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Das wohltätige Schild

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Das wohltätige Schild
Untertitel:
aus: Illustriertes Sonntagsblatt, Beilage zur Greifswalder Zeitung. Nr. 42, S. 335
Herausgeber: Greiner & Pfeiffer in Stuttgart
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1908
Verlag:
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Erscheinungsort: Greifswald
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Quelle: Commons
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Das wohltätige Schild.

Am Ende des 18. Jahrhunderts lebte ein Maler, der mit Porträtmalen sehr viel verdiente und sehr berühmt war. Er war von Geburt ein Niederländer, und nachdem er lange Zeit durch angestrengten Fleiß in Frankreich und Italien seine Kunst vervollkommnet hatte, nahm er seinen Aufenthalt in Amsterdam und verewigte daselbst viele Personen mit seinem treffenden Pinsel. Ein reicher Kaufmann in Leyden wollte auch von ihm gemalt sein und verschrieb ihn dahin. Sie wurden um 200 Dukaten einig wegen des Gemäldes, und nun war es des Künstlers Wunsch, in der Nähe dieses Kaufmanns zu logieren. In der Straße, wo derselbe wohnte, war nur ein Gasthof, und obgleich dieser nicht von dem besten äußern Ansehen war, mußte er sich doch entschließen, darin auf einige Wochen seine Wohnung zu nehmen. Den Wirt dieses Gasthofes lernte er bald als den gefälligsten und bravsten Mann von der Welt kennen, zugleich machte er aber auch die traurige Bemerkung, daß der Gasthof wenig Zuspruch hatte.

Eines Abends erkundigte sich der Maler bei seinem Wirte, warum sein Gasthof in so sichtbarem Verfall wäre, da er doch alle Eigenschaften eines guten Wirtes an sich hätte? Die Antwort war: „Es rühre solches teils daher, weil die Straße etwas entfernt läge und nicht im Mittelpunkt der Stadt sich befände, teils aber auch daher, weil er aus Mangel an Vermögen dem Hause keinen größeren äußerlichen Glanz gehen könnte, und weil man doch gewohnt wäre, von dem Äußeren aufs Inwendige zu schließen.“

Nachdem der Kunstmaler hierüber nachgedacht hatte, erwiderte er seinem offenherzigen und aufrichtigen Wirte voll Edelmut und Menschenliebe: „Sie haben vollkommen recht; ich denke aber, beide Hindernisse Ihres Wohlstandes entfernen zu können. Was das Abgelegene Ihres Gasthofs anbelangt, so will ich dem durch ein Aufmerksamkeit erregendes Schild abhelfen. Um den andern Punkt zu bestreiten und Ihren Gasthof äußerlich besser zu bekleiden, will ich Ihnen, ohne Interesse, 200 Dukaten auf etliche Jahre leihen.“ – Das letztere tat er sogleich, und es wurde sofort die nötige Reparatur und Ausschmückung des Gasthofs vorgenommen. Auch malte er mit großem Fleiß ein Schild, das den Wirt, recht nach dem Leben getroffen, auf einem wilden Pferde reitend, vorstellte, doch so, daß er nur einen Fuß im Steigbügel hatte, und ganz auf der einen Seite herabhängend, augenblicklich vom Pferde zu fallen schien, mit der Unterschrift: „Help myne Heeren, ick fall van’t Pärd!“ (Helfen Sie, meine Herren, ich falle vom Pferde.)

Was der Maler gehofft hatte, ereignete sich wirklich. Einheimische und auch Fremde gönnten nun diesem Gasthofe einen häufigen Zuspruch. Jeder wollte nun dem vom Pferde fallenden Wirt aufhelfen. Oft hatte der Gasthof nicht so viel Gelaß, als er Gäste und Zuspruch bekam. Schon im ersten Jahre hatte der Wirt weit mehr als die ihm vorgeschossenen 200 Dukaten profitiert.

Nach Verlauf von drei Jahren sprach der edeldenkende Maler wieder bei ihm vor und erhielt nun seine vorgeschossene Summe mit dem feurigsten Danke, den ein solcher Glücksbeförderer verdiente, wieder. „Vor allen Dingen,“ sprach der Maler zu dem Wirte, „ist’s nun aber nötig, daß ein anderes, Ihrem jetzigen Zustande passenderes Schild ausgehängt werde.“ Er matte darauf den Wirt ebenso ähnlich wie das erstemal, nur mit dem Unterschied, daß er ganz gerade und regermäßig auf einem raschen Pferde saß, mit der Beischrift: „Ick fall hast – hast! Dank, myne Heeren, nun sitt ick fast.“ (Ich war meinem Falle sehr nahe. Dank, meine Herren, nun sitz’ ich fest!) Diese neue Erfindung war dem Gasthofe keineswegs nachteilig, sondern vermehrte noch seinen Zulauf und des Wirtes Wohlstand.

Walther Kabel.