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Coburg (Meyer’s Universum)

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CLXXVI. Ruine Lahneck bei Coblenz Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Vierter Band (1837) von Joseph Meyer
CLXXVII. Coburg
CLXXVIII. Burg Landeck im Innthale in Tyrol
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COBURG
von der Südseite

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CLXXVII. Coburg.




Wer in südöstlicher Richtung vom Thüringer Waldgebirge niedersteigt und dabei dem Lauf eines kleinen Flusses folgt, welcher unmittelbar am Fuße dieses Gebirges, unter dem Bleßberg, in einer von hohen Buchen umschlossenen dunkeln Felsengrotte entspringt, wird in ein Thal gelangen, das nach demselben der Itzgrund genannt wird. Unter allen Thälern, welche vom Thüringer Walde nach Franken hinabführen, ist der Itzgrund das reichste und lieblichste; es begleitet seinen Fluß bis an den Main, in welchen er sich ergießt, und öffnet dort seinen traulichen Schooß in dem weiten und prächtigen Mainthal, dessen rebenbedeckte Berge mit Schlössern und Abteien gekrönt sind und in der Ferne von den Domthürmen Bambergs und von der hohen Altenburg überragt werden. Wiesen bedecken den Boden des Itzgrundes in seiner ganzen, fast achtstündigen Länge, und die Anhöhen, die ihn umgeben, tragen entweder noch den Stempel des Gebirges, dessen fortlaufende Arme sie sind, oder sie zeigen sich in sanfteren Formen und prangen im Laubschmucke einer üppigen und schönen Vegetation. Ein milderes Klima, der Athem des warmen und lieblichen Frankenlandes, weht bereits in diesem Thale, und nicht zu verkennen ist die erste Wirkung des Sonnenstrahls, der die Traube des Stein- und Leistenweins an ihrem Felsenabhange reift. Jeder, der, von Sachsen kommend, den Itzgrund betritt, wird aus der Physiognomie seiner Natur, aus dem Gruß seiner Bewohner, der Eigenthümlichkeit ihrer Tracht und Sprache, und aus manchem Andern, welches sich nur fühlen und erkennen, aber schwer beschreiben läßt, entnehmen, daß er den Norden hinter sich habe, und Süd-Deutschland sich vor ihm eröffne.

Eine große Menge von heitern Wohnplätzen, Zeichen einer dichten und glücklichen Bevölkerung, belebt den Itzgrund; ein Dorf reiht sich an das andere, und die Wohnungen des Landmanns haben ein behagliches und wohlhabendes Ansehen. Eine Menge Schlösser und Edelsitze, theils auf den Bergen, theils im Thal gelegen, bringen erheiternde Mannichfaltigkeit in die Ansichten, von welchen uns das vorliegende Blatt die einzige Stadt des Itzgrundes, seine Perle und seine Beherrscherin zugleich, vor das Auge rückt. Da nämlich, wo der vom Gebirge kommende Fluß, nachdem er eine Zeitlang seinen nach Mittag gerichteten Lauf verlassen, diesen wieder einschlägt, und wo die Pforte des Thals sich eröffnet, das wir so eben geschildert haben, liegt Coburg, die Hauptstadt des Fürstenthums gleichen Namens, und die Residenz des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha.

[112] Zu welcher Zeit Coburg erbaut worden ist und welches der Ursprung seines Namens seyn mag, sind Fragen, welche der Raum hier nicht zu erörtern erlaubt. Nur so viel sey bemerkt, daß bereits um die Mitte des eilften Jahrhunderts der Name der Stadt in Urkunden erscheint, und daß rücksichtlich dieses Namens gern angenommen wird, ein gewisser Graf Cobbo habe auf Veranlassung Kaiser Heinrich des Ersten das über der Stadt gelegene Bergschloß erbaut und diesem seinen Namen gegeben, welcher dann auf den später entstandenen Ort übergegangen sey. Längere Zeit befand sich dieses Bergschloß mit der ganzen Umgegend im Besitz der im Mittelalter so mächtigen Grafen von Henneberg, denen es auch mehrfach zur Residenz diente, bis es durch Heirath an das sächsische Fürstenhaus kam. „Malt mir ja,“ sprach in Bezug hierauf einst Churfürst Friedrich, der Weise, zu Meister Lukas Kranach, damals in Wittenberg, „malt mir ja die Henne recht säuberlich und fein, denn sie hat dem Hause Sachsen ein gutes Ei gelegt.“ Auch die sächsischen Regenten residirten oftmals auf der Veste Coburg, bis in der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts von Herzog Johann Ernst hierin eine Aenderung getroffen wurde. Er hatte das Schloß „die Ehrenburg“ in der Stadt neu aufgeführt, und verlegte die Residenz in dasselbe. Unter den Fürsten, welche am längsten hier regierten und am meisten zur Vergrößerung der Stadt mit thätigem Eifer beitrugen, muß vor Allen Herzog Casimir genannt werden, der vom Jahre 1586 bis 1633 zu Coburg residirte; zunächst aber der jetzt regierende Fürst, der mit dem Sinn für das Schöne auch einen fein gebildeten Kunstgeschmack vereinigt.

Die Stadt, welche hier auf unserem Bilde aus dem Grün einer lachenden Landschaft ihre freundlichen Thürme erhebt, überragt von der alten Veste und sanft bespült von den Wellen der Itz, die an ihren Mauern hinfließt und deren Spiegel wir gleichfalls im Vordergrund erblicken, zeigt sich uns von der südwestlichen Seite. Sie hat fünf Thore, eben so viele Kirchen (vier protestantische und eine katholische), nahe an achthundert Wohngebäude und nicht ganz zehn tausend Einwohner. Ihre Bauart ist keineswegs modern, und trotz mancher, sowohl im Innern als vor den Thoren neu aufgeführten Häuser, trotz der geschmackvollen Gartenanlagen, welche ein naturfreundlicher Sinn nach und nach in ihren Umgebungen hervorrief, wird die Stadt dennoch niemals eine modern-heitere, oder elegante genannt werden können, Begriffe, denen der Charakter des mittelalterlichen Baustyls, welcher Coburg durchaus eigen ist, zu sehr widerspricht. Seine Straßen sind ungleich und, mit wenigen Ausnahmen, eng und winkelig. Dagegen zeigt es jenen Städtetypus, der im südlichen Deutschland heimisch ist, und den Anfang des wohnlich-stattlichen Elements von Bürgerthum, welches in Nürnberg seine höchste und edelste Erscheinung feiert.

Vom Residenzschloß, der Ehrenburg, ist auf unserem Bilde nur der mit einer Flagge geschmückte Thurm sichtbar, rechts vom Hauptthurme der Stadt; seine Flügel sind von derselben verdeckt. Es steht auf dem Raum, den, bis zur Reformation, ein Barfüßerkloster einnahm, und erhielt seine gegenwärtige Gestalt, die nicht allein dem fortgeschrittenen [113] Geschmacke der Zeit, sondern auch höheren Ansprüchen der Schönheit entspricht, erst im Jahre 1818 durch den jetzt regierenden Herzog. Es konnte damals indessen nur Ein Flügel, der östliche, ganz vollendet werden; an der Umgestaltung des westlichen, welche aus verschiedenen Ursachen eine zeitlang ausgesetzt blieb, wird gegenwärtig eifrig gearbeitet. Das Schloß enthält eine Menge sehr schöner Gemächer, eine Kirche und mehrere Säle, unter denen der Riesensaal, dessen Decke von kolossalen Caryatiden gestützt wird, der ausgezeichnetste ist. Auch viele Gemälde, namentlich aus der niederländischen und neu-französischen Schule, schmücken die Galerien der Residenz und unter den Familienportraits sind mehrere von berühmten Meistern gemalt. Nach dem Schlosse verdienen das Zeughaus, das Regierungsgebäude, das Casimirianum und das Rathhaus genannt zu werden; Gebäude, welche sämmtlich aus der Regierungsperiode des Herzogs Casimir stammen und in ihrer mittelalterlichen Großartigkeit selbst Nürnberg zur Zierde gereichen würden. Das Zeughaus, dessen ursprüngliche Bestimmung sein Name andeutet, dient jetzt zum Lokal verschiedener Behörden und Kassen und in seinem oberen Stockwerke befinden sich mehrere sehr werthvolle Sammlungen. An der Spitze dieser letzteren muß eine Bibliothek von etwa fünfzig tausend Bänden genannt werden, ein Kupferstichkabinet, von dem Vater des regierenden Fürsten zu einem der wichtigsten in Deutschland herangebildet, eine kostbare Gewehrkammer mit den prächtigsten und seltensten Waffen, unter denen sich viele türkische befinden, werthvolle Siegestrophäen eines Feldherrn, dessen Namen die Geschichte mit Achtung und Anerkennung nennt und der dem fürstlichen Hause von Sachsen-Coburg angehörte, des k. k. Generalfeldmarschalls, Prinzen von Coburg, der sein thatenreiches und ruhmvolles Leben im Jahre 1816 hier beschloß; und endlich eine Sternwarte im obersten Raum des Gebäudes. Das Regierungsgebäude, auf dem Markte, dem Rathhause gegenüber, ist ein stattlicher, mit Schnitzsäulen, Wappen, Standbildern und dergleichen verzierter massiver Bau. Es enthält die Sitzungssäle und Kanzleien der höchsten Landesbehörden, mit Ausnahme des Ministeriums. Das Rathhaus umfaßt allen zur Verwaltung städtischer Interessen nöthigen Raum und ist zugleich das Lokal eines Gewerbvereines, einer Sonntagsschule und – einer Anstalt, welche schwerlich in so ehrenhafter Gesellschaft gesucht werden möchte: des Lotto. – Einer besondern Erwähnung verdient das Casimirianum unweit der Hauptkirche. Sein fürstlicher Erbauer hatte es zu einer Anstalt bestimmt, welche die Mitte zwischen Gymnasium und Universität halten sollte, eine Einrichtung, welche lange beibehalten ward, jedoch mit dem Anfang dieses Jahrhunderts eine Aenderung erlitt. Gegenwärtig ist das Gymnasium, nur als solches, in blühendem Zustande und der Leitung einsichtsvoller Männer vertraut. Es zählt unter seinen Hülfsanstalten eine Bibliothek, ein Naturalien-Kabinet und verschiedene physikalische Apparate. Außer dem Gymnasium gibt es an höhern Lehranstalten in Coburg noch ein Seminar für Schullehrer. – Die Anstalten für Elementarunterricht begreifen eine Rathsschule für Knaben, mehrere Mädchenschulen und auch ein kürzlich gegründetes Taubstummen-Institut. Unter den [114] Kirchen ist die des heiligen Mauritius die Hauptkirche der Stadt und wir sehen ihren ansehnlichen Thurm im Mittelpunkte des Bildes sich erheben. Der Bau der Kirche war für zwei solcher Thürme berechnet, aber wie bei so vielen Kirchen und Kathedralen, welche an ähnlicher Nicht-Vollendung leiden, kam der zweite niemals zur Ausführung. Indessen ist die Kirche immer ein ansehnliches Gebäude und enthält in ihrem hohen Chor mehrere Grabmonumente, ausgezeichnet sowohl in historischer, als künstlerischer Rücksicht. Das vorzüglichste derselben ist die, aus Alabaster gefertigte, von Figuren, dem Zeitgeschmacke gemäß fast überladene Pyramide, welche dreißig Fuß hoch an der Wand des Chors sich aufrichtet und ein Denkmal ist, welches Herzog Casimir seinen unglücklichen Eltern weihte.[1]

In der Gruft der Morizkirche ruhen alle Mitglieder des herzoglichen Hauses von der Mitte des 16. Jahrhunderts an bis auf die neuesten Zeiten, mit Ausnahme des zuletzt verstorbenen Herzogs Franz und seiner Gemahlin, die in einem eigens für sie erbauten kleinen Mausoleum im freundlichen Hofgarten den Todten-Schlummer schlafen. Die vier übrigen Kirchen sind: die Schloßkirche, die Kirche zum heiligen Kreuz, St. Salvator und die katholische Kapelle außerhalb der Stadt, an der Straße nach katholischem Lande, dem schönen benachbarten Bisthum.

Als Handelsort ist Coburg nie bedeutend gewesen und von größern Fabrikanstalten sind blos die für Rothgarnfärberei, Zeugweberei und Porzellainmalerei bemerkenswerth. Dagegen sind die eigentlich bürgerlichen Gewerbe sehr blühend und sie wurden die Grundlage des Reichthums, der in vielen Bürgerfamilien seit mehren Generationen festgehalten wird. Besonders wichtig ist die Bierbrauerei, welche ein weit und breit berühmtes, sehr gesundes Getränke liefert und ein Kapital von 4 bis 500,000 Gulden beschäftigt. Die hiesigen Sattler-, Schreiner- und Wagnerarbeiten sind wegen ihrer Solidität bekannt und beliebt.

Wenn man von Coburg redet, so würde es fast Ueberwindung kosten eines Umstandes nicht zu erwähnen, welcher einen längern oder kürzern Aufenthalt in dieser Stadt dem Fremden mit wenigen Ausnahmen angenehm und werth macht. Es ist dies die treuherzige, edle Biederkeit ihrer Bewohner. Die ungemeine Freundlichkeit der Natur scheint hier auch die Seelen freundlich gemacht zu haben. Coburg bietet dem Fremdling, der sich dort niederläßt, etwas, was er in größeren Residenzen und prächtigeren Städten nur zu oft vermissen wird, ein herzliches Wohlwollen und jenes heitere Entgegenkommen, welches glücklichen Naturen eigen ist und nicht überall getroffen wird.

[115] Von der Stadt werfen wir noch einen Blick auf die alte Veste, welche sich über ihr erhebt und die Krone der ganzen Gegend bildet. In der That, aus der Ferne gesehen, namentlich von Süden her, hat die äußere Gestalt der Veste Coburg Aehnlichkeit mit einer Krone und da sie die höchste Lage im Umkreise mehrerer Stunden einnimmt, scheint sie als solche über den Bergen zu schweben. Der Weg, der von der Stadt hinaufführt, ist auf das beste gebahnt und läuft zwischen Gärten und freundlichen Anlagen hin. Weinpflanzungen bedecken den südlichen Abhang des Berges und überall sieht man die Schönheit der Natur durch die sorgsame Hand der Kunst benutzt, hervorgehoben, unterstützt. Eine immer reichere und blühendere Aussicht entfaltet sich mit jedem Schritte aufwärts. Thüringische, bayerische und böhmische Gebirge begrenzen den Horizont und winken mit ihren näheren oder ferneren Häuptern. Schlösser, noch in wohnbarem Zustande oder in Trümmer gefallen, zeigen sich überall auf den Bergen. Es sind ihrer acht in ziemlicher Nähe, die man zählen kann; auch eine Wallfahrtskirche[2] und ehemalige Klöster[3] stellen sich dem Auge dar.

Ueber eine Zugbrücke gelangt man durch ein alterthümliches, von Invaliden bewachtes Thor in das Innere der Burg. Doch den hauptsächlichsten Theil derselben, das große Gebäude, welches sich auf unserem Bilde zeigt, nimmt statt der sonst fürstlichen Bewohner, jetzt die Strafanstalt des Landes, das Zuchthaus ein! Nur der nördliche Flügel des Schlosses erinnert noch an ursprüngliche Bestimmung und Pracht und befindet sich entweder noch ganz in dem Zustand, wie er im 16. Jahrhundert die Residenz der Fürsten war, oder ist neuerdings im alten Geschmacke hergestellt worden. Besonders sehenswerth ist das sogenannte Hornzimmer, dessen Decke und Wände mit kunstvollen Holzschnitzereien und Einlegungen aus den Zeiten Casimir’s geschmückt sind. Martin Luther hielt sich vor und nach dem Augsburger Reichstage (1530) längere Zeit hier auf und sein herrliches, ewiges Lied: „Eine feste Burg ist unser Gott“ ward hier gedichtet. Die Veste enthält noch ein Zeughaus, eine Rüstkammer, verschiedene Bildnisse und Gemälde, eine Kirche, wo Luther oft begeisterten Zuhörern predigte, einen sehr tiefen Brunnen, mächtige Basteien etc. Ein Theil der Wälle ist in neuester Zeit abgetragen und in eine prächtige Terrasse mit entzückender Aussicht umgewandelt worden.

In der freundlichen Nachbarschaft der Stadt sind die herzoglichen Lustschlösser Rosenau, Kallenberg und Ketschendorf für jeden Fremden eines Besuches werth.





  1. Der Vater des Herzogs Casimir war Herzog Johann Friedrich der Mittlere von Gotha, der in Folge der bekannten Grumbachischen Händel die Reichsacht auf sich zog und nach 28jähriger Gefangenschaft, wohin ihm seine Gemahlin, Elisabeth von der Pfalz, freiwillig gefolgt war, in Oesterreich starb.
  2. Die Kirche von Vierzehnheiligen am Main.
  3. Banz und Mönchröden.