antheils an dem, was man im allgemeinen Leben Ehrlichkeit oderhonnêteté nennt. Dieß ist leider! der Hauptfehler Cobbett’s. Obgleich weder in Oxford, noch Cambridge, sondern – soviel wir wissen – blos in den Kasernen irgend eines englischen Linienregiments erzogen, hat er als Prosaist wenige seines Gleichen in seiner Sprache. Obgleich familiär und populär, ist er doch zugleich rein und correct und zuweilen elegant, fließend und leicht, aber dessen ungeachtet kräftig, scharf, bedeutsam und vor Allem durch und durch englisch. Das große literarische Verdienst seiner Schriften, verbunden mit der Leichtigkeit, mit welcher er sie hervorbringt, würde seinen Beistand von ungemeiner Wichtigkeit für jede politische Partei gemacht haben, mit welcher er in Verbindung getreten wäre; und er hätte auf diesem Wege ohne Zweifel die höchste Stufe der Achtung und des Ansehens in der Gesellschaft erreicht. Selbst ohne Grundsätze, würde er durch nichts mehr als gerade so viel Beständigkeit, als bloße Rücksichten der Klugheit ihm anzunehmen geboten, vielleicht das gleiche Ziel erreicht haben. Es ist jetzt ungefähr dreißig Jahre, daß er – nachdem er seine militärische Laufbahn aufgegeben hatte, in der er es nicht weiter als bis zum Sergeanten brachte – in Philadelphia unter dem Namen „Peter Porcupine“ zuerst als Schriftsteller auftrat. „Nieder mit den Jacobinern!“ dasselbe Geschrei, was gegenwärtig gegen ihn erhoben wird, war damals sein Losungswort; wie es zur selben Zeit das von Canning war, der damals seine politische Laufbahn auf gleiche Weise durch die Herausgabe eines Wochenblattes „The Antijacobin“ [1] begann. Canning war an wahrem Talente schwerlich, an Thätigkeit und Fleiß gewiß nicht Cobbett überlegen; seine moralische Empfindsamkeit war vielleicht nicht größer, als die anderer Personen, und seine politische Beständigkeit ist wenigstens nicht zum Sprichwort geworden; da er indessen von diesen nützlichen Eigenschaften so viel besaß, als erfordert wurde, so stieg er schnell zu den bedeutendsten Stellen in der Regierung seines Vaterlandes und endlich zu der höchsten von allen empor: während wir den armen Cobbett, nach einem langen Leben unabläßiger und wahrhaft musterhafter Arbeitsamkeit, nachdem er hunderte von Bänden der besten und populärsten Schriften seiner Sprache herausgegeben, jetzt in einem Alter von sechzig Jahren gerade auf demselben Puncte finden, von dem er ausgegangen war, nämlich als Herausgeber eines Wochenblattes, ohne einen Freund in der Welt, und ohne einen Pfenning in der Tasche.

Beispiele dieser Art, fuhr ich nach einer Pause fort, da ich sah, daß meine freundliche Zuhörerin so wenig Miene zu einer Zwischenrede machte, als manchmal die Dramatis personae in einem platonischen Dialoge, Beispiele dieser Art sind gut, wie der römische Poet Claudianuns von dem Fall eines großen Schurken seiner Zeit sagt,
„zu sühnen die Götter“
und zu zeigen, daß moralische Vorzüge doch wohl von größerem praktischem Werth sind, als man gewöhnlich in der Welt zuzugeben geneigt ist. Seit Cobbett bei seinem ersten Auftreten die gesellschaftliche Ordnung gegen die Revolution und den Jacobinismus vertheidigte; obgleich er in verschiedenen Perioden seines Lebens mit nicht

