Crispin und Crispine
Daß oft die Weiber bis ins Grab
Sich mit den Männern schlecht vertragen,
Sind leider schon sehr alte Klagen,
Die man uns oft zu lesen gab.
So manche gute Gattinn plagen,
Sind dieß nicht auch gerechte Klagen?
Doch welcher Sänger singt sie ab?
Daß oft die Frau zum Zeitvertreibe
Darüber klagt manch Spottgedicht.
Doch daß der Mann mit seinem Weibe
Oft als mit einer Sklavinn spricht;
Wie selten straft dieß ein Gedicht!
Darüber seufzt und klagt der Mann.
Doch sollte man daraus nicht schliessen,
Daß Männer nicht zu herrschen wissen,
Weil ihre Frau so schwer gehorchen kann?
Und leben, um geputzt zu leben,
Darüber sorgt der Mann sich grau.
Doch daß die Männer sich dem Kaltsinn gern ergeben,
Nur sich, nicht ihren Weibern leben,
Daß bey dem Reiz der äußerlichen Gaben
Die Weiber oft der Seele Reiz nicht haben,
Doch daß die Männer oft nur Geld und Schönheit ehren,
Sie durch ihr Beyspiel Thorheit lehren,
Und über Thorheit sich beschweren,
Klingt in der That sehr wunderbar!
Und dennoch ists nicht selten wahr.
So herzlich den Crispin gehaßt:
So legts nicht gleich mit einer Männermiene
Der armen Frau allein zur Last.
Und seyd ihr selbst unglückliche Crispine,
Ob ichs vielleicht wohl gar verdiene?
Und bessert euch. Vielleicht thuts auch Crispine.
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Crispine starb, und binnen wenig Tagen
Starb auch Crispin, ihr Mann, schon nach,
Wenn wir das Leichencarmen fragen.
Doch viele wollten lieber sagen,
Der Zorn hätt ihn dahin gerafft;
Allein der Zorn ist nicht der Männer Leidenschaft.
Daß sein Gebein bey der verwesen sollte,
Zu seiner Frau ins Grab gelegt.
So lag denn Mann und Weib in einer Gruft vereinet;
Was nach der Zeit, mehr als zu oft, geschehn!
Die Frau ließ sich bey ihrem Grabe
Des Nachts im Sterbekleide sehn.
Der Küster, und des Küsters Knabe,
Denn allemal ließ sich Crispine sehn,
Und wies ganz ängstlich nach dem Grabe.
Der Küster wagts den neunten Tag,
Und ruft die sämmtlichen Crispinen,
Und forscht und überlegt mit ihnen,
Was doch die Ruh der Selgen stören mag.
„Hat sie vielleicht im Tode was befohlen?“
Nichts, fieng die Freundschaft an, nichts als den Leichenstein.
Man läßt geschwind den schönsten Grabstein holen;
Der Steinmetz haut zwey Herzen in den Stein,
Und diese Schrift vom Küster ein:
„Hier ruht ein zärtlich Paar, voll gleicher Lieb und Treue;
Nichts weniger. War sie zuvor erschienen,
Erschien sie nur noch mehr und mit noch bängern Mienen,
Und lief dem guten Küster nach,
Allein ein unvernehmlich Ach!
Dieß war es alles, was sie sprach.
Wer wußte nun, was das bedeuten sollte?
Man öffnete das Grab. Es war kein Sarg versehrt,
Zur rechten er und sie zur linken Seite.
Nein, schrie der Küster, umgekehrt!
Ihr, Todtengräber, seyd nicht werth – – –
Der Sarg ward umgekehrt; allein die Folge lehrte,
Mich deucht, dieß ist der Schönen Fehler nicht.
Und ist ers ja, wie mancher Spötter spricht:
So ist ers doch im Grabe nicht.
Crispine ließ nicht nach, dem Küster zu erscheinen.
Wies immer auf ihr Grab und machte mit der Hand
Ein Zeichen, das zuletzt der Küster doch verstand.
Der Mann ward aus der Gruft genommen,
Und noch in beider Gegenwart
Verschwand die Frau mit heitern Mienen,
Und ist seitdem nicht mehr erschienen.