Das Buch des Fürsten Bismarck

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Titel: Das Buch des Fürsten Bismarck
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 784
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Das Buch des Fürsten Bismarck.

„Gedanken und Erinnerungen von Otto Fürst von Bismarck“, so nennt sich das Buch, das der Schöpfer der deutschen Einheit seinem Volke hinterlassen hat. Vor fünf Jahren schon war es in der Handschrift dem J. G. Cottaschen Verlage in Stuttgart, bei dem es in diesen Tagen erscheinen wird, übergeben worden. Nur wenige Personen wußten davon und hüteten streng das Geheimnis. Anderseits konnte es, bei dem regen Verkehr im Bismarckschen Hause, nicht verborgen bleiben, daß der Fürst mit der Aufzeichnung von Erinnerungen beschäftigt sei. Näheres wußte aber niemand darüber zu berichten, und so entstand eine gewisse schattenhafte Vorstellung von einem Memoirenwerke aus der Feder des Fürsten, das nach seinem Tode an die Oeffentlichkeit treten werde.

Fürst Bismarck im Jahre 1894.
Nach einem Gemälde von J. v. Lenbach.


Daß es einen Zeitpunkt gab, in welchem der Fürst den Beschluß gefaßt hatte, einen Teil seiner Erinnerungen noch zu seinen Lebzeiten herauszugeben, hat, außer wenigen Eingeweihten, bis vor kurzem niemand erfahren. Fürst Bismarck gab dieses Vorhaben nur deshalb auf, weil er immer aufs neue Inhalt und Form des Niedergeschriebenen nachprüfte, ob sie auch ganz dem Erfordernis unbedingter geschichtlicher Haltbarkeit entsprächen, ob die Urteile über Dinge und Personen im strengsten Sinne gerecht und dabei so maßvoll, wie er es wünschte, ausgedrückt seien.

Es war ja die Zeit des weisen, abgeklärten Alters, in der er, der zur Zeit seiner Amtsführung Weltgeschichte gemacht hatte, nun im Stande der Ruhe Umschau hielt über das, was unter ihm und um ihn geschehen war. Er wollte, in sorgfältigster Auswahl und Ausarbeitung, Aufschlüsse, wie nur er sie besaß, darüber geben, wie alles geworden war. Da sollte keine unnütze Schonung, aber auch keine verletzende Härte geübt werden. Denn es sollte ein ungetrübter Spiegel seiner Zeit entstehen, ein Buch der Belehrung für die Gegenwart und für künftige, vielleicht schwere Zeiten.

Man muß an dieses Buch, will man es recht verstehen, mit großem Sinn herantreten, wie es mit großem Sinn geschrieben ist. Wer nur gemeine Nengierde mitbringt, Skandale sucht, der greife nach anderen Memoirenwerken. Hier sind ernste „Gedanken“ eines Staatsmanns, untermischt mit „Erinnerungen“ an ein Leben, dessen Gang mit den welterschütternden Ereignissen unserer Zeit, wie kein zweites, verflochten war.

Wie das Werk entstanden ist, darüber haben kürzlich die Tageszeitungen aus offenbar untrüglicher Quelle berichtet. Schon anfangs 1890, kurz vor Bismarcks Entlassung, richtete der Cottasche Verlag eine Anfrage an den Fürsten, ob er Aufzeichnungen besitze und sie etwa diesem Verlage überlassen wolle. Im Sommer des Jahres der Entlassung wurde diese Anregung wiederholt, und nun fand sich der Fürst, der im Januar 1890 erwidert hatte, daß er keine Erinnerungen geschrieben habe und im Amte keine schreiben könne, bewogen, zu erklären: „er wolle nach und nach, wie es ihm der Geist eingäbe, Episoden aus seinem Leben diktieren“. Bald kam auch, da der Fürst der altberühmten Buchhandlung, die einst Goethe und Schiller verlegt hat, sein Vertrauen schenkte, ein Vertrag zustande.

Und nun begann die schriftstellerische Arbeit des Fürsten. Vom Herbst 1890 bis Frühjahr 1891 diktierte er jeden Vormittag ein paar Stunden an den Denkwürdigkeiten, denen er später den wohl erwogenen Namen „Gedanken und Erinnerungen“ gab. Lothar Bucher, sein verdienter Mitarbeiter während seines politischen Wirkens, sein treuer Hausfreuud in der Zeit der Muße, schrieb stenographisch nach und sorgte für Beischaffung von Büchern und handschriftlichem Stoffe, für Richtigstellung von Daten und dergleichen. Das ins Reine Geschriebene sah der Fürst mit größter Genauigkeit durch, strich, verbesserte, erweiterte mit eigener Hand, wo er es für nötig fand. Einzelne Kapitel hat er mehrmals gänzlich umgestaltet.

Im Herbst 1893 hatte der Fürst während einer schweren Erkrankung in Kissingen die Handschrift, soweit er sie damals als fertig betrachten konnte, den Vertretern der Cottaschen Buchhandlung übergeben.

Seitdem war dieselbe, zur Veröffentlichung nach Bismarcks Hinscheiden bestimmt, im Besitze der Cottaschen Buchhandlung. Ein gnädiges Geschick vergönnte dem Fürsten noch eine Reihe von Lebensjahren, und diese Frist kam auch dem Buche zu statten. Der Fürst, dem die Arbeit nun durch die Herstellung eines gedruckten Manuskripts erleichtert wurde, fuhr fort, Verbesserungen an seinem Werke vorzunehmen. Horst Kohl, der erste Kenner der schon so umfangreichen Bismarck-Litteratur, hat als Herausgeber der „Gedanken und Erinnerungen“ dafür gesorgt, daß auch die letzten von Bismarcks Hand herrührenden Abänderungen dem Buche einverleibt wurden.

Durch die Cottasche Buchhandlung sind wir in den Stand gesetzt worden, den Lesern der „Gartenlaube“ neben der photographisch getreuen, um ein Siebentel verkleinerten Nachbildung zweier Seiten der Handschrift einen vollständigen Abschnitt, und zwar den ersten des ersten Kapitels, noch vor dem Erscheinen des Werkes mitzuteilen. Es ist hierzu ein unpolitisches Kapitel ausgewählt worden, ein Stück Jugendgeschichte, das bis zu dem Tage währt, an dem Otto von Bismarck, nach kurzer Laufbahn im juristischen und Verwaltungsfache, entschlossen war, sich für immer aufs Land, zur Bewirtschaftung der väterlichen Güter, zurückzuziehen, mit dem, wie er sagt, einzigen auf dem Lande ihm verbleibenden Ehrgeiz, dem des Landwehrlieutenants.