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Der Aufschneider

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Textdaten
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Autor: F. Sch.
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Titel: Der Aufschneider
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 561, 564
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[561]

Photographieverlag der Münchener Kunst- und Verlagsanstalt Dr. E. Albert u. Komp. in München.
Der Aufschneider.
Nach einem Gemälde von K. Dery.

[564] Der Aufschneider. (Zu dem Bilde S. 561.) Die „Kunst des Aufschneