Das vorzeitige Ergrauen des Haupthaares

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Autor: Joseph Pohl-Pincus
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Titel: Das vorzeitige Ergrauen des Haupthaares
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 374–377
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[374]
Das vorzeitige Ergrauen des Haupthaares.


Von Stabsarzt Dr. J. Pincus, Docent an der Universität zu Berlin.


Das Ergrauen und sein Verhältniß zur Gesammtconstitution des Körpers. – Erbkrankheit. – Die Kunst des Arztes. – Das Ausziehen der Haare. – Färbemittel.


Das vorzeitige Ergrauen des Haupthaares beginnt gewöhnlich gleich dem Ergrauen im höheren Alter mit dem Auftreten einiger weißer Haare an den Schläfen – darauf vergehen entweder mehrere Jahre, ehe das Uebel weiterschreitet, oder es erfolgt diese Ausbreitung so rasch, daß nach Verlauf von einem bis zwei Jahren jedes zweite Kopfhaar weiß ist. In jedem dieser beiden Fälle kann es geschehen, daß mit dem Ergrauen ein vorzeitiger Haarschwund sich ausbildet.

Es muß in einem solchen Falle zunächst festgestellt werden, ob das Ergrauen das einzige Symptom abnormer körperlicher Entwicklung ist, oder ob sich neben ihm noch andere Erscheinungen einer vorzeitigen Schwäche oder einer allgemeinen Hinfälligkeit finden.

Ist das Ergrauen nur Symptom eines allgemeinen vorzeitigen Verfalls der Constitution, so gelingt es oft, seinem Vorschreiten allein dadurch Einhalt zu thun, daß der Gesammtkörper gekräftigt wird.

Allein in vielen Fällen ist das Ergrauen eine ganz für sich allein stehende abnorme Erscheinung: die Gesammtconstitution ist kräftig, alle Organe functioniren normal, der Teint ist rein, das Colorit frisch, die Züge sind jugendlich – das Ergrauen ist ohne wahrnehmbare Ursache entstanden, scheinbar unerklärlich. Von diesen Fällen will ich im Folgenden sprechen.

Ein solches vorzeitiges Ergrauen der Haupthaare ist stets Resultat einer örtlichen Erkrankung der Kopfhaut. Dieser Satz erscheint beinahe selbstverständlich, und doch ist es sehr wesentlich, ihn ausdrücklich hier an die Spitze der ganzen Erörterung zu stellen, weil aus ihm zwei wichtige Folgerungen sich ableiten lassen:

[375] 1) Es ist ein großer Irrthum, wenn man annimmt, ein solches Ergrauen sei die Folge einer vorausgegangenen erschöpfenden Lebensweise. Viele tausend Menschen würden ihr graues Haar ohne Scheu offen tragen, wenn sie nicht wüßten, daß bei ihren Nebenmenschen jener Irrthum, jenes Vorurtheil besteht. Ich will hiermit sehr entschieden gegen dies Vorurtheil ankämpfen! Es raubt dieses Vorurtheil vielen Tausenden ihr ruhiges Lebensbehagen – ich möchte, so weit ich vermag, ihnen dasselbe wiedergeben. Es handelt sich bei solchem Ergrauen um einen örtlichen Krankheitszustand, der nicht das Allermindeste mit Excessen, mit durchwachten Nächten oder mit schweren Lebenssorgen zu thun zu haben braucht, der vielmehr allein Folge einer Ernährungsstörung der Kopfhaut ist.

2) Es ist ein ganz falscher Rath, der vor Jahrhunderten von Aerzten gegeben worden und jetzt von Laien in schlechten populär-medicinischen Schriften wiederholt wird: man solle entweder dem Gesammtkörper durch die Nahrung oder der Kopfhaut direct durch Einreibung Stoffe zuführen, welche reichlich Farbnährstoffe enthalten. Vor Jahrhunderten, als die Medicin nur unklare Vorstellungen über den Gang des menschlichen Stoffwechsels hatte, glaubte man, ein Deficit im Körper einfach dadurch ausgleichen zu können, daß man die bezüglichen Stoffe dem Körper oder dem leidenden Theile einverleibte; die geläuterten Anschauungen der Gegenwart haben gelehrt, daß dies nicht einfach so angeht, weil die Organe erkrankt sind und weil sie wegen ihres Krankheitszustandes nicht die Fähigkeit haben, die ihnen fehlenden Stoffe sich anzueignen. Es mangelt beim vorzeitigen Ergrauen dem Körper, d. h. dem kreisenden Blute, keineswegs an Farbstoff, vielmehr hat nur die kranke Kopfhaut nicht die Fähigkeit, diesen Farbstoff aus dem Blute anzuziehen.

Woher rührt nun dies verringerte Anziehungsvermögen der Kopfhaut?

In sehr vielen Fällen ist dieser Mangel von den Eltern oder den Großeltern ererbt, er findet sich dann meist bei mehreren Mitgliedern der Familie. In anderen Fällen ist er der Ueberrest oder die Nachwirkung einer andern Krankheit der Kopfhaut; besonders pflegen zwei Krankheitsarten diese Folge zu haben: Ablagerung von Pilzen (Erbgrind) und die umschriebene (rundfleckige) Kahlheit (ein höchst merkwürdiger Leidenszustand, bei welchem rundliche Kahlheiten mitten im üppigen Haarwuchs entstehen). Selten erzeugt eine acute örtliche oder allgemeine Krankheit (Kopfrose, Nervenfieber, Unterleibsentzündung) vorzeitiges Ergrauen.

Es ist interessant und es ist für das Verständniß des Processes wichtig, den Unterschied zwischen einem grauen Haar und einem gefärbten bei mikroskopischer Betrachtung zu untersuchen. Man findet bei einer solchen Untersuchung eines farbigen Haares (am besten bei einer Linearvergrößerung von zweihundert bis dreihundert und darüber) den Farbstoff in doppelter Form abgelagert; es zeigen sich erstens die einzelnen Zellen oder Fasern, welche das Haar zusammensetzen, von einer aufgelösten Farbe durchtränkt, und zweitens finden sich in jeder Zelle kleine Farbekörnchen eingelagert; die größere oder geringere Dichtigkeit, in welcher diese Körnchen liegen, bedingt in erster Linie den Sättigungsgrad der Haarfarbe. Die Kopfhaare eines Menschen haben keineswegs eine und dieselbe Farbenstärke (die meisten Leser werden, wenn sie einmal eine kleine Sammlung ihrer ausgefallenen Haare aufmerksam betrachten, überrascht sein, wie bedeutende Farben-Nüancen ihr scheinbar gleichmäßig blondes oder gleichmäßig braunes Haar zeigt; prüft man zwei benachbarte Haare von ungleicher Farbenstärke (gewöhnlich haben sie auch eine ungleiche Dicke, aber das dunkle Haar ist das dünnere – im Gegensatz zu krankhaften Zuständen, in denen das dünnere Haar zugleich heller wird), so findet man bei beiden Haaren die gleiche Grundfarbe, es zeigen auch die einzelnen Farbekörnchen völlig den gleichen Farbenton, aber sie liegen in dem dunklen Haar erheblich dichter; durch diese innigere Zusammenhäufung erzeugen sie die tiefere Sättigung.

Der Proceß des Ergrauens vollzieht sich nun so, daß die Pigmentkörnchen nicht mehr gleichmäßig durch die ganze Dicke des Haares abgelagert werden; sie schwinden zunächst aus den äußersten Randschichten, und je mehr das Haar bei seinem Fortwachsen von Farbig-Grau zu reinem Weiß übergeht, desto mehr weichen die Farbenkörnchen aus der Peripherie nach der Mitte zurück, bis sie schließlich auch im Centrum nicht mehr vorhanden sind. Der aufgelöste Farbestoff hingegen dauert erheblich länger aus; er hat freilich nur einen geringen Einfluß auf die Farbe, mit der das Haar erscheint, aber daß es nicht ganz weiß aussieht, sondern noch einen Farbenschimmer behält, das verdankt es diesem aufgelösten Pigment.

Die Frage, was ärztlicherseits gegen dies vorzeitige Ergrauen geschehen könne, zerfällt naturgemäß in folgende Einzelfragen:

1) Ist man im Stande, dort, wo die erbliche Anlage (durch das Erscheinen bei älteren Geschwistern) constatirt ist oder wo sie sich vermuthen läßt, das Eintreten des Ergrauens zu verzögern?

Diese Frage kann ich bejahen. Ich rathe, in einem solchen Falle genau die Vorschriften zu beachten, welche ich in den früheren Aufsätzen über die diätetische Frage eines empfindlichen Haares gegeben habe; ein solcher Kopf will in der Kindheit und in der Jugend mit Schonung behandelt werden; alle Reizmittel (viel Wasser mit Seife, mit Spirituosen, viel Brausebäder) sind zu vermeiden. Vom sechszehnten oder achtzehnten Lebensjahre an lasse man jährlich einmal die Haare der Schläfengegend mikroskopisch untersuchen, damit festgestellt werde, in welcher Menge die Farbekörnchen vorhanden sind, in welcher Schicht des einzelnen Haares sie sich besonders reichlich finden. Es läßt sich über das Herannahen der Gefahr auf diese Weise Gewißheit erhalten, und man kann sie drei bis fünf Jahre früher erkennen, als sie dem bloßen Auge erscheinen würde.

2) Ist man im Stande, wenn der Anfang des Leidens bereits offenkundig geworden, sein Vorschreiten zu verhindern?

In vielen Fällen gelingt dies; es bleibt dann das Ergrauen eine lange Reihe von Jahren nur auf die Stellen, an denen es sich zuerst gezeigt, beschränkt. Allein zur Erreichung dieses Zieles bedarf es einer vom Arzt geleiteten kostspieligen Cur, die seitens des Patienten mit Exactheit viele Monate hindurch ausgeführt werden muß; es ist unmöglich, hierfür (wie für das erste Stadium des Haarschwundes) allgemein gültige Regeln zu geben: der einzelne Fall muß in seiner Eigenthümlichkeit erfaßt und behandelt werden. Ich rathe deshalb zu einer solchen Cur nur in denjenigen Fällen, in welchen dem Patienten oder seinen Angehörigen sehr viel daran gelegen ist, das weitere Vorschreiten des Ergrauens zu verhindern.

3) Vermag die ärztliche Kunst, wenn das Leiden bereits einen größeren Theil der Haare ergriffen hat, die übrigen zu schützen, oder vermag sie gar zu bewirken, daß der Nachwuchs der grauen Haare wieder die frühere Farbe erhalte?

Ich muß diese Frage verneinen.

Es sind mir zwar eine Reihe von Fällen mitgetheilt worden, in denen bei Männern und Frauen selbst in vorgerückten Jahren das schon ergraute Haar wieder dunkel wurde, allein diejenigen Fälle, welche ich selbst gesehen habe oder in denen man mir die Haare zur mikroskopischen Untersuchung einschickte, bewiesen, daß eine irrige Auffassung des früheren Beobachters vorlag: es waren nämlich früher farbige und weiße Haare gemischt gewesen und sie waren es auch jetzt noch.

Ich muß übrigens ausdrücklich bemerken: physiologisch unmöglich ist es nicht, daß auf ein graues Haar ein farbiger Nachwuchs eintrete; ich habe in einem früheren Aufsatz erwähnt, daß bei Greisinnen ein und dasselbe Haar einen mehrfachen Farbenwechsel zeigen kann, d. h. daß ein Haar streckenweise weiß, dann dunkel, dann wieder weiß und schließlich (also in dem zuletzt gebildeten Theil) wieder dunkel erscheint; es kann mithin eine und dieselbe Haarbildungsstätte die schon verlorene Kraft, Farbekörnchen zu bilden, sich wieder aneignen; aber für den gesammten Haarwuchs des Kopfes ist ein solcher Fall glaubwürdig (d. h. von einem Arzt, der sich durch die nothwendigen mikroskopischen Untersuchungen gegen Irrthum und Täuschungen gesichert hätte) noch nicht beobachtet.

Ich wiederhole: physiologisch unmöglich ist es nicht, und wenn einmal mehrere solche Fälle von Aerzten längere Zeit hindurch beobachtet würden, ließe sich hoffen, daß die Bedingungen für die Wiedergewinnung der Farbekörnchen-Anziehung erkannt würden und daß in weiterer Folge sich auch die Möglichkeit fände, diese [376] Bedingungen herbeizuführen, d. h. alles vorzeitige Ergrauen zu verhindern und zu heilen. Aber heute ist das nicht möglich. Ich kenne keine Behandlungsmethode, welche das bewirken könnte.

Es fragt sich daher in weiterer Folge: was kann geschehen, um die Unannehmlichkeiten der Erscheinung des vorzeitigen Ergrauens zu verhindern?

Die Praxis ist auf zwei Auswege gekommen: bei beschränkter Ausdehnung des Leidens werden die grauen Haare ausgezogen, bei größerer Verbreitung werden Färbemittel angewendet.

Ist das Ausziehen der grauen Haare nachtheilig? Kaiser Augustus besuchte einmal, wie ein alter Schriftsteller erzählt, seine Tochter in ihrem Boudoir; sie war bei der Toilette und eben im Begriff, sich die ersten grauen Haare mittelst einer kleinen Pincette ausziehen zu lassen; der Kaiser sah einige Momente ruhig zu, dann sagte er kopfschüttelnd: „Möchtest Du lieber kahl sein als grau?“ Zur Beruhigung aller Leidensgefährten jener Dame kann ich versichern: das Urtheil ihres Vaters ist glücklicher Weise nur in sehr beschränktem Maße begründet. Personen, die keine erbliche Anlage zum Ergrauen haben, zeigen oft schon im Anfang der zwanziger Jahre oder selbst noch früher an der Schläfe einige weiße Haare – es ist ganz unschädlich, diese auszuziehen, ihr Nachwuchs ist weiß und die allernächste Umgebung wird ebenfalls weiß, gleichviel ob man die früheren weißen Haare ausgezogen hat oder nicht; es entsteht auch daselbst keine Kahlheit, sondern nur eine geringe Verdünnung des Haares, die gar nicht auffällt und die jedenfalls viel weniger störend ist als das scharf von der Umgebung sich abhebende Weiß. Anders hingegen ist es bei größerer Ausbreitung des Ergrauens: hier wäre es geradezu eine Thorheit, alle grauen Haare ausziehen zu wollen; man müßte bald jedes dritte Haar entfernen, die allgemeine Zerrung der Kopfhaut würde die Bildungsstätte des ganzen Haarwuchses sehr angreifen, die noch vorhandenen dunkeln Haare würden gleichfalls und erheblich früher als sonst weiß werden und zugleich an ihrem Dickendurchmesser bedeutende Einbuße erfahren.

In solchen Fällen kommen die Färbemittel in Frage. Man verwendet als solche entweder pflanzliche Stoffe, welche hauptsächlich durch ihren Gehalt an Tannin (Gerbsäure, Gerbstoff) ein dunkleres Colorit erzeugen, oder metallische Körper (Silbersalpeter, Höllenstein).

Ich werde sehr oft gefragt, ob ich das Färben überhaupt widerrathe oder nicht. Meine principielle Antwort lautet stets: „Färben Sie nicht! Versuchen Sie durch Frische Ihres ganzen körperlichen und geistigen Seins den Eindruck des Grau zu verwischen; beweisen Sie, daß Sie nicht alt sind; beweisen Sie dem Beschauer, daß Ihr Körper elastisch ist und Ihr Gemüth froh bewegt.“ Wo dieser Rath befolgt werden konnte, hat die größere Energie, die größere Fürsorge für die Gesundheit dauernde Jugendlichkeit und frohe Stimmung erhalten; die jungen Männer und Frauen scheuten sich dann nicht, ihre grauen Haare zu zeigen, und war der erste Blick auf dieselben auch überraschend, so machte eine kurze Unterhaltung mit dem ergrauten Haupte einen um so angenehmeren, weil contrastirenden Eindruck. Also, wer es irgend über sich gewinnen kann, der färbe nicht!

Allein ich weiß sehr wohl, das geht nicht immer an. Es giebt Fälle, in denen das Aussehen des Gesichts (besonders der Teint) oder die Gesammtverhältnisse es außerordentlich wünschenswerth erscheinen lassen, daß das Grau verdeckt werde. In diesen Fällen rathe ich zum Färbemittel. Aber man mache sich dann auch von vornherein klar, daß das Färben alle drei bis sechs Wochen erneuert werden muß. Die Anwendung des Tannin oder des Silbersalpeter (Höllenstein) hat keinen ungünstigen Einfluß auf das Gesammtbefinden; der letztere greift die Kopfhaut auch nur dann an, wenn er selbst oder das neben ihm angewendete Waschmittel (in der Regel Ammoniak) zu concentrirt genommen wird, was sich vermeiden läßt. Bleimittel wende man zum Färben nicht an; Jahrhunderte hindurch waren sie hierfür am meisten beliebt, ich widerrathe sie, schon der allgemein verbreiteten Meinung wegen, daß auf diesem Wege Blei in das Innere des Körpers aufgenommen werde und seine nachtheiligen Wirkungen ausübe; die oben genannten Stoffe führen zum Ziele, es bedarf daher eines dritten bedenklichen nicht.

Zum Schluß gebe ich für diejenigen Leser und Leserinnen, welche Zahlen nicht scheuen,[1] eine hierhergehörige Tabelle eines dreitägigen Haarausfalls; die betreffende junge Dame (siebenundzwanzig Jahre alt) leidet seit vier Jahren an vorzeitigem Ergrauen, das sie von ihrem Vater ererbt hat; daneben stelle ich die bereits im früheren Aufsatz ausführlicher gegebene Tabelle ihrer Mutter, einer sechszigjährigen Dame. Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen den Procentsatz der betreffenden Hauptzahl.

  A. Dame von 27
Jahren; vorzeitiges
Ergrauen mäßigen
 Grades.
   B. Dame von 60
   Jahren (Mutter der
   Dame A); Ergrauen
   des Haares, bei sonst
   kräftigem Haarwuchs.
1. Gesammtausfall von 3
1. Tagen
 258  451
Darunter zwischen 1–2 Zoll  031 (12)[TAB 1]  038 (8)
Darunter zwi 2–6 Z  083 (32)  153 (34)
Darunter zwüber 6 Z  144 (56)  260 (58)
2. Es hatten unter den Haaren
2. des Gesammtausfalls
1. eine deutliche Spitze
 227 (88)[TAB 2]  205 (45)
Darunter zwischen 1–2 Zoll  030 (97)[TAB 3]  020 (53)
Darunter zwi 2–6 Z  077 (93)  087 (57)
Darunter zwüber 6 Z  120 (83)  098 (38)
3. Der Gesammtausfall
3. enthielt: a) Starke Haare
 160 (62)  207 (46)
Darunter zwischen 1–2 Zoll  00  013 (6)
Darunter zwi 2–6 Z  027 (17)  036 (17)
Darunter zwüber 6 Z  133 (83)  158 (76)
3. b) Mittelstarke  034 (13)  109 (24)
Darunter zwischen ½–2 Zoll  002 (6)  016 (15)
Darunter zwi 2–6 Z  023 (67)  030 (27)
Darunter zwüber 6 Z  009 (27)  063 (58)
3. c) Feine  063 (25)  135 (30)
Darunter zwischen ½–2 Zoll  029 (46)  009 (7)
Darunter zwi 2–6 Z  033 (52)  091 (68)
Darunter zwüber 6 Z  001 (2)  035 (25)
  1. Das heißt 12 % vom Gesammtausfall (258).
  2. D  88 % vom Gesammtausfall (258).
  3. D  97 % von den gesammten Haaren zwischen 1–2 Zoll (31).

Zur Erläuterung dieser Tabelle hebe ich nur folgende Punkte hervor: die Procentverhältnisse der Länge der einzelnen Haare sind bei Mutter und Tochter fast ganz gleich, obwohl bei der Mutter der Gesammtausfall erheblich größer ist; die junge Dame hat das vorzeitige Ergrauen von ihrem Vater ererbt, aber die Gesammtbeschaffenheit des Haares (auch die blonde Farbe) von ihrer Mutter.

Die günstige Einwirkung des jugendlichen Alters auf die Haarbildung zeigt sich in der Erhaltung der deutlichen Spitzen des einzelnen Haares, diese dauert um so länger aus, je kräftiger die ursprüngliche Bildung; in der Jugend haben die Gewebe eine größere Elasticität, im Alter werden sie spröde: bei der jungen Dame hatten 88 % des gesammten Ausfalls ihre Spitzen behalten, bei der älteren nur 45 %, und wählt man zum Vergleich die langen Haare (über 6 Zoll), welche die meiste Gelegenheit hatten, ihre natürliche Beschaffenheit angegriffen zu sehen, so ist die Differenz noch größer; die Zahlen lauten dann 83 und 38.

Ueber die Verhältnisse des Ergrauens giebt folgende kleine Tabelle Auskunft:

  A. Tochter.    B. Mutter.
Summe der Haare mit vollständig
     übersichtlichem Entwickelungsgang   
258 437
a. Ganz weiß 003 (1,2) 138 (31)
Darunter von 1–2 Zoll 002 009
Darunter v 2–6 Z 001 043
Darunterüber 6 Z 00 086
b. Wurzel allein weiß 004 034
Darunter von 2–6 Zoll 00 003
Darunterüber 6 Z 004 031
c. Spitze allein weiß 00 007
d. Andere Verfärbung 00 007

[377] Es lehrt diese Tabelle, daß beim vorzeitigen Ergrauen gleichwie bei dem in Folge des höheren Alters das Ergrauen nicht an dem bereits vorher fertig gebildeten farbigen Haar eintritt, sondern an dem werdenden Haar; bald verliert das im Fortwachsen begriffene Haar allmählich den Farbstoff, bald wird an Stelle des ausgefallenen gefärbten Haares das neue gleich vom Beginn an farblos gebildet; eine aufmerksame Beobachtung am Lebenden kann jeden Laien überzeugen, daß nicht das fertige Haar an der Spitze ergraut: schneidet man nämlich an solchen noch fest am Kopfe sitzenden Haaren, deren Spitze weiß, deren übriger ganzer Stamm aber gefärbt ist, diese weiße Spitze ab (und macht man diese Haare durch Umschlingen mit einem rothen Seidenfaden oder durch Färben mit Höllenstein leicht auffindbar), so erkennt man, daß ein weiteres Ergrauen hinter der abgeschnittenen Spitze nicht eintritt; die Haare spalten sich wohl, aber sie behalten ihre frühere Farbe.[2] Das Ergrauen ist ein Proceß, der gewöhnlich (beim Kopfhaar vielleicht immer) an der Haarbildungsstätte erfolgt, nicht am fertigen Haar.




  1. Zu meiner Freude habe ich aus vielfachen Zuschriften ersehen, daß gerade die sonst überschlagenen Zahlen vielen Lesern und Leserinnen meiner früheren Aufsätze sehr erwünscht gewesen sind. Es geben die Zahlen in einem wissenschaftlichen Aufsatze ein Maß, das jeder Leser versteht und das er auch zur eigenen Controle der Angaben des Verfassers benutzen kann.
  2. Es sind mir seit dem Erscheinen meines letzten Aufsatzes vielfache Zuschriften zugegangen, in denen Fälle plötzlichen Ergrauens nach starken Gemüthsbewegungen mitgetheilt wurden; einzelne derselben werde ich in einer besonderen kleinen Notiz in der Gartenlaube verdeutlichen, aber es waren meist Fälle, die vor vielen Jahren beobachtet worden waren und in denen daher eine Untersuchung nicht mehr angestellt werden konnte. Ich fordere zur endlichen Feststellung dieser interessanten Frage die Leser und Leserinnen der Gartenlaube nochmals auf, mir eine kurze Mittheilung zugehen zu lassen, falls sie in neuester Zeit eine solche Wahrnehmung gemacht haben sollten. Ich wiederhole: ein einziger wohl constatirter Fall würde zur Erkenntniß der Wahrheit hinreichen.