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Das Bildnis der beiden Söhne des Rubens

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Textdaten
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Autor: Schramm-Macdonald
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Titel: Das Bildnis der beiden Söhne des Rubens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 564
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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[564] Das Bildnis der beiden Söhne des Rubens. (Zu unserer Kunstbeilage.) Nach einem Ausspruch Michel Angelos gehört die Kunst keinem Lande an, sie stammt vom Himmel. Drei Städte: Köln, Antwerpen und Siegen, haben sich um die Ehre gestritten, der Geburtsort Peter Paul Rubens’, des Hauptmeisters der Brabanter Malerschule, zu sein. Siegen, eine seiner Zeit nassauische, heute westfälische Stadt hat den Sieg davongetragen. Streit und Sieg haben die Welt nicht sonderlich bewegt, denn auch das Genie gehört keinem Lande an, sein sonnenhaftes Leuchten umfaßt nicht bloß ein begrenztes Stückchen Erde, es hat sein Vaterland überall da, wo es verstanden und geschätzt, wo es geliebt wird. Und so dürften wir den Großmaler der Renaissance auch dann den unserigen nennen, wenn die Wiege des einer Antwerpener Familie entsprossenen Knäbleins auch nicht zufällig am Ufer der Sieg gestanden hätte. In allen Galerien finden sich Werke des fleißigen und vielseitigen Künstlers, der mit dem Instinkte des Genies die Besonnenheit des Talentes und eine nie versagende Schaffenskraft in wunderbarer Weise vereinigte. Die Dresdener Galerie allein besitzt 31 Bilder, die mit einigen wenigen Ausnahmen ausschließlich von Rubens’ eigener Hand gemalt sind. Hinsichtlich der beiden ausgezeichneten Kniestücke „Bildnis eines Herrn, der seine Handschuhe anzieht,“ und „Bildnis einer Dame mit einem Kinde“ herrscht jetzt in Kennerkreisen allerdings die Ansicht, daß sie nicht von Rubens, sondern von seinem besten Schüler, Anton van Dyck, herrühren. Die „Dame mit einem Kinde“ ist wahrscheinlich Jsabella Brant, Rubens’ erste Gemahlin, mit dessen erstgeborenem Sohne Albert. Die bereits etwas spitz gewordenen Züge haben unverkennbare Aehnlichkeit mit dem runderen schönen Frauenantlitz, das Rubens selbst auf dem in der Münchener Pinakothek befindlichen Bilde „Rubens und seine Gemahlin Jsabella“ und dem in den Uffizien zu Florenz hängenden Bildnisse seines jungen Weibes in wunderbarer Feinheit wiedergegeben hat. Den großen, schönen Augen des Kindes, welche denen der Mutter gleichen, begegnen wir auf jenem um 1627 entstandenen Doppelbildnisse der Dresdener Rubensabteilung wieder, das als die Perle derselben und zugleich als eine der herrlichsten Schöpfungen des Meisters bezeichnet werden darf: „Rubens’ Söhne Albert und Nikolaus.“ Aus den liebenswürdigen und durchgeistigten Zügen des den Bruder zärtlich umfassenden älteren Knaben leuchten sie uns wie geheimnisvolle dunkle Sterne entgegen, während der jüngere Knabe seine Blicke auf das Spielzeug in seiner Hand, einen gefesselten Stieglitz, gerichtet hält.

Rubens war nicht bloß ein großer Künstler und ein bedeutender Diplomat, sondern auch ein edel veranlagter, liebenswürdiger Mensch, ein vortrefflicher Gatte und Vater. An seinen Kindern aus erster und zweiter Ehe – vier Jahre nach dem Tode der trefflichen Jsabella Brant, 1630, vermählte sich der Dreiundfünfzigjährige nochmals, und zwar mit einer Verwandten, der sechzehnjährigen, reizenden Helene Fourment – hing er mit einer tiefen und zärtlichen Liebe, doch scheint der hochbegabte Albert seinem Herzen ganz besonders nahe gestanden zu haben. Am 29. Dezember 1628 schreibt er aus Madrid, wohin ihn seine diplomatische Thätigkeit gerufen, an seinen bewährten Freund, den als Historiograph Kaiser Ferdinands III. bekannten Antwerpener Stadtschreiber Gevaerts, welchem er seinen ältesten Sohn anvertraut hatte: „Mein Albertchen bitte ich Dich, wie mein Bild, nicht in Deiner Betstube oder dem Hausgötterheiligtum, sondern in Deinem Wissenschaftstempel zu halten. Ich liebe den Jungen und ernstlich empfehle ich Dir, Fürst meiner Freunde und Führer der Musen, daß Du die Sorge für ihn bei meinen Lebzeiten und nach meinem Tode gemeinschaftlich mit meinem Schwiegervater und meinem Schwager Brant übernimmst.“ Albert Rubens hat die hohen Erwartungen, welche der Vater an seine Geistesanlagen knüpfte, nicht getäuscht. Er stand erst im 17. Lebensjahre, als ihn Philipp IV., hingerissen von der Gewecktheit und Klugheit des liebenswürdigen Künstlerkindes, zum Nachfolger seines Vaters in der Würde eines Sekretärs des geheimen Rats bestimmte. Seine Gelehrsamkeit bekundete er später namentlich als Altertumsforscher. Das Alter des Vaters erreichte er nicht: er starb in seiner Geburtsstadt Antwerpen, erst 43 Jahre alt, am 1. Oktober 1657. Von Nikolaus Rubens’ Lebenslauf ist so gut wie nichts bekannt. Wir wissen nur, daß er bereits im Alter von 37 Jahren vom Tod dahingerafft worden. Das berühmte Doppelbildnis, welches die „Gartenlaube“ mit der vorliegenden Nummer in ausgezeichneter Wiedergabe ihren Lesern vorführt, ist von Rubens bis auf den letzten Strich mit der gleichen künstlerischen Hingabe ausgeführt worden wie die zahlreichen Porträts seiner beiden Gattinnen; in alle diese herrlichen, besonders in der Licht- und Farbenwirkung unübertrefflichen Bilder hat er recht deutlich die Liebe zu den Seinen hineingemalt. Wie mächtig, und fruchtbringend er auch übrigens auf die Kunst der Niederländer gewirkt, von den vier Söhnen des unsterblichen Meisters ist ihm keiner in seinem Künstlerberufe gefolgt; auch lebt sein großer Name nur in seinen Werken fort. Schramm-Macdonald.