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Das Perlgewebe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Ida Dehmel
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Titel: Das Perlgewebe
Untertitel:
aus: Schöne wilde Welt
S. 74–75
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: S. Fischer Verlag
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
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DAS PERLGEWEBE

Ich sitze dunkle Frau in meinem Zimmer,
stille, dunkle, große Frau.
Weiß ist das Zimmer, weit seine Wände;
weiß ist mein Kleid, mein Webstuhl weiß.

5
Und vor mir buntgehäuft ein Schatz Perlschnüre.

Was will ich dunkle Frau denn weben? – Mein Leben.

Weiß, weiß und golden sind die Farben meiner Jugend,
ein morgenblauer Himmel über mir.
Himmelschlüssel blühn auf unsern Wiesen.

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Viele kleine Blumen will ich weben,

zart ein glückliches Lachen dazwischen,
Alles leuchtet dem spielenden Kind.

Mutter starb. Die Farben werden blasser.
Dunkle Trauerzweige sprießen auf,

15
schwanke Linien aus flimmerndem Grund,

Thränen glitzern, Sehnsuchtsthränen.
Kind, ich große Frau möcht gern dich trösten;
sieh, ich setz ein funkelnd Sternlein über dich.

Und nun mischen sich die bunten Perlen:

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stolz und heftig schießt ein Blutrot hoch

durch ein trotziges Gelb in schroffen Kanten,
hell im Kampf mit strengen grauen Mächten
bäumt die aufwärtsflammende Seele sich:
rot und golden sind die Farben dieser Jungfrau.
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Und aus Rot und Gold paart sich ein Schrei nach Liebe.

Rosen blühn aus meinen Händen auf,
jeder Kelch voll Tau und Sonnentraum.
Schwer in Büscheln rankt sich ein Clematisstrauch
um die Rosen lilasanft ins Blaue;

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die Verheißung glüht aus allen Blüten.


Die Erfüllung log. Nun wirren sich die Fäden.
Fahl und grell verschlingen sich die Schnüre.
Jeder Weg ein Irrweg, und kein Kreis geschlossen.
Zuchtlos drängt sich wildes Gestrüpp

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über meine Wiesen, meinen Blumenteppich;

und der Stern der Mutter birgt sich hinter Nebeln.

Da – ein klarer Klang: stark: eines Helden Ton.
Schwarz wie der Ursprung, golden wie das Licht,
und moosgrün wie der Wald, aus dem die ersten Menschen kamen.

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Auch blau sein Himmel, aber mittagsblau;

auch rot sein Blut, doch nordlichtnächtig rot.
Und über Alles breitet sich sein Glanz.

O wie sich unsre Farben herrlich einen:
Leere wird Fülle, und sie strömt wie Quellen,

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aus ihren Fluten steigt des Schöpfungstages Feste,

mein Stern strahlt durch des Weltbaums Blütenäste –
So kann ich meine Träume und mein Leben
zum Werk verwebt in Gottes Hände geben.