[518] geringer Kraft und Wirkung für die Sache des Rechts und der Wahrheit gekämpft hat – z. B. in seinen Briefen an Lord Castlereagh bei Gelegenheit des letzten Krieges zwischen Großbritannien und Nordamerika; ist er doch allmälig, Schritt für Schritt, immer tiefer in der Selbstachtung und in dem öffentlichen Ansehen gesunken; und in den letzten Jahren ist er so weit herunter gekommen, daß er gezwungen ist, eine Art von politischem Pulcinell zu spielen, indem er seinen Witz – jetzt hier und da auf der Neige – über alle Parteien und Personen nach der Reihe ergießt, von allen verachtet und verlacht, von Daddy Coke und Daddy Burdett [2] (um uns seiner eigenen Phraseologie zu bedienen) herab bis zu einem alten Spaßcumpan, jetzt seinem geschwornen Feinde, dem Stiefelwichsfabricanten und Gutsbesitzer Hunt; aber er fährt immer fort zu schreiben - scrible, scrible, scrible, wie der Herzog von Cumberland zu Gibbon sagte – so eifrig und zuweilen mit so vieler Kraft und Frische als je, und sich dabei standhaft ohne Rückhalt selbst für den „gescheitesten Mann in England“ zu erklären.

„Da hat er doch,“ nahm die Dame, die eine kleine Neigung zu gähnen unterdrücken mußte, „so unrecht nicht nach dem, was Sie selbst über ihn gesagt haben.“

Ich bemerkte die Bewegung, durch die meine schöne Freundin ihre Langeweile verbergen wollte, und schloß daher meine moralischen Betrachtungen, indem ich sagte:

Der unterhaltendste Theil von Cobbetts Laufbahn ist in der letzten Zeit sein Angriff auf die protestantische Reformation. Vielleicht sind Ihnen selbst die Briefe bekannt, die er über diesen Gegenstand geschrieben hat; diese haben bei allen guten Katholiken in ganz Europa ein wunderbares Glück gemacht. O’Connell, der wohlberühmte irische Redner, [3] erklärte in Bezug auf dieselben Cobbett für einen „braven Burschen.“ Die fanatische Partei hat sie übersetzen und im ganzen Lande verbreiten lassen; und sogar die spanische Presse hat zu Gunsten dieser schätzbaren Production ihre gewöhnliche Unthätigkeit aufgegeben. Ja, der heilige Vater selbst hat sich herabgelassen, eine so fromme Unternehmung zu begünstigen, und – wenn die Zeitungen nicht falsch berichtet waren – den Preis für 50,000 Exemplare aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Cobbett, vom Pabste protegirt, ist in der That eine interessante Erscheinung. –

Meine Zuhörerin lachte mir in das Gesicht und ich verstummte; ich hatte vergessen, daß sie selbst eine eifrige Katholikin war, und daß ich bisher mir alle mögliche Mühe gegeben hatte, ihr mein Ketzerthum zu verbergen.

[530]
An die collective Weisheit.
[4]
Kensington, 14 April 1828.

 Verehrtes Collectiv!

Vielfach sind die Puncte des Lobes, der Bewunderung und der Dankbarkeit, über welche ich, wenn ich Zeit und Raum hätte, eine Dankrede an Sie halten wollte. So scharf sind Ihre Brillen und zugleich so weit Ihr Gesichtskreis, daß in dem gesammten Kreise der Kunst wie der Natur nichts Ihrem alles spürenden, alles durchdringenden und alles umfassenden Blick und Geist entgehen kann. Die Beweise hievon sind ohne Ende; um aber nur zwei oder drei anzuführen; ein Pastetenbäcker in einem Landstädtchen, der unter seinen Leckereien Brandtewein-Kirschen verkaufte, fand, daß Ihr Auge durch sein Glas und durch die Haut seiner Kirschen gedrungen war, und mußte die Strafe dafür bezahlen, Ihre Verfügungen [5] außer Acht gelassen zu haben! Von dem Papier, auf welchem ich diesen Brief schreibe, haben sie die Länge und Breite in Zollen vorgeschrieben und folglich den Quadratinhalt. Den cubischen haben Sie zwar in der That nicht auf geometrische Weise vorgeschrieben; aber Sie haben dasselbe besser gethan (o weises Collectiv!) nach dem Gewicht. Wie? und es gibt Menschen, die behaupten, daß Sie in Schwierigkeiten sind mit Ihren Finanzen und wegen des Krieges, den Sie vor der Thür haben? Wie? können diese Männer, die zu Westminster sitzen, und ihre alles durchbohrenden Blicke durch die Haut jeder Kirsche in jedem Landstädtchen dieses großen Staates senden können, die nach geometrischen Grundsätzen und nach dem Reichsgewicht – regulirt nach den Schwingungen eines Penduls [6] bis auf die Größe und Schwere eines Haares die Quantität Papier zu bestimmen wissen, die erforderlich ist, um das, was darauf geschrieben wird, unschädlich zu machen; wie? können Männer, die so begabt sind, die geringste Schwierigkeit dabei finden, das einfache und gemeine Ziel zu erreichen, daß Sie die Interessen einer Schuld in Geld bezahlen ließen, statt sie in Papier bezahlen zu lassen?

Wenn ich unehrerbietige Personen ausrufen höre: „Was für – – e! ein Gesetz zu geben, um den Waizen 70 oder 80 Schilling das Quarter theuer zu machen, wenn sie zugleich ein Gesetz haben, das ihn auf 40 Sch. das Quarter stellen muß! Wenn ich solche Ausrufungen wie diese ghört habe, oder andere: „Was für – –en ! ein Gesetz zu machen, ihre Güter zu besteuern, um die tüchtigen Arbeiter aus dem Lande zu senden, während die alten und schwachen zu Hause zurück behalten werden, um sie auf diesen Gütern erhalten zu lassen!“ Wenn ich andere ausrufen gehört habe: „Was für – –sel! ein Gesetz zu machen, um die Summe der Schuld, die auf ihren Gütern haftet, zu verdoppeln, und dieß freiwillig zu thun!“ Wenn ich höre, daß Ihre Verächter auf diese Weise sich vernehmen lassen, so sage ich nur, da ich sie zu sehr unter der Würde eines Beweises achte: „Vergeßt nicht, was ihr sagt! Nehmt eure Zunge in Acht, ich will es aufschreiben, und erinnert euch, daß die collective Weisheit (wenn ich dieses Wort ausspreche, nehme ich immer den Hut herunter) ein Gesetz hat, euch auf Lebenszeit zu verbannen, wenn ihr das Geringste äußert das nur eine Tendenz hat, sie in Verachtung zu bringen!“

Diese Verfahrensweise finde ich immer äußerst wirksam; zuerst starren die Verächter mich an, wie gestochene Kälber; darauf fragen sie mich, ob es wirklich mein Ernst sey? und wenn ich die Parlamentsacte anführe, und die [531] Clausel dabei, so fangen ihre Kniee an zu zittern, und sie werden blaß wie die Leichen. „Sehr gut, sage ich dann, seyd gescheut und haltet eure Zunge in Zukunft hinter den Zähnen; und ich will über das, was geschehen ist, nichts mehr sagen. Aber denkt ihr denn auch daran, was für Personen es sind, von denen ihr redet? Da ist Stanley und Word, obgleich wir leider! Peter Moore und Edward Ellice verloren haben; da ist der große Brougham, der eine Rede halten kann sieben Stunden lang, ohne inne zu halten, oder etwas zu essen oder zu trinken; da sind Sir John Sebright und Mr. Calcraft; da ist Joseph Hume, der die griechische Anleihe [7] und andere Anleihen bis auf einen Bruch berechnen kann, und John Maberly, dessen Verstand schärfer schneidet und eindringt, als die schärfste Scheere und die spitzeste Nadel; da ist der erhabene Peel, dessen Vater eine Ahnung hatte [8]; da ist der würdige Herries, kurz da sind – selbst wenn wir den großen Protector des alten Römer-Planes nicht anführen [9] – ganze Schaaren, ausgestattet mit der wahren Blüthe der Vernunft; nicht zu vergessen den Herrn Alderman Waithman, dessen Portrait in dem Bilderladen von Ludgatehill bescheiden in ein Damastsopha gelehnt ist, mit „Locke, über die menschliche Vernunft“ in einer von seinen Händen; und nicht zu vergessen diese Barings, die mit solcher Genauigkeit den Grund jeder Unordnung in dem Staatskörper wissen, wenn sie dem Patienten nur an den Puls fühlen.“

Wie der Schäfer, der sich über die Schönheiten seiner Angebeteten verbreitete, würde – wenn ich nicht eher aufhören wollte, als bis ich meinen Gegenstand erschöpft hätte – die Sonne untergehen, ehe ich mein Eulogium vollendet hätte. Gut also, kann da der geringste Grund zur Furcht vorhanden seyn? Man verlangt freilich hohe Preise und Geldbezahlung zu gleicher Zeit; aber wenn auch die Mittel, eine solche Vereinigung hervorzubringen, gemeinen Augen verborgen sind, lehrte da Gott, daß wir daraus schließen sollten, daß sie es auch den Ihrigen waren? Und, was zweifeln wir, da Sie ja einmüthig erklärt hatten, daß Sie diese Frage für immer abgemacht haben? Sie haben es in der That dem König erzählt: nach den genauesten Untersuchungen und der sorgfältigsten und fleißigsten Nachforschung, hatten Sie beschlossen, daß wenn diese mächtige Nation, mit einem stolzen Rückblick in die Vergangenheit in einer vertrauensvollen Hoffnung und wohlbegründeten Erwartung eines heilsamen und dauernden Friedens ruhte, sie zu dem guten Gelde ihrer Vorfahren zurückkehren solle, und Sie haben mit Recht das Talent und die Weisheit des trefflichen jungen Mannes (damals nur ungefähr vierzig Jahr alt), Herrn Peel’s, der den Ruhm hatte, der Urheber dieser Maßregel zu seyn, bis in die Wolken erhoben. Es ist bekannt, daß der König Ihnen dankte für den Eifer, das Talent und die Weisheit, die Sie bei dieser Gelegenheit entwickelt hatten. Es ist bekannt, daß, nachdem Sie die Billigung des „Orakels“ erhalten hatten, Sie mit Verachtung von denen „draußen“ sprachen, die Ihnen prophezeiten, daß diese große Unternehmung keinen guten Erfolg haben würde. Es ist endlich auch bekannt, daß Sie nach der Erfahrung aller der traurigen Jahre seit 1819 noch immer beständig in dem alten Tone fortfahren, von der Aufrechthaltung der Preise durch Ihre Korngesetze zu sprechen; aber obschon die Erfahrung Narren klug macht, so folgt daraus noch nicht im geringsten, daß auch weise Männer auf die Stimme dieses unverschämten und unmanierlichen Rathgebers hören sollen.

Indeß denke man, von der Vergangenheit was man will, über die Aussichten unserer Zukunft muß Alles jauchzen; denn jetzt hat „Westminsters Stolz und Englands Ruhm“ der erleuchtete Kämpfer für den altrömischen Plan der Auswanderung den „Geldumlauf“ in die Hand genommen! [10] Preisen wir die Götter! denn der Teufel sitzt in der Sache, wenn sie jetzt nicht zu Ende gebracht wird. –

Ich habe diese ganze Woche, schlafend und wachend, meine Einbildungskraft torquirt, um zu entdecken, ob vielleicht dennoch etwas vorhanden sey, wodurch es dahin kommen könnte, daß die Frage dießmal dennoch nicht „für immer zur Ruhe gebracht werde;“ und es freut mich zu erklären, daß ich nichts gefunden habe, oder auf alle Fälle wenigstens nur eine Kleinigkeit; und diese ist etwas, was wohl mehr von Gott abhängt, als von den Menschen. Sollte (was die Vorsehung verhüten möge!) „ein starker Fall von Schnee“ eintreten, dann dürfte leider die Frage noch immer nicht zu Ende kommen. Denn bekanntlich ist die Antipathie des großen Mannes gegen die Feuchtigkeit, die in dieser verdrießlichen Manier (untoward manner) die Erde besucht, so groß, daß er schon einmal um dieser einzigen Ursache willen sich weigerte in einer Versammlung seiner wartenden und seufzenden Constituenten zu erscheinen. Die Jahreszeit sollte uns freilich zu der Voraussetzung berechtigen, daß kein Hinderniß dieser Art „unsern theuern Hoffnungen“ – wie die Zeitungen sagen – in den Weg treten wird; aber wir dürfen nicht vergessen, daß dieser große politische Philosoph, der scharfsinnig genug gewesen ist, zu bemerken, daß dieses reiche und große Land zuweilen mehr Geld vonnöthen hat, als baar vorhanden ist, meist in einer Gegend lebt, die viele Kalkberge hat, und daß der Sonnen- und Mondschein auf dem Abhang eines Kalkhügels zuweilen gerade so aussieht, wie Schnee.

Laßt uns indessen das Beste hoffen, laßt uns nach unserer Kenntniß des Mannes darauf vertrauen, daß er nicht bloß auf seinem Posten gefunden werden wird, sondern auch vorbereitet, seine Verpflichtung einzulösen und dieß auf eine klare und unzweideutige Art; laßt uns darauf [532] vertrauen, daß wir keine schallenden und tieftönenden Sentenzen ohne Spitze und Ende zu hören bekommen, eine Parenthese in der andern, wie eine Anzahl Pillenschachteln, die den Geist des Zuhörers in einen ähnlichen Zustand bringen, wie der Irrgang in Hampton Court seinen Leib; laßt uns, da wir unsern Mann kennen, darauf vertrauen, daß wir keine schlottrigen Citationen aus Shakspeare zu hören bekommen, die zu dem Gegenstande ungefähr so gut passen, als die Psalmen David’s für den scheidenden Geist eines ausgedienten Postgauls, und keine Stellen aus dem Virgil, die aus dem Citations-Dictionär entlehnt sind; laßt uns, da wir unsern Mann so gut kennen, darauf vertrauen, daß wir keine weitschweifigen Declamationen über sinnlose Allgemeinheiten hören werden, welche die ehrenwerthen Mitglieder mit der Gefahr bedrohen, ihre Kinnbacken aus den Fugen zu gähnen und sie zu zwingen: hört! hört! zu rufen, bloß in der Absicht, einander aufzuwecken und zu verhüten, daß sie nicht von den Bänken fallen und zugleich uns Leute draußen fragen zu lassen: „Was ins Teufels Namen kann der Mann meinen?“ Laßt uns, da wir unsern Mann so durch und durch kennen, wie wir thun, darauf vertrauen, von ihm eine klare Angabe der Ursachen und Fortschritte des Uebels zu hören, eine ähnliche Angabe von den daraus hervorgehenden Folgen, wenn keine Gegenmittel angewendet werden, und endlich eine detaillirte Angabe dieser Gegenmittel, ausgesprochen in bestimmten Vorschlägen, von denen jeder seinen klaren Sinn hat; laßt uns, nach unserer Kenntniß des Mannes, darauf vertrauen, Alles dieses zu erhalten und auf diese glückliche Weise „die Frage auf immer zu Ende gebracht“ zu sehen. Dann sollst du, verehrtes Collectiv, mehr verehrt werden, als je; dieser dein ausgezeichneter Bruder, der mit Don Sanchos diplomatischer Kenntniß und Vater Galloway’s Dampf die Griechen so glücklich „gerettet“ hat [11] soll dann mit neuen Strahlen der Glorie gekrönt werden; und selbst Peter Däumling von dem Rumpf soll sein überschwängliches Glück fast bedauern, indem er die Landmädchen auffordert, nicht zu athmen, damit durch die Verschwendung die Stimmen nicht erschöpft werden, welche deinen Ruhm von einem Ende der Erde bis zum andern posaunen sollen.

Einen Wink nur bitte ich mir zum Schluß zu erlauben, den ich unserm großmüthigen Wohlthäter geben möchte, und dieser ist, bei dieser Gelegenheit nichts fallen zu lassen über den „Raum,“ die „späte Stunde,“ die „schlechte Gesellschaft,“ die „Ordnung,“ und keinen Gebrauch von irgend einem Worte zu machen, das eine der beiden Silben Re und Form in sich hat.

Indem ich nun mit derjenigen Geduld, welche mir zukommt, und mit dem Vertrauen, welches meine gründliche Kenntniß des Mannes mir einflößt, dem so nahen Tage entgegen sehe, wo die wichtige Frage für immer erledigt werden soll, wo die Unruhe und die Noth von uns allen aufhören wird, und wo ich ohne Scheu meinen Bratrost [12] in eine Egge verwandeln kann; so bleibe ich mit den Gesinnungen, welche ein Mann wie ich, gegen Männer wie ihr hegen kann.
Wm. Cobbett.
N. S. Theures und hochverehrtes Collectiv, sahest Du je ein Schauspiel, welches das „Landmädchen“ heißt? Sahest du je die arme Mutter Jordan, die, nachdem sie die Zierde der Tafel gewesen, an der zu verschiedenen Zeiten Dutzende unsers hohen Adels gesessen hatten, und nachdem sie einem „erlauchten Geschlecht“ das Daseyn gegeben, endlich – wie die Zeitungen uns berichteten – in einer Hütte in Frankreich starb, und nicht die Mittel hinterließ, um ihren Sarg zu bezahlen? Hast Du je die bezaubernde Einfalt bewundert, mit welcher sie Jack Muthig in das Gesicht zu sehen pflegte, während er sie bei der Hand hielt und ihr seine profunden Vorsorgen auseinander setzte, die nöthig waren, sie vor den Stadt-Galans zu bewahren, und hast du sie je, zärtlich sein Kinn mit ihrem Finger berührend, ausrufen hören; „O, wie weise bis du, mein Auge!“ Denke Dir nun, wenn es Dir gefällig ist, mich – wie ich mit eben so bezaubernder Einfalt Dir in das collective Gesicht sehe und mit gleicher Zärtlichkeit Dein collectives Kinn fasse, während Du ernsthaft beschäftigt bist, Klappen für die Luftlöcher zu besorgen, aus denen das Verbrechen und alle die andern Folgen der Armuth herausströmen; während Du darüber berathschlagst, wie so große Uebel – als da sind, der „Mangel an Arbeit, der vorherrschende Trieb, zu früh Kinder zu bekommen, die Verkehrtheit der Menschen, einen Kerker ihrer eigenen Wohnung vorzuziehen, und der Hang, den so viele zeigen, den Hasen und Fasanen nachzugehen, um nicht Hungers zu sterben, und endlich (um nicht weiter zu gehen) die niedern Kornpreise – abgewendet werden können. Während ich Dich Tag für Tag oder vielmehr Nacht für Nacht mit diesen Berathschlagungen beschäftigt sehe, bin ich beständig in einer Art von wachender Traumverzückung, und fürwahr, wenn mich einer dreimal herumwirbeln und ein lautes Hallo mir in das Ohr schreien wollte, ich würde nicht wieder zu meinen Sinnen kommen.
  1. Auszüge aus demselben in der Zeitschrift: Britannia, Jahrgang 1827, Januarheft.
  2. Coke und Burdett die bekannten Parlaments-Mitglieder.
  3. Rathsgelehrter in Dublin und Präsident der irischen katholischen Gesellschaft
  4. Nicht selten ist das Parlament – der Stolz von Old-England – von Parlamentsrednern selbst die versammelte Weisheit oder Intelligenz von England genannt worden: wie schneidend in Cobbets Munde dieß Epitheton ist, dürfen wir wohl kaum erwähnen. Der ganze Brief ist nichts als eine summarische Kritik der Parlamentsverhandlungen in der gegenwärtigen Sitzung. –
  5. Ueber den Verkauf starker Getränke.
  6. Dieß ist in der That bei dem neuen, seit dem Jahre 1826 eingeführten engl. Gewicht der Fall.
  7. Es ist unsern Lersern erinnerlich, wie unwürdig sich Hume im Jahr 1826 bei Gelegenheit der griechischen Anleihe benahm.
  8. Daß sein Sohn Minister werden würde.
  9. Francis Burdett
  10. Aus persönlichem Haß gegen Burdett richtet Cobbet wenn er der Oppositionspartei einige Hiebe austheilen will, seine Angriffe gewöhnlich gegen diesen; Burdett ist bekanntlich Parlamentsmitglied für Westminster.
  11. Saved, kann auch heißen: ihr Geld in die Tasche gesteckt. Burdett war Mitglied der griechischen Committe in London, welche die griechische Anleihe bekanntlich auf eine unverantwortliche Weise verschleudert hat.
  12. Die Vignette von Cobbett’s Register, dem Wochenblatt, dem dieser Brief entlehnt ist.