Das alte Freiburg
Die Geschichtsforschung, ehedem fast ausschliesslich auf die Feststellung der Ereignisse gerichtet, beschäftigt sich heute mehr denn je mit der Betrachtung[WS 1] des Werdens und der Zustände. Dieser erfreulichen Wandlung verdanken wir es, wenn wir von den wirthschaftlichen, geistigen und sittlichen Verhältnissen der Vergangenheit immer lebendigere und sicherlich auch getreuere Vorstellungen gewinnen.
Mit besonderer Liebe wendet sich die wissenschaftliche Arbeit wie die Theilnahme weiterer Kreise der Geschichte des deutschen Bürgerthums zu, jenes merkwürdigen Gebildes, in welchem wir nach vielen Seiten hin den Hauptträger unserer gesammten staatlichen und kulturellen Entwickelung erblicken dürfen. Recht und Verfassung der mittelalterlichen Stadt bilden seit Jahrzehnten den bevorzugten Gegenstand eingehender Untersuchungen und nicht minder lenkt sich die Aufmerksamkeit auf die wechselnde Bedeutung des Handels und der Gewerbe.
Allein wir begehren auch zu wissen, wie unsere bürgerlichen Vorfahren lebten, wie sie sich nährten und kleideten, vor Allem, wie sie bauten und wohnten. Kaum etwas mag anziehender sein, als die Entstehung einer deutschen Stadt und ihr rein äusserliches Heranwachsen zu verfolgen. [197] Die Betrachtung gewinnt an Reiz, wenn es sich um ein Gemeinwesen handelt, das gewissermassen durch den Willen eines Einzelnen aus dem Nichts in das Leben gerufen ist.
Freiburg gehört, wie wir wissen, zu jenen Städten, welche fürstlichem Unternehmungsgeiste, wenn auch keineswegs einem ganz uneigennützigen Wohlwollen ihr Dasein verdanken; es gehört aber zugleich zu den wenigen, an welchen die Hoffnungen des Gründers vollauf in Erfüllung gegangen sind.
Leider ist es unmöglich, auf dem zugewiesenen Raume eine geschichtliche Ortsbeschreibung im eigentlichen Sinne von den frühesten Anfängen an zu bieten: es muss dafür auf die sorgfältigen Veröffentlichungen von A. Poinsignon verwiesen werden. Wer jedoch ein wahrhaft lebensvolles Bild des alten Freiburg sich verschaffen will, der lese die in schwungvoller Sprache geschriebene und mit ächt künstlerischem Sinne durch Abbildungen erläuterte Darstellung von Fritz Geiges. An diese ausgezeichnete Schilderung lehnen die folgenden anspruchslosen Ausführungen vielfach sich an. Sie werden dennoch den Eindruck des Lückenhaften machen, weil sie im Wesentlichen nur Bruchstücke aufzählen: weitaus die meisten Denkmäler, welche noch bedeutsam und grossartig in unsere Zeit herüberragen, sind in besonderen Aufsätzen behandelt.
In das Dunkel vorrömischer Zeit reichen hier keine monumentalen Spuren zurück, wenn man nicht etwa die Steintrümmer am Rande der Schönbergfläche für Ueberbleibsel einer keltischen Hochburg halten will. Auf frühe Besiedelung weist jedoch die günstige Lage des Ortes selber hin und uralte Strassenzüge haben unzweifelhaft die Thaleinschnitte und Pässe benutzt, welche hier die Rheinebene mit Schwaben verbinden. Die italischen Eroberer haben dann auf dem Schlossberge, der gleich einer natürlichen Warte das breite Dreisamthal wie die Rheinebene beherrscht, ein Bauwerk errichtet, auf dessen Bedeutung und Ausstattung vielleicht die spärlichen Mosaikreste schliessen lassen, welche dort oben aufgefunden wurden. Genannt aber wird diese römische Niederlassung nirgends. Schweigend gehen auch die Quellen aus der Zeit germanischer Staatengründung über unsere Gegend hinweg. Allein sogleich mit dem Eintritte dieses Gebietes in das hellere Licht der Geschichte begegnen die Namen der Dörfer Herdern, Wiehre und Adelhausen, die sämmtlich auch schon in weit zurückgelegener Zeit im Besitze von Kirchen sich befinden. Die Patrocinien St. Einbet und St. Cyriakus insbesondere deuten auf hohes Alter. Gegen den Mooswald hin lag ausserdem die Leutkirche St. Peter, eine Filiale der Pfarrei Umkirch.
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Schwabenthor. | Grundriss i K. | Aufgang zur Thurmmauer bei A. |
Schnitt in der Richtung der Schwabenthor-Strasse. [von Süd nach Nord] |
Querschnitt von Ost nach West. |
Mitten zwischen diese ländlichen Niederlassungen schob sich nun zu Beginn des 12. Jahrhunderts die planmässig neu gegründete Kaufmannsstadt. Der Verlauf ihrer Hauptstrassenzüge war bestimmt durch die alten Verkehrswege, die nach Schwaben und nach Burgund führten. Ihren Mittelpunkt aber fand sie zunächst in dem älteren Marktplatze, [199] auf welchem sich die Kapelle des hl. Martinus erhob, jenes fränkischen Nationalheiligen, der von Alters her als Schutzpatron kaufmännischer Niederlassungen galt. Nicht unmöglich erscheint es, dass eben diese Kapelle gleichbedeutend ist mit dem viel umstrittenen Oratorium, in welchem der hl. Bernhard seine Kreuzpredigt gehalten hat.
Die Frage, wann der Schlossberg befestigt worden sei, möge hier unerörtert bleiben. Zu erinnern ist nur daran, dass überall schon früh germanische Vertheidigungsbauten den römischen Anlagen gefolgt sind. Was über die Baugeschichte der eigentlichen Stadtkirche zu sagen ist, wird an anderer Stelle dieses Buches mit gebührender Ausführlichkeit dargelegt.
Das wesentliche Kennzeichen der mittelalterlichen Stadt bildet die schützende Ringmauer mit ihren Thorburgen und Thürmen.
Skulptur über dem innern Thorbogen bei B |
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Innere(Nord)Ansicht gegen Oberlinden. |
Durch eine solche Mauer war die Altstadt bereits im 13. Jahrhundert von ihren gleichfalls befestigten Vorstädten, der Neuburg, der Lehener Vorstadt und der Schneckenvorstadt geschieden. Vor der Mauer lag ein etwa 12 m breiter und 5 m tiefer trockener Graben. Diese Befestigung verlief vom Schwabenthor westlich bis zum Martinsthor zwischen der Grünwälderstrasse und der Gerberau, dann in grossem Bogen zum Lehenerthor, welches etwa zwischen der jetzigen Synagoge und dem Gymnasium gestanden hat. Von dort ging sie weiter über den Rottecksplatz bis zum Predigerthor in nächster Nähe des Vincentiushauses, alsdann um das ehemalige Predigerkloster herum die Ringstrasse entlang bis zum Christophsthor, welches die grosse Gasse, die heutige innere Kaiserstrasse, nach Norden hin abschloss. Von dort zog sie sich in der Richtung der Kasernenstrasse bis zum Schlossberge und weiter an dessen Fuss hin bis wieder zum Schwabenthor.
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Grundriss a-b. | Grundriss cd. | Grundriss ef. | ||
Martinsthor. | Grundriss gh. | |||
Grundriss iK. | ||||
Haus von Cl. Schängar Wi. | Haus von A. Pfeilsticker. | |||
Schnitt in der Axe zur Kaiserstrasse. | Schnitt normal zur Kaiserstrasse. |
Die Mauer, welche die genannten drei Vorstädte umschloss, ging vom Wasserthurm unweit des Schwabenthores bis zum Schneckenthor, später Katzenthurm genannt, sodann in einer gebrochenen Linie über das Petersthor und das Butzenthörlein bis zum Gerberthor am Reuerinnenwinkel. Von dort lief ein trockener Graben an der Aussenseite des Mönchsthores vorbei bis zum Johanniterthurm.
[201] Diese äussere Umwallung wurde im Jahre 1677 bei der französischen Befestigung zugleich mit den Vorstädten selbst niedergelegt. Auch von der inneren Ringmauer sind nur noch geringfügige Reste erhalten. Ein Stück derselben, nach dem Plane des Gregorius Sickinger vom Jahre 1589 erneuert, bildet gegenwärtig den malerischen Hintergrund einer neugeschaffenen gärtnerischen Anlage am Theaterplatz. Ein anderer Rest ist am Zapfenhofe noch sichtbar.
Wohnhaus von Cl. Schongar Wtw. | Haus No. 126 von A. Binz. | ||
Innere Ansicht gegen die Kaiserstrasse. |
Um so stattlicher nehmen sich die beiden gewaltigen, dem Ausgange des 12. Jahrhunderts entstammenden Thorthürme aus, welche als ehrwürdige Zeugen einer grossen Vergangenheit dauernd erhalten bleiben sollen. In ihrer ursprünglichen Gestalt sind freilich auch diese Denkmäler nicht auf die Gegenwart gekommen. So hat das Schwabenthor, das mächtigere von beiden, den nach dem Graben vorgebauten Zwinger eingebüsst. Ferner hat man die innere Seite des Thores, welche, wie noch deutlich erkennbar, vollständig offen oder doch nur mit Bohlen verschalt war, später mit Mauerwerk ausgefüllt. Der Bau, über der spitzbogigen Thoröffnung drei Geschosse zählend, hat bei je 11 m Seitenlänge von der Strassensohle an gerechnet, die ansehnliche Mauerhöhe von 26 m; nach der Aussenseite beträgt die Stärke des in den einzelnen Geschossen abgesetzten Gemäuers unten mehr als 3½ m und im obersten Geschoss noch zwei Drittel dieses Maasses. Das Steinwerk besteht im unteren Theile aus schweren Buckelquadern von rothem Sandstein, oben aus Bruchstein mit starken Eckbossen. Der Thorweg ist gleich den einzelnen Geschossen ungewölbt. [202] Bemerkenswerth ist über dem Scheitel des Thorbogens an der Innenseite eine Sculptur, welche ein sitzendes Männlein mit übergeschlagenem Beine darstellt, dem antiken Dornauszieher freilich nur in der Haltung vergleichbar.
Aus später Zeit stammt eine allerdings jetzt sehr verblasste und beschädigte Malerei, welche gleich jenem Männlein Gegenstand volksthümlicher Deutung geworden ist.
Schlichter in seiner ganzen Erscheinung ist das vielleicht ein wenig früher entstandene Martinsthor. Rundbogig und ringsum geschlossen hat es von der Strassensohle aus bei einem Seitenmaasse von 10 auf 11 m nur eine Höhe von ungefähr 22 m. Die Mauerstärke nach Süden beträgt unten 3,10 m und im Obergeschoss 2,70 m; die Seitenmauern sind etwas schwächer. Der Zugang befindet sich bei beiden Thoren an der Westseite auf der Höhe der Ringmauer. Die jedenfalls niedriger als die ursprünglichen Helme gestalteten Bedachungen mit den bekrönenden Glockenthürmchen gehören dem 17. Jahrhundert an.
Es besteht die Absicht, beide Thore stilgerecht wiederherzustellen.
Die Ringmauer der Altstadt umschloss gegen das Ende des 14. Jahrhunderts etwa 1100 Häuser und Hofstätten. Dazu kamen noch die Gebäulichkeiten der ebenfalls dicht bewohnten Vororte.
Den weitaus grössten Raum bedeckten hier, wie anderwärts, die geistlichen Niederlassungen. Wir gedenken zunächst der sehr stattlichen Zahl von Klöstern, unter welchen dasjenige der Dominikanerinnen zu Adelhausen durch Alter und Reichthum besonders hervorragte. Schreibt doch die Ueberlieferung seine Gründung und fürstliche Ausstattung einer Schwester Rudolf’s von Habsburg zu.
Grössere Bedeutung für das kirchliche Leben der Bürgerschaft besassen die Dominikaner und der volksthümliche Orden der Franziskaner.
Die Predigermönche hatten sich dort angesiedelt, wo jetzt das St. Vincentiushaus gelegen ist. Mit dem Bau ihrer Kirche, welche nach einer alten Ueberlieferung schon zwanzig Jahre vor dem Münsterthurme vollendet war, bringt man den gepriesensten Gelehrten des Ordens, Albert den Grossen, in Verbindung. Erhalten ist von den Klostergebäuden wenig mehr, als der stattliche hochaufsteigende Giebel, der leider durch moderne Zuthaten viel von seiner einfachen und wirkungsvollen Form eingebüsst hat.
Die Barfüsserkirche, welche im 13. Jahrhundert an die Stelle der alten St. Martinskapelle getreten war, wird unten eingehender beschrieben.
Hervorragendes Ansehen genossen die Niederlassungen der geistlichen Ritterorden, der Johanniter und Deutschherren. Ihnen schlossen [203] sich die Herren von St. Antonius an, welche in der Salzstrasse sesshaft waren. Ihr nicht besonders umfangreiches Anwesen ist heute noch erkennbar durch das reizende, für zwei Glöcklein eingerichtete Giebelchen, das um die Wende des 14. Jahrhunderts erbaut sein mag. Dieses zierliche Architecturstück besitzt Reste eines Maasswerkkammes, welcher jenen an den Strebebögen des Münsters auffallend ähnelt.
Dem Hause der Antoniter gegenüber lag das Kloster der Augustiner-Eremiten, ein weitläufiges Gebäude, das heute in seinen Räumen das Stadttheater und die Alterthümersammlung beherbergt. Von alten Architecturtheilen ist noch der frühgothische Kreuzgang in seinem ganzen Umfange vorhanden, wenn auch zum Theil verdeckt. Bedauerlich ist nur, dass man fast aus allen Bögen das Maasswerk entfernt hat. Im Gange selbst befindet sich eine grössere Anzahl von Grabplatten, während im Quadrum architectonische Ueberbleibsel von untergegangenen Bauwerken Aufstellung gefunden haben. Es möge an dieser Stelle überhaupt auf den verhältnissmässig reichen Inhalt der Sammlung hingewiesen werden. Sie umfasst neben kulturgeschichtlich[WS 2] merkwürdigen Gebrauchsgegenständen eine stattliche Reihe von Erzeugnissen der Kunst und des Kunstgewerbes. Besondere Erwähnung verdienen die Waffen und die an Brakteaten reiche Münzsammlung.
Von den hier nicht genannten mittelalterlichen Klöstern Freiburgs sind keinerlei nennenswerthe Baureste auf die Gegenwart gekommen. Es hat sich jedoch Manches von dem innern Schmucke der Gotteshäuser erhalten. So bewahrt die ebengenannte Sammlung mehrere Tafelbilder aus dem im Jahre 1677 niedergelegten Frauenkloster Adelhausen, während sich eine schöne, noch dem 14. Jahrhundert angehörende Bildsäule der hl. Katharina aus dem gleichnamigen Kloster in der unteren Wiehre jetzt in der neuen Adelhauser Kirche bei der Gerberau [204] befindet. Alle übrigen Ordensniederlassungen der Stadt sind uns in ihrer geschichtlichen Erscheinung nur noch aus den Urkunden, in ihrer äusseren Gestalt aber einzig aus den oftmals mangelhaften und unzuverlässigen Abbildungen der alten Stadtpläne bekannt.
Es schliesst sich hier jedoch passend eine kurze Erwähnung der oberhalb im Dreisamthale am Abhange des Rosskopfes lieblich gelegenen Karthause St. Johannesberg an. Freilich wurden auch dort die in der Mitte des 14. Jahrhunderts aufgeführten Bauten durch stattliche neuere Anlagen vollständig verdrängt und ebenso sind die aussergewöhnlich reichen Kunstschätze des Gotteshauses spurlos verschwunden, allein die grosse Bedeutung, welche gerade dieses Kloster für das geistige und kirchliche Leben der Stadt besessen hat, verschafft ihm das Recht auf besonders liebevolle Erinnerung. Schon seine landschaftliche Lage macht es zu einem der reizvollsten Punkte in der näheren Umgebung Freiburgs und es ist mit Freuden zu begrüssen, dass die Stadtverwaltung das Besitzthum erworben hat, um es neuerdings einer segensvollen Bestimmung zuzuführen.
Als erstes Gotteshaus diente wohl der neugegründeten Marktstadt Freiburg, wie oben schon angedeutet wurde, die an der Stelle des späteren Barfüsserklosters gelegene, dem hl. Martinus geweihte Kapelle. Allein auch vor den Thoren der inneren Stadt lagen mit Pfarrgerechtsamen ausgestattete Kirchen von hohem Alter. Unter ihnen scheint St. Nicolaus in der Neuburg die bedeutendste und umfangreichste gewesen zu sein. Die geringfügigen Architecturreste, welche in der Nähe des jetzigen Karlsplatzes gefunden worden sind, weisen auf das 13. Jahrhundert als Entstehungszeit[WS 3] hin. Vor Allem gerühmt wird der Thurm, der an Höhe nur der Münsterpyramide nachgestanden haben soll. Darf man dem Sickinger’schen Stadtplane von 1589 glauben, so stellte er sich damals noch als ein rechts neben dem Westgiebel angebrachter, fünfgeschossiger Thurm von achtseitigem Grundrisse dar.
In der Lehener Vorstadt lag die unzweifelhaft gleichfalls sehr alte Leutkirche zum hl. Petrus, die, wie schon oben gesagt wurde, noch lange Zeit nur eine Filiale der 1½ Stunden entfernten Pfarrei Umkirch bildete. Bei dem gänzlichen Mangel an monumentalen Ueberbleibseln [205] und an zuverlässigen Abbildungen vermögen wir nicht zu sagen, welcher Kunstperiode dieses Gotteshaus angehört hat. Auch was die Urkunden für die Baugeschichte ergeben, beschränkt sich darauf, dass die Pfarrgemeinde um die Mitte des 15. Jahrhunderts mit den Bewohnerinnen einer dicht bei der Kirche gelegenen Klause wegen der Neuanlage einer Sakristei in Zwist gerieth. Im Uebrigen wissen wir nur noch, dass die Kirche ursprünglich von einem Friedhofe umgeben war, der jedoch schon gegen Ende des Mittelalters sich nicht mehr im Gebrauche befand.
Als Pfarrkirche für die seit den frühesten Zeiten vereinigten Gemeinden Adelhausen und Wiehre diente das der hl. Einbet gewidmete Gotteshaus, wahrscheinlich das älteste des ganzen Freiburger Gebietes. [206] Auf eine weit zurückliegende Gründungszeit deutet wenigstens schon das selten vorkommende, in unserem Lande bloss noch bei einer Kapelle oberhalb Gengenbach begegnende Patronat der Schicksalsjungfrau Einbete hin. Neben dieser noch an altgermanische Ueberlieferungen gemahnenden Schutzheiligen verehrte die Kirche den hl. Cyriakus, der gleichfalls bereits im 10. Jahrhundert als Patron des Klosters Sulzburg erscheint. Nach der Abbildung auf dem mehrfach genannten Stadtplane trug der Bau noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts das äussere Gepräge einer schlichten Dorfkirche, die von einem grossen Friedhofe umgeben war. Sie war etwa dort gelegen, wo jetzt die Geleise der Höllenthalbahn die Güntersthalstrasse kreuzen.
Neben den Pfarrkirchen gab es, wie aller Orten, kleinere gottesdienstliche Gebäude, so die mit drei Altären ausgestattete Todtenkapelle bei dem Beinhaus auf dem Münsterplatz und die St. Michaelskapelle bei dem Armenspital in der Neuburg, die Vorgängerin des Kirchleins, das jetzt noch auf dem alten Friedhofe erhalten ist.
Die frommen Gesinnungen[WS 4] der Vorzeit bethätigten sich aber nicht nur in der Errichtung von Gotteshäusern und in der bereitwilligen Förderung klösterlicher Einrichtungen: schöner und unmittelbarer treten sie hervor in den Schöpfungen werkthätiger Nächstenliebe. Es bildet einen der Ehrentitel Freiburgs, dass seine Bürgerschaft schon in den Anfängen städtischer Entwickelung auch den Armen und Kranken besondere Zufluchtsorte bereitete. Die vornehmste dieser Anstalten, welche alle nach römischem Vorbilde dem Schutze des hl. Geistes unterstellt waren, ist das grosse oder »mehrere« Spital. Es bestand aus einem umfangreichen Geviertbau gegenüber dem Münster, an der Stelle, wo gegenwärtig das Gesellschaftshaus Museum, der Gasthof zum Geist und drei grössere Privathäuser stehen. In ihm befanden sich, ausser den Räumen für die Pfründner und Kranken, der Weinkeller, die Bäckerei, die mit mehreren Altären versehene Hauskapelle und in dem inneren Hofraum ein eigener Begräbnissplatz. Diese Bauten gehörten zumeist dem eigentlichen Mittelalter und theilweise noch der romanischen Periode an, wie aus einzelnen Fundstücken, [207] namentlich auch aus einem an der Ecke des Herzog’schen Hauses eingemauerten Säulenbruchstück ersichtlich ist. Dagegen entstammte der offene Laubengang, welcher sich bis zum Jahre 1823 auf der Seite nach der Münsterstrasse zu vor dem Hauptgebäude hinzog, der für die monumentale Bauthätigkeit in Freiburg überhaupt so fruchtbaren spätgothischen Zeit. Er wurde im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts durch Meister Hans Niesenberger ausgeführt, um als Verkaufshalle (im Volksmunde Lugstuhl genannt) zu dienen. Das Werk bildete einen auf zwölf Säulen ruhenden hohen Bogengang und war, ähnlich wie das Kaufhaus, an den beiden Ecken mit Erkerthürmchen geschmückt. Von der jetzigen Kaiserstrasse aus gelangte man über eine hohe Freitreppe in das obere Stockwerk des Spitals. An diese Treppe knüpft sich die Ueberlieferung, dass man dort hinauf die zum Tode Verurtheilten geführt habe, um ihnen die Henkersmahlzeit zu gewähren.
Ein zweites Obdach für Arme und Kranke bildete das in der Kligergasse der Vorstadt Neuburg gelegene Armenspital, bei dem sich die bereits genannte St. Michaelskapelle befand. Vor der Stadt endlich, in der Nähe des jetzigen Brücklewirthshauses an der Baslerstrasse, lag das Gutleuthaus, der einsame Aufenthaltsort der von der bürgerlichen Gemeinschaft ausgeschlossenen Sondersiechen oder Aussätzigen.
In dem Maasse, wie in den Städten mit dem Aufblühen des Handels und der Gewerbe der Reichthum sich mehrte, trat auch überall ein reger Wetteifer in der möglichst grossartigen Anlage und der künstlerischen Ausstattung der öffentlichen Profanbauten hervor. Vielleicht ist hier in Freiburg, wo ein unvergleichliches Werk kirchlicher Kunst [208] sich erhob, schon verhältnissmässig früh auch auf dem Gebiete bürgerlicher Bauthätigkeit ein gewisser ästhetischer Sinn entfaltet worden. Allein von städtischen Gebäuden aus der früheren Zeit des Mittelalters ist kaum eine Nachricht, geschweige denn ein architectonischer Ueberrest auf uns gekommen; nur die Urkunden gedenken schon im 13. Jahrhundert einer Gerichtslaube und auch eines Rathhauses, das vielleicht an der Stelle des jetzigen gelegen war.
Was aus der Blüthezeit der öffentlichen Profanarchitectur in unserer Stadt noch erhalten ist, wird an anderer Stelle dieses Werkes eingehend gewürdigt. Nur ein zwar wenig umfangreiches, aber in seiner vorbildlichen Bedeutung für den Fachwerkbau geradezu einzigartiges Denkmal möge gleich hier Erwähnung finden. Wir meinen die in der alten Pfaffengasse unter einer schattigen Linde malerisch gelegene Münsterbauhütte.
Auf einem massiven, von rundbogigen Fenster- und Thüröffnungen durchbrochenen Unterbau ruht ein doppeltes hölzernes Gesims, welches [209] das Fachwerkgeschoss trägt. Dieses selber ist gerade durch die unregelmässige Anordnung der Holztheile von reizender Wirkung. Die hübsch geschweiften Büge sind mit Nasen versehen, besonders bemerkenswerth aber ist das Fischblasenmotiv in zwei Pfosten der Brüstung. Der Bau ist verputzt und zeigt nur am nördlichen Abschluss eine Quaderecke. Der Zugang zum oberen Stockwerke wurde durch eine jetzt nicht mehr vorhandene Treppe an der Aussenseite vermittelt, über welche sich ein Ausläufer des Hauptdaches fortsetzte. Das jetzt von den Münsterthurmwächtern bewohnte Obergeschoss hat theilweise flache, zwischen Gebälk liegende Holzdecken. Leider ist der ehedem vor der Hütte befindliche, von einem Standbilde bekrönte Brunnen, zum Nachtheile des alterthümlichen Eindruckes, entfernt und durch nichts Besseres ersetzt worden.
Manche andere Bauwerke dieser späteren Zeit haben ihren Untergang gefunden oder sind nur trümmerhaft erhalten. So lag an der Stelle des jetzigen Schwarzwälder Hofs die städtische Münze, von deren Baucharakter einzig ein schon in Renaissanceformen gehaltener Thürsturz eine Vorstellung gibt.
Die städtische Mehlwaage, welche im Jahre 1607 in der Schneckenvorstadt in nächster Nähe des Martinsthores erbaut wurde, ist uns vollends bloss aus einer Abbildung bekannt. Sie war darnach ein stattlicher Renaissancebau mit steilem volutenförmig aufstrebendem Giebel.
Ein Geschichtschreiber aus den letzten Tagen des römischen Freistaates hält einmal seinen prunksüchtigen Zeitgenossen das Beispiel ihrer Altvorderen entgegen, welche selber mit dürftigen Wohnungen sich begnügt hätten, um alles auf den würdigen Schmuck der Tempel und der Staatsgebäude zu verwenden. Man erinnert sich dieses Wortes [210] unwillkürlich bei der Erwägung, wie spät erst der deutsche Bürger sein eigenes Heim künstlerisch auszustatten oder auch nur dauerhaft herzustellen begonnen hat: im Schatten der kirchlichen Prachtbauten bildeten noch Jahrhunderte lang schlichte Hütten die Heimstätte des Gewerbefleisses und kaufmännischer Betriebsamkeit.
Die ältesten Häuser waren nach der herrschenden Annahme auch hier in Freiburg aus Holz oder doch aus Fachwerk aufgeführt. Diese Meinung wird dadurch unterstützt, dass bisher sich nirgends Spuren eines Privatbaues aus romanischer oder frühgothischer Zeit gefunden haben. Holz lieferten ja die unabsehbaren Wälder in Fülle und dem Fachwerkbau dienten die schon früh bekannten, immer noch ergiebigen Ziegelfelder am Schönberg und bei Herdern. Es liegt in der Natur der Dinge, dass man selbst bei dieser Bauart wenigstens die Häuser der Vornehmen in der eigentlichen Kaufmannsstadt architectonisch auszuzeichnen gesucht hat, wenngleich wohl nie jene mannigfaltige Schönheit erreicht worden ist, welche eine spätere Kunstperiode in Strassburg und in den [211] niedersächsischen Städten zeitigte. Leider ist das umfangreichste noch vorhandene Denkmal der genannten Gattung, das Haus „Zum Freiburger“ an der Ecke der Kaiser- und Bertholdstrasse, welches eine allzukühne Ueberlieferung als das älteste Wohngebäude der Stadt bezeichnet, bis zur Unkenntlichkeit überputzt. Nur die hübsch profilirten Knaggen unter den Schwellen der drei überkragenden Geschosse lassen auf eine sehr gefällige Anordnung des ganzen Baues schliessen.
Als ein beklagenswerther Verlust ist es geradezu zu betrachten, dass ein anderes, weit bedeutenderes Werk der Holzarchitectur[WS 5] vor wenigen Jahren einem Umbau hat weichen müssen. Es war das Haus „zum Engel“ in der früheren Pfaffengasse, das über einem zierlich von unten auf entwickelten Erker einen nach Art der elsässischen Holzhäuser behandelten Vorbau mit reich geschnittenen Trägern besass.
Einen besonders malerischen Anblick muss ehedem die Fischerau mit ihren dem Bache zugekehrten Holz- und Fachwerkhäusern gewährt haben. Für die hier zur Anwendung gekommene Bauart bietet ein bezeichnendes Beispiel das im Bilde wiedergegebene [212] Haus mit seiner offenen, ganz in Holz aufgeführten zweistöckigen Laube und dem darüber liegenden, allerdings jetzt auch verputzten Fachwerkgeschoss. In den ländlichen Vororten, jedoch auch hier und da in der inneren Stadt, trifft man noch mehrfach in Riegelwerk ausgeführte Gebäude.
Im Zusammenhange mit diesen Erzeugnissen des Holzbaues verzeichnen wir schliesslich noch ein einzelnes Architecturstück, das durch eine genaue Datirung an besonderem Interesse gewinnt: wir meinen die in dem jetzigen Magazin der Münsterfabrik als Unterzugsträger verwendeten zwei Pfosten, deren einer, auf die vier Flächen unter der Kopfgliederung vertheilt, die Jahreszahl 1.5.9.8 zeigt.
Die Häufigkeit grösserer Brände hat allmählich wohl auch hier, wie in anderen Städten, zur Herstellung minder feuergefährlicher Wohngebäude hingeleitet. Als dann zugleich die Zunahme der Bevölkerung innerhalb des geschlossenen Mauerrings eine stärkere Theilung der ursprünglichen Grundstücke erforderlich machte, entstanden jene kleinen steinernen Häuser, welche gegenwärtig noch in einzelnen Strassen der Altstadt die Mehrzahl bilden. Enger zusammengedrängt als ehedem, tragen sie dem Bedürfniss nach Licht und Luft durch die Anlage möglichst weiter, oftmals zu Gruppen zusammengefasster Fensteröffnungen Rechnung; ja hin und wieder sind sogar schon Anfänge bürgerlichen Kunstsinnes an diesen schlichten Bauten zu bemerken.
Allein erst das Beispiel der grossen öffentlichen Profanbauten vermittelte weiteren Kreisen einen geläuterten Geschmack, weckte auch dem Bürger die Freude am Schönen und übte auf die künstlerische Ausgestaltung des Privathauses nachhaltigen Einfluss. Es kam dem Gesammtbilde der Stadt zu Gute, dass in Freiburg beträchtliche Reichthümer angesammelt waren. Handel und Gewerbe standen in hoher [213] Blüthe. vornehme Herren vom Lande hatten hier ihren Wohnsitz, auswärtige Stifter und Klöster bedurften städtischer Absteigequartiere, die Zünfte und Gesellschaften schufen sich jede ihr eigenes Heim. So entstand denn in verhältnissmässig kurzer Zeit jene grosse Zahl architectonisch hervorragender Bauten, welche trotz so vielfältiger Zerstörung heute noch ganzen Strassen ihr eigenartiges Gepräge geben.
Der Fremde, der vom Rathhause her die Franziskanerstrasse betritt, wird überrascht durch eines der schönsten Denkmäler bürgerlicher Baukunst. Es ist das Haus zum Walfisch, jetzt gewöhnlich Falkenstein'sches Haus genannt, welches den Blick fesselt, ein Werk, das auch Städten wie Nürnberg und Rothenburg zu hoher Zierde gereichen würde.
Im Jahre 1515 durch den kaiserlichen Schatzmeister Jakob Villinger an Stelle von vier oder fünf kleineren Häusern errichtet, war es zunächst zum Ruhesitze des Kaisers Maximilian bestimmt; später (1529–31) wohnte darin Erasmus von Rotterdam. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte es dem Magdeburger Domprobste Wilhelm Boecklin von Boecklinsau (gest. 1585). Während dieser Zeit diente es auch einmal Kaiser Ferdinand I. als Absteigequartier, der das Weihnachtsfest 1562 hier feierte und damals einen gedeckten Gang hinüber zur Barfüsserkirche herstellen liess. Unter den späteren Besitzern nennen wir den berühmten kaiserlichen Feldherrn Lazarus von Schwendi (1612), die Grafen von Fürstenberg und den kaiserlichen Landescommissar Grafen von Schauenburg (1756). In den Besitz der Freiherrn von Falkenstein gelangte es erst im Jahre 1796. Seit 1873 ist es Eigenthum der altangesessenen Freiburger Familie Pyhrr.
[214] Der Bau hat trotz des häufigen Besitzwechsels verhältnissmässig
wenig Umgestaltungen erfahren; insbesondere ist die Vorderfaçade heute noch fast ganz in ihrer ursprünglichen Schönheit erhalten. Ihren
[215][217] köstlichsten Schmuck bildet der reich gegliederte Erker, der schon durch die eigenartige Behandlung der Ueberführung in hohem Grade bemerkenswerth ist.
Auf dem der Façade ein wenig vorgeschobenen Sockel bauen, zierlich vermittelt, die Säulen sich auf, welche aus mehrfach sich durchkreuzendem Stabwerk zusammengesetzt erscheinen. Ungefähr auf Kämpferhöhe des stichbogigen Portals schneidet sich sodann die gesimsartige stark profilirte Ueberführung ein, welche im Grundriss und Aufriss einen aus gleichem Radius construirten kämpferlosen Bogen darstellt. Die Ueberschneidung wird rechts durch einen Wappenschild, links durch ein nacktes Männchen verdeckt. Die hierdurch gebildete halbrunde Kappe ist verputzt und von Rippen mit Nasen durchzogen. Um die rechteckige Grundfläche zu erzielen, wird die Ueberführung abermals von Gesimsen durchquert. Diese bilden seitlich Eselsrücken und vorn umgestellte Halbkreisbögen, beide mit Krabben besetzt, um schliesslich in elegant gezeichnete Kreuzblumen sich aufzulösen. So ist mit spielender Leichtigkeit und unbemerkt die Basis hergestellt, auf welcher der Erker sich aufbaut. Aeusserst zierliche Maasswerkbögen füllen auf der Vorderseite die Brüstung des zweiten Stockes, während die Seitenflächen mit Wappenschildern geschmückt sind. Darüber öffnet sich ein dreitheiliges Fenster, das von einem gemeinsamen Wimperg überragt ist. Dieser wiederum endet in eine schlanke Kreuzblume. Zwei groteske Wasserspeier beleben die Quaderfläche. Ein Balkon mit reich durchbrochener Maasswerkbrüstung bildet den Abschluss dieses reizenden und eigenartigen Werkes, an welchem die frei schaffende künstlerische Phantasie in gleichem Maasse hervortritt, wie die technische Gewandtheit. Die Façade ist, wie gesagt, fast ganz unversehrt, nur sind die Fensterkreuze durchweg herausgebrochen. Im Innern zeigt die Rückseite des Portals, welche durch eine später eingefügte Treppe zum Theil verdeckt ist, ein scheinbar wild und regellos sich durchkreuzendes Stabwerk. In die Architectur ist das höher gelegene Fenster des Treppenhauses mit einbezogen.
Während bei diesem wahrhaft vornehmen Patrizierheim nahezu die gesammte architectonische Anlage gleichmässig und einheitlich durchgebildet ist, fallen andere Bauten mehr durch schöne oder doch eigenartige Einzelheiten in’s Auge. Das gilt insbesondere von den ansehnlichen Absteigequartieren, welche auswärtige Prälaten, darunter fast alle geistlichen Mitglieder der breisgauischen Landstände, sich hier geschaffen hatten. Wie diese Wohnungen meist an die Stelle ganzer Gruppen von kleineren Gebäuden und Hofstätten getreten waren, so [218] erfuhren sie auch im Laufe der Jahre noch mancherlei Erweiterungsbauten oder sonstige Abänderungen, welche natürlich dem Geschmack der jedesmaligen Entstehungszeit entsprechen. Eine Periode besonders reger und zugleich künstlerisch bedeutsamer Thätigkeit ist hier die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Beispiele dafür bieten die Höfe der Abtei St. Peter und derjenige des Baseler Domkapitels, umfangreiche Denkmäler, von denen das letztere noch heute der Hauptstrasse unserer Stadt zu hervorragender Zierde gereicht. Beide Werke sind weiter unten mit gebührender Ausführlichkeit behandelt.
Das Haus zum Herzog in der Salzstrasse, ehemals Stadtwohnung der Aebte von St. Blasien, gegenwärtig der erzbischöflichen Kanzlei überwiesen, ist bemerkenswerth durch ein, neuerdings wieder in Farben gefasstes Portal von edlen Formen das von einer Statuette bekrönt wird. Ein Saal des Gebäudes besitzt eine hübsche [219] Stuckdecke aus späterer Zeit mit Jagdscenen und einer Nachbildung der Abtei St. Blasien in erhabener Arbeit.
Die Wohnsitze anderer Würdenträger, wie des Abtes von Tennenbach in der Schiffstrasse und desjenigen von Schuttern in der Herrenstrasse, bieten kaum etwas von Bedeutung; ebenso steht es um das breisgauische Rentamt des Bischofs von Konstanz, den sogen. Quarthof (Eisenbahnstrasse 12), dem man vor Kurzem aber doch wenigstens seinen alten Namen und sein Wahrzeichen »Zum Rosenbaum« zurückgegeben hat. An die ehemalige, mit der Abtei St. Märgen vereinigt gewesene Propstei Allerheiligen, deren Räume nach mannigfach wechselnden Schicksalen jetzt das erzbischöfliche Bauamt beherbergen, erinnert einzig noch ein Doppelwappen über dem Hofthor in der Burgstrasse.
Für die in stetigem Wachsthum begriffene Hochschule wurde um das Jahr 1580 ein umfangreicheres Kollegiengebäude am Barfüsserplatz zwischen der Egel- und der Gerbergasse aufgeführt. Es bestand aus zwei getrennt liegenden, dreistöckigen Häusern von ungleichmässiger Bauart, deren Vorderseiten durch eine, von einem Portal durchbrochene Zinnenmauer verbunden waren. Die Ecken nach den beiden genannten Gassen hin waren mit Erkern versehen, während sich in einem Gebäudewinkel des Hofes ein viereckiger Thurm erhob. Auf die baugeschichtliche Stellung dieser Alten Universität, welche eben jetzt als »Neues Rathhaus« in höherer Schönheit wieder erstehen soll, kann hier nicht näher eingegangen werden. Wohl aber müssen wir eines älteren Werkes gedenken, welches gleichfalls den Zwecken der Hochschule zu dienen bestimmt war: es ist das in der Herrenstrasse, unweit des Karlsplatzes gelegene Gebäude der »Alten Sapienz« (collegium sapientiae). Von dem Augsburger Weihbischof Kerer zu Ende des 15. Jahrhunderts als Studienhaus für junge Theologen errichtet, ist es heute noch leidlich gut erhalten. Ein Blick auf den hier abgebildeten Thüreingang macht
[220][221] ersichtlich, mit wie viel Geschmack und mit welcher ungemeinen Feinheit bei diesem schätzenswerthen Baudenkmal die Einzelheiten behandelt sind.
Unter den grösseren Privatbauten nahmen die Herbergen der Zünfte und die Trinkstuben der vornehmen Geschlechter schon ihrer Zahl nach eine hervorragende Stelle ein; aber auch als Sammelpunkte des geselligen und in gewissem Sinne selbst des politischen Lebens haben sie Bedeutung.
Freiburg besass in älterer Zeit achtzehn, später nur noch zwölf Zünfte, ausser der sehr bedeutenden Genossenschaft der Granatschleifer mit ihren Nebenbetrieben. Von diesen Vereinigungen hatten im 16. Jahrhundert nicht weniger als sechs ihre Herbergen auf der Grossen Gasse, der heutigen Kaiserstrasse, und zwar die Krämer oder Kaufleute im Hause »zum Falkenberg« (No. 49), die Schmiede »zum Ross« (No. 76), die Metzger »zum Sternen« (No. 104), die Tuchmacher »zum Rosenbaum« (No. 42), die Bauleute »zum Halbmond« (No. 131), die Granatschleifer endlich »zur Krone« (No. 52). Soweit die frühere Gestalt dieser Häuser sich noch erkennen lässt, hatte keines von ihnen einen grösseren architectonischen Werth; dagegen vermag die stattliche Herberge der Küferzunft, das Haus »zum Oftinger« in der Salzstrasse mit den zwei hoch aufragenden Treppengiebeln, auch heute noch die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
[222] Von den Gesellschaften hielt die vornehmste in dem prächtigen Hause »zum Ritter« am Münsterplatz, dem jetzigen erzbischöflichen Palais, ihre Zusammenkünfte ab. Das Gesellschaftshaus »zum Gauch«, an der Ecke der nach ihm benannten Strasse gelegen, – jetzt Universitäts-Buchhandlung von Fr. Wagner – hat sein ursprüngliches Ansehen bis auf die starken Bossenquadern der Kante völlig eingebüsst; sogar das alte steinerne Wahrzeichen, der Kukuk (Gauch), hat weichen müssen.
Es ist bereits hervorgehoben worden, wie mächtig in den Zeiten der Spätgothik und der Renaissance die reiche Entfaltung des öffentlichen Profanbaues den allgemeinen Kunstsinn angeregt und gefördert hat. Nicht nur der geistliche Würdenträger und der Edelherr, – jeder Bürger, der es irgend vermochte, war fortan bestrebt, seinem Wohnhause architectonischen Schmuck zu verleihen.
Vor Allem dankbar musste dabei erscheinen, was zunächst lag: die künstlerische Ausgestaltung der Thüren und Portale, und auf diesem Gebiete ist denn auch in Freiburg bald Vieles und Treffliches geleistet worden. – Anziehend ist es nebenher zu beobachten, wie bei den wagrecht abgeschlossenen spätgothischen Thürstürzen im Laufe weniger Jahre zwei deutlich unterschiedene Motive einander ablösen, um jedes eine Zeit lang die Vorherrschaft zu behaupten. Die ältere Art zeigt sich wohl am schönsten ausgeprägt an der schon erwähnten »Alten Sapienz« und an dem Hause »zur Gans«, während das auch durch seine gothischen
[223][224] Fensterformen bemerkenswerthe Messmerhaus in der Nordostecke des Münsterplatzes die andere sehr gut vertreten dürfte. Gleichwohl ist weder damals noch später eine schablonenhafte Behandlung zur Geltung gekommen: wer die Strassen der Stadt durchwandert oder auch hie und da in einen Binnenhof eintritt, wird vielmehr überrascht sein durch die Mannigfaltigkeit im Einzelnen.
Ungleich mehr noch als durch Portal- und Fensterarchitectur wurde ehedem der malerische Eindruck der Strassenfluchten durch die grosse Zahl der Erker gehoben – ehedem, denn weitaus die meisten dieser »Auswüchse« sind im Anfange unseres Jahrhunderts einer sehr weisen und erleuchteten Polizeiverordnung zum Opfer gefallen. Eine Ahnung davon, wie eine ganze Folge solcher Bauten gewirkt hat, gewinnen wir heute noch in der Herrenstrasse, welche überhaupt das Aussehen einer alterthümlichen Gasse vornehmen Stils am meisten bewahrt hat. Hier ist wenigstens zwei neben einander liegenden Häusern die alte Zierde geblieben, wobei es sich freilich nicht um so schön ausgeführte Werke handelt, wie etwa am Baseler Hof oder an anderen öffentlichen Gebäuden. Das Haus »zur Lerche« (No. 21), im Jahre 1503 [225] errichtet, besitzt einen mässig vorspringenden Erker, der auf zwei, durch Flachbogen verbundenen Trägern ruht. Reicher behandelt ist der aus dem Jahre 1580 herrührende Ausbau des Nebenhauses »zum goldenen Stouff» (No. 19), der von vorkragenden Gesimsen getragen wird; auf der Brüstung zeigt er in flachem Relief zwei Engelgestalten und einen Psalmvers.
Noch dem Ausgange des 15. Jahrhunderts zuzuweisen ist der Erker der Alten Burse, der mit fünf Achteckseiten aus der Façade vorspringt und zierlich wie ein Schwalbennest an ihr hängt. Die Felder der Brüstung sind abwechselnd mit Maasswerk und Wappenschildern ausgefüllt; über ihnen erheben sich die bis zur Abdeckung reichenden, nur durch einen Zwischensturz getheilten Fenster, welche dem Ganzen ein überaus luftiges Ansehen verleihen.
Die zwei anderen Erker, welche sich noch an Privathäusern erhalten haben, gehören erst dem Ende des 17. Jahrhunderts an. Beide sind sehr unvollkommen profilirt, doch wirkt der an der Löwen-Apotheke (Kaiserstrasse No. 91) übereck aufgeführte immerhin bedeutend durch seine Höhe, da er sich durch drei Geschosse bis zum Dache erstreckt. Auch das Haus selber mit seiner in der Neuzeit reich bemalten Façade verdient Beachtung. Es hiess vormals »zum weissen Löwen«, war Lehengut des Frauenklosters St. Klara und erscheint bereits zu Anfang des 14. Jahrhunderts im Besitze eines Ritters Burchart Meinwart. – Der Erker an der Hof-Apotheke in der Münsterstrasse (zu Kaiserstrasse 63 gehörig), zeigt die Jahreszahl 1695 und darüber zwei Wappen mit den Initialen der Inhaber. Merkwürdig ist der unterhalb angebrachte fratzenhafte Löwenkopf.
Wer auch die kleineren Architecturstücke verzeichnen wollte, die sich selbst an schlichten Bürgerhäusern aus der Vorzeit noch erhalten [226] haben, der würde so leicht kein Ende finden. Wir gedenken hier nur des frühgothischen Trägers von räthselhafter Bestimmung, der sich in der Dreherstrasse hoch oben an der Abschlussmauer eines zur Schusterstrasse gehörigen Hauses (No. 16) befindet; ferner der reich entwickelten spätgothischen Giebelrose an der Domkustodie; sodann der schönen, wenn auch nicht mehr unversehrten Fensterarchitectur an dem Hause »Zur hinteren Kante« in der Schusterstrasse, welches überdies, gleich dem Nebengebäude, noch verputztes Fachwerk in den Obergeschossen erkennen lässt; endlich der Baldachine und Nischen, die zumal an den Ecken der Gebäude mannigfach angebracht sind und, wenn sie jetzt auch meist Heiligenbilder des letzten Jahrhunderts bergen, doch zum Theil auf weit frühere Zeit zurückgehen. – Eine Eigenthümlichkeit mancher Strassen bilden die massigen Streben, welche man zum Schutze der aus Wacken aufgeführten Giebelmauern an diese angelehnt hat, und es ist bezeichnend, dass man selbst solche derben Nothbauten hie und da zu verzieren bemüht war.
Ueber dem Bestreben, die Strassenseite der Häuser nach Kräften ansehnlich zu gestalten, kamen doch die minder in’s Auge fallenden Theile nicht völlig zu kurz. Wie man jedem Geräth eine gefällige Form zu geben, wie man die Enge der Wohnungen durch behagliche und geschmackvolle Einrichtungen vergessen zu machen suchte, so verwandte man auch eine gewisse Sorgfalt auf die Hofseite der Gebäude. Laubengänge und überdachte Treppen, wie sie anderwärts häufig nach den Höfen hin angelegt [227] sind, dürften freilich den Privathäusern unserer Stadt wohl gänzlich fehlen. Dagegen ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass sorgfältige Nachforschungen noch manches andere Architecturstück zu Tage fördern würden, wenn auch nicht jedes so werthvoll sich erwiese, wie die Fenstersäulen von der Hofseite des Hauses »zum Pfirsichbaum«, desselben Anwesens, in welchem jetzt diese Schrift gedruckt wird.
Auf kunstvoll ausgeführten Bodenbelag scheint man in Freiburg schon zu einer Zeit Werth gelegt zu haben, als der Privatbau selber noch wenig entwickelt war. Darauf deuten wenigstens die schönen Thonfliesen, die vor einer Reihe von Jahren an der Stelle eines Hauses in der Herrenstrasse (No. 45) gefunden wurden. Sie zeigen sogar noch romanischen Stil, woraus freilich nicht ohne Weiteres geschlossen werden darf, dass ihre Herstellung in so früher Zeit erfolgt ist[2], denn gerade in der Thonindustrie erhalten sich, wie man weiss, alterthümliche Formen sehr lange.
Sehr häufig begegnen wir Schmiedearbeiten, welche, ohne gerade künstlerisch bedeutend zu sein, doch von einer sehr beachtenswerthen handwerksmässigen Geschicklichkeit Zeugniss ablegen. Zumeist sind es Oberlichter, deren [228] Formengebung die vielfach in diesem Werke als Kopfleisten verwendeten Abbildungen veranschaulichen mögen. Werthvollere Erzeugnisse stellen die Schranken und Gitterthüren in Kirchen und öffentlichen Gebäuden, nicht minder einzelne eiserne Friedhofkreuze dar, allein auch jeden Schlüssel, jedes Schloss, jeden Beschlag strebte man soweit als möglich kunstvoll zu gestalten.
Das Alles lag im Geiste einer Zeit, welche weder die Kunst in den Dienst eitler Prunksucht stellte, noch auch durch die herbe Noth des Lebens der stillen Freude am Schönen völlig sich entfremden liess.
Diese auf den engsten Raum beschränkte Darstellung, deren schwierigste Aufgabe es war, gerade an den grössten Denkmälern der Vergangenheit stillschweigend vorüberzugehen, hat selbstverständlich nur ein sehr unvollkommenes Bild des alten Freiburg zu geben vermocht. Eines aber lässt sie vielleicht trotzdem erkennen: wie vielgestaltig und farbenreich der Schauplatz war, auf dem das geschichtliche Leben eines bedeutenden Gemeinwesens bis an die Grenzen der neueren Zeit sich abgespielt hat.
Vieles von dem, was ehemals zu Schutz und Trutz gleichsam für die Ewigkeit errichtet schien, Vieles, was frommer Glaube hier gebaut hatte, Vieles auch, was noch späten Geschlechtern eine Heimstatt zu bieten bestimmt war, ist unter den Stürmen der Zeit in den Staub gesunken oder hat verständnissloser Neuerungssucht weichen müssen. Und dennoch ist unserer Stadt des Schönen und Werthvollen auch im Kleinen so Manches erhalten geblieben, dass sie sich dessen rühmen darf vor vielen Anderen.
Wer etwa von der Rheinebene her sich Freiburg nähert, erblickt allerdings keine jener thurmreichen Städte, die schon aus der Ferne den Eindruck der Grossartigkeit und ehrwürdigen Alters zugleich [229] erwecken; das Auge wird überdies gefesselt durch den gewaltigen landschaftlichen Hintergrund, den die Schwarzwaldberge vom Kandel bis zum Belchen darstellen, während in dem Stadtbilde selbst die unvergleichliche Münsterpyramide alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Anders gestaltet sich der Anblick, wenn man durch das ehrwürdige Schwabenthor die Gassen der Stadt betritt. Hier befindet man sich sofort in Alt-Freiburg. An der Linde bei dem rauschenden Brunnen vorbei lenkt sich der Schritt in die Pfaffengasse, die stattlichste unter den alterthümlichen Strassen. Ihre hervorragenden Zierden haben wir kennen lernen: die schönen Erkerhäuser und die malerische Münsterbauhütte, auch diese im Schatten einer alten Linde gelegen. Und so erfreut sich der Blick in fast allen Strassen der Altstadt, nicht zuletzt auf dem Münsterplatze selbst, an prächtigen Werken spätmittelalterlicher Art und Kunst. Nirgends zeigt sich hier nüchterne Regelmässigkeit und sogar die Kaiserstrasse, die Hauptverkehrsader und eigentliche Prunkstrasse Freiburgs, scheint verschont bleiben zu sollen von der öden Langweiligkeit gerader Fluchtlinien. Wer aber Stellen aufsuchen will, welche in noch höherem Maasse als jene denkwürdigen Ueberreste bürgerlicher Baukunst das Auge eines sinnigen Malers zu ergötzen vermöchten, dem empfehlen wir die am rauschenden Wasser gelegenen Häusergruppen auf der Insel und in der Fischerau. Und überall in die Stadt hinein blicken die bewaldeten Berge und zahlreiche Bäche tragen die erquickende Frische der Schwarzwaldthäler in die Enge der Strassen. Fürwahr, es mag nicht viele Orte geben, in denen sich so die ewige Jugend der Natur mit der Fülle ehrwürdiger Erinnerungen verbindet!
Es kann nicht hoch genug angeschlagen werden, dass in der Bürgerschaft Freiburgs ein offenes Verständniss für die geschichtliche Bedeutung [230] auch der alterthümlichen Privatbauten sich kundgibt. Die Façaden zahlreicher Häuser sind bereits stilgerecht bemalt und mit den bis zum Ende vorigen Jahrhunderts üblichen Namen und Wahrzeichen wieder versehen worden, so dass bald ganze Strassen uns an eine farbenfreudigere Zeit gemahnen werden.
Von dem gleichen Sinne für liebevolle Bewahrung und sorgsame Pflege des Alten zeigt sich die Stadtverwaltung selber erfüllt. Unter vielem Anderen zeugt davon, dass selbst einem Nützlichkeitsbau, wie dem Hochbecken der neuen Wasserleitung im Sternenwald die an jener Stelle besonders malerisch wirkende Gestalt der stolzen Thorburg gegeben worden ist, welche auf dem mittelalterlichen Siegel der Stadt erscheint.
So steht denn auch kaum zu befürchten, dass hier ungestüme Neuerungssucht zerstören werde, was zur wohlgegründeten Freude Vieler durch schicksalsreiche Tage hindurch glücklich gerettet worden ist. Man wird vielmehr immer dessen eingedenk bleiben, dass Freiburg mit seinen ehrwürdigen, wenn auch oftmals anspruchlos erscheinenden Bauten einen Theil seiner Eigenart einbüssen würde, für den sich durch künstliche Alterthümer nie und nimmer ein Ersatz schaffen liesse. In Wahrheit ist eine Strasse von alterthümlichem Gepräge in ihrer Gesammterscheinung ein geschichtliches Denkmal, das ebenso gut wie jede Burgruine dem öffentlichen Schutze unterstellt sein sollte.
Wer diese Stadt durchwandert, wird also mit Freuden inne werden, eine wie ungemein eifrige Pflege die deutsche Baukunst allezeit in ihren Mauern gefunden hat. Es darf wohl ausgesprochen werden, dass hier jede neue Richtung mit Verständniss aufgenommen und in eigenartigem Geiste gefördert worden ist. Von jenem Tage an, da der [231] Grundstein zu der ältesten romanischen Stadtkirche gelegt wurde bis zu der Zeit, in der Christian Wenzinger seine liebenswürdigen und anmuthigen Werke schuf, nimmt Freiburg in der Entwickelungsgeschichte der deutschen Kunst eine ganz besonders ehrenvolle Stelle ein. Und noch in der lebhaften Bauthätigkeit der Gegenwart bekundet sich ein erfreulicher Formensinn vereint mit dem Bestreben, die Architectur möglichst in Einklang zu setzen mit den unvergleichlichen Reizen der landschaftlichen Umgebung. Das herrlichste Werk aber, das zugleich einen der Höhepunkte aller vaterländischen Kunst bezeichnet, stand schon vor mehr denn sechs Jahrhunderten vollendet, als die Kreuzblume sich herabsenkte auf