Das Perlgewebe
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DAS PERLGEWEBE
Ich sitze dunkle Frau in meinem Zimmer,
stille, dunkle, große Frau.
Weiß ist das Zimmer, weit seine Wände;
weiß ist mein Kleid, mein Webstuhl weiß.
Was will ich dunkle Frau denn weben? – Mein Leben.
Weiß, weiß und golden sind die Farben meiner Jugend,
ein morgenblauer Himmel über mir.
Himmelschlüssel blühn auf unsern Wiesen.
zart ein glückliches Lachen dazwischen,
Alles leuchtet dem spielenden Kind.
Mutter starb. Die Farben werden blasser.
Dunkle Trauerzweige sprießen auf,
Thränen glitzern, Sehnsuchtsthränen.
Kind, ich große Frau möcht gern dich trösten;
sieh, ich setz ein funkelnd Sternlein über dich.
Und nun mischen sich die bunten Perlen:
durch ein trotziges Gelb in schroffen Kanten,
hell im Kampf mit strengen grauen Mächten
bäumt die aufwärtsflammende Seele sich:
rot und golden sind die Farben dieser Jungfrau.
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Rosen blühn aus meinen Händen auf,
jeder Kelch voll Tau und Sonnentraum.
Schwer in Büscheln rankt sich ein Clematisstrauch
um die Rosen lilasanft ins Blaue;
Die Erfüllung log. Nun wirren sich die Fäden.
Fahl und grell verschlingen sich die Schnüre.
Jeder Weg ein Irrweg, und kein Kreis geschlossen.
Zuchtlos drängt sich wildes Gestrüpp
und der Stern der Mutter birgt sich hinter Nebeln.
Da – ein klarer Klang: stark: eines Helden Ton.
Schwarz wie der Ursprung, golden wie das Licht,
und moosgrün wie der Wald, aus dem die ersten Menschen kamen.
auch rot sein Blut, doch nordlichtnächtig rot.
Und über Alles breitet sich sein Glanz.
O wie sich unsre Farben herrlich einen:
Leere wird Fülle, und sie strömt wie Quellen,
mein Stern strahlt durch des Weltbaums Blütenäste –
So kann ich meine Träume und mein Leben
zum Werk verwebt in Gottes Hände geben.