Der Arme und der Reiche (Gellert)
[83] Der Arme und der Reiche.
Aret, ein tugendhafter Mann,
Dem nichts, als Geld und Güter fehlten,
Rief, als ihn einst die Schulden quälten,
Das Glück um seinen Beystand an.
Sonst immer für die Leute spart,
Die von den Gütern beßrer Art
Nicht gar zu viel bekommen haben,
Entschloß sich dennoch auf sein Flehn,
Und ließ ihn in verborgnen Gründen
Aus Geiz verscharrte Schätze finden.
Er sieht darauf in kurzer Zeit
Von seinen Schuldnern sich befreyt.
Da, statt der Schuldner, Schmeichler kommen?
So oft er trinkt, so oft er ißt,
Kömmt einer, der ihn durstig küßt,
Nach seinem Wohlseyn ängstlich fraget,
Mit Loben und Bewundern plaget,
Und doch durch alles nichts, als daß ihn hungert, saget.
O Glücke! rief Aret, soll eins von beiden seyn;
Kann alle Klugheit nicht von Schmeichlern mich befreyn:
Als mich von Schmeichlern lieben lassen.
Vor jenen kann man doch zuweilen sicher seyn;
Doch diese Brut schleicht sich zu allen Zeiten ein.