Das Leidenchristispiel auf der Volksbühne der ehemaligen Reichsstadt Schwäbisch Gmünd

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
Autor: Aloys Marquart
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Leidenchristispiel auf der Volksbühne der ehemaligen Reichsstadt Schwäb. Gmünd
Untertitel:
aus: Gmünder Heimatblätter 1 (1928), S. 83–84
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Heimat und Verkehrsverein Schwäbisch Gmünd
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Schwäbisch Gmünd
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Artikel über das Passionsspiel Schwäbisch Gmünd
Siehe auch Schwäbisch Gmünd
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[83]
Das Leidenchristispiel auf der Volksbühne der ehemaligen Reichsstadt Schwäb. Gmünd
Von Regierungsrat a. D. A. Marquart in Ludwigsburg

Das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu Christi hat vielleicht nirgends in deutschen Landen eine reichere Ausbildung und liebevollere Pflege gefunden, als in früheren Tagen in der ehrwürdigen Reichsstadt Schwäb. Gmünd, allwo das österliche Spiel so sehr Gemeingut der Einwohnerschaft geworden war, daß kaum eine Familie in dieser Stadt gefunden wurde, die nicht eines oder mehrere ihrer Mitglieder zu den Darstellern gestellt hätte. Auf dem freien Platz, der sich von der Nordseite des Heiligkreuzmünsters hinzieht, war die Bühne aufgeschlagen. Auf ihr befanden sich drei tempelartig erstellte Rundbauten mit großen Vorhängen. Wurden letztere zurückgezogen, so lag ein großer Saal vor den Augen der Zuschauer, wo die meisten der Leidensvorgänge sich abwickelten. Links davon war der Oelberg. Die Zuschauer saßen oder standen unter freiem Himmel, während die Bühne bedeckt war. In der Gmünder Altertumssammlung besitzen wir noch eine aus Holz gemalte Darstellung dieser Bühne, die einige Jahre vor Ausbruch des Weltkriegs von einem Leipziger Hochschulprofessor abgebildet wurde, um in seinem Werk über die Entwicklung der deutschen Schaubühnen Verwendung zu finden. Die Zahl der Zuschauer stieg auf 1500 und mehr. Das ganze Stück war in 24 Auftritte eingeteilt. Am Gründonnerstag abends 7 Uhr begann jedjährlich bei reicher Fackelbeleuchtung die Handlung und währte, die ersten 12 Auftritte vorführend, bis 10 Uhr. Die Darstellung der zweiten Hälfte des Trauerspiels fing am Karfreitag mittags 12 Uhr an und setzte sich bis in den Abend hinein fort.

Im Monat April 1803 wurde dieses Spiel in Gmünd letztmals öffentlich und feierlich aufgeführt: die alte Reichsstadt war unter württ. Regierung gekommen und diese war solchen katholischen Veranstaltungen keineswegs günstig. Im Jahr 1812 traten Bestrebungen hervor, diese Darstellungen [84] des Leidens Jesu wieder aufleben zu lassen; allein es ist scheinbar zu einer Wiederaufführung derselben nicht gekommen. Am 23. Januar 1812 hat ein Buchaufsichtsbeamter Vogt in Gmünd um Verhaltungsbefehle hinsichtlich dieser Vorstellungen gebeten, da deren Erneuerung in der Stadt Gmünd geplant sei. Dieser Vogt führte damals aus, aus den finsteren Zeiten des Mittelalters schreibe es sich her, daß in Gmünd bis 1803 das Leiden Christi auf der Schaubühne vorgestellt worden sei. Diese Vorstellung sei in Versen abgefaßt und die Darsteller seien Männer aus dem Handwerkerstand gewesen. Dagegen ist zu bemerken, das Buch über diese Vorstellungen ist uns erhalten – Pfarrer Holzwarth hat es dadurch der Vergessenheit entrissen, daß er den vollständigen Wortlaut dieses Spieles – von dem Gmünder Arzt Dr. Kehringer verfaßt – in seine Trösteinsamkeit – 7 Bände, Mainz 1856, Verlag von Franz Kirchheim, S. 117–275 – ein Band in der Gmünder Altertumssammlung – aufgenommen hat. Was sodann die Behauptung betrifft, die Darsteller seien aus dem Gmünder Handwerksstand, also zumeist Goldschmiede, gewesen, so ist zu sagen, die Teilnahme der Gmünder Einwohner war nach der Ortsgeschichte von Grimm an diesen Spielen eine allgemeine, sowohl seitens der Mitwirkenden als der Zuschauer. Kein Stand schloß sich von den Spielen ab und die ganze Masse des Volkes aus Stadt und Umgebung fand sich bei denselben ein. Die Darstellung des Spiels fiel keineswegs bloß den wirtschaftlich Schwächeren zu, im Gegenteil, die vornehmen Rollen wurden von den Vermöglichen übernommen, da die kostbaren Gewandungen manches schöne Stück Geld erforderten. Aber auch die weniger Bemittelten beteiligten sich am Spiel und erhielten dafür von dem Einnahmenüberschuß einen verhältnismäßigen Betrag. Die einzelnen Rollen wurden nicht ohne Not (Todesfall usw.) gewechselt. Es ist bekannt, daß die Familie, in welcher der Christusdarsteller einige Menschenalter hindurch Ehrensache geblieben war, „’s Herrgöttles“ genannt wurde. Der Mesner an der Johanniskirche, Namens Gfrereis, soll der Spielleiter gewesen sein.

Sollte in Gmünd das alte Leidensspiel nicht erneuert werden können, da die Voraussetzungen dazu so günstige sind? Das Textbuch und die Bühnenbeschreibung liegen in der Altertumssammlung vor, die Zahl der Mitwirkenden, etwa 100, ist bekannt, der Platz um die Kirche ist noch von ehedem vorhanden usw..

Es mag schließlich nur noch bemerkt werden, es ist ohne Zweifel kein leichtes Unternehmen, die große Darstellung vom Leiden und Sterben unseres Heilands auf die Schaubühne zu bringen, und man würde dem Vorhaben von vornherein jede Berechtigung absprechen, wenn dies nicht mit hohem sittlichen Ernst und in wirklich würdiger und künstlerisch hochstehender Weise geschehen würde. Die ganze Aufmachung müßte der Würde und Heiligkeit des Stoffes entsprechen und die Darsteller müßten von der Größe ihrer Aufgabe voll und ganz durchdrungen sein!