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Das Grab von Meulan

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Textdaten
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Titel: Das Grab von Meulan
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 419–420
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[419] Das Grab von Meulan. (Mit Illustration.) Es war ein freundliches Landstädtchen, wahrhaft reizend an einem nach der Seine hin abfallenden Bergabhange gelegen, in welches wir, das heißt das erste Bataillon des schleswig-holsteinischen Füsilierregiments Nr. 86, am 23. März d. J. einrückten. In früheren Jahren mit all seinen Villen und Weinbergen ein beliebter Sommeraufenthalt für zahlreiche Pariser, bot uns Meulan – so hieß das Städtchen – den lange entbehrten Anblick stattlicher Häuser und reinlicher Straßen. Ringsum die Landschaft aber mit ihrem coquetten, echt französischen Charakter präsentiere sich am schönsten von dem oberhalb der Stadt gelegenen Friedhofe, der einen entzückenden Blick über das fruchtbare, an Dörfern und Villen reiche Seinethal bis in die blaue Ferne, bis zu den sich scharf am Horizont abhebenden Höhenzügen gestattete, aus denen ein geübtes Auge sogar unsern alten Freund, den Mont Valerien, zu erkennen vermochte, dessen Kanonen im Augenblicke, da ich diese Zeilen [420] an Sie schreibe, noch immer ihren ehernen Mund geöffnet halten und zwar diesmal im Dienste des Brudermordes.

Es ist begreiflich, daß wir unter solchen Umständen gleich in den ersten Tagen unseres Hierseins den friedlichen Leichenacker zum Lieblingsziel unserer Ausflüge machten. Und siehe, der Friedhof dort oben bot uns bald ein Moment von noch viel wichtigerem Interesse, als uns die Einwohner von Meulan erzählten, dort oben sei ein vaterländisches Grabmal, das Grabmal eines in den Befreiungskämpfen gefallenen preußischen Officiers; dieser Officier, vor Versailles im Jahre 1815 zum Tode in die Brust verwundet, sei kurz darauf verschieden und seine zuerst auf der Wahlstatt beerdigte Leiche sei später in voller Uniform hierher übergeführt und beigesetzt worden.

Das Grab von Meulan.
Nach der Natur aufgenommen.

Man suchte und fand in dem östlichen, für Protestanten und Nichtkatholiken bestimmten Theile des Friedhofes einen zerfallenen, von der langen Zeit schon arg beschädigten Leichenstein, der wirklich das Grab des Reiterofficiers August von Crayen, Rittmeisters im brandenburgischen Husarenregimente, bedeckte. Die französisch abgefaßten, theilweise erst nach gründlicher Reinigung des Steines von Moos und Unschlitt erkennbaren Inschriften lauteten, wie folgt. Auf der Frontseite des Steins:

Souvenir.
Auguste de Crayen, né à Leipzig le 10 Juin 1783, Capitaine dans le Régiment des Hussards de Brandenbourg, Chevalier de l’ordre pour le mérite et de la croix de fer de Ier et de IIme classe, mort le 3 Août 1815.

Auf der Kehrseite des Steines stand:

A la mémoire.
Son inconsolable mère prie Dieu de bénir son âme et de lui recueillir dans une autre monde le fruit de ses vertus.

Von nun an wurde der stille Winkel des Friedhofs von Meulan zum Wallfahrtsort für deutsche Krieger und ein Jeder von uns beschaute den verwitterten, tief in den Rasen gesunkenen Gedenkstein eines vergessenen Freiheitskämpfers.

Bald genug aber regte sich in dem deutschen Officiercorps der natürliche Wunsch, dem arg verwahrlosten Grabhügel ihres Cameraden eine würdigere Form zu geben, und Premierlieutenant Fahrenkamp, der Führer der zweiten Compagnie, erklärte sich auf Ansuchen bereit, die Leitung des Ganzen zu übernehmen. Am 6. April war die Wiederherstellung des Gedenksteins, die durchaus von Soldaten der vierten Compagnie in die Hände genommen worden war, vollendet, und als gegen Mittag in Anwesenheit des gesammten Officiercorps, zahlreicher Füsiliere und sogar vieler Einwohner von Meulan die Einweihung des Grabmals vor sich ging, stand dieses, mit Blumen geschmückt, in verjüngter Gestalt da; auf den erneuten Aufsätzen der Aschenurne aber war zu lesen: „Renovirt (1871) vom ersten Bataillon des schleswig-holsteinischen Füsilier-Regiments Nr. 86“ und daneben waren die Insignien angebracht, welche die Brust des braven Todten bei seinen Lebzeiten geschmückt hatten. Gesang und Choralmusik begleiteten die ernste Feier der Einweihung – von dem Thurme des französischen Friedhofes aber läuteten dazu die Kirchenglocken, indeß zu gleicher Zeit das dumpfe Rollen der Kanonade von Paris aus der Ferne vernehmbar ward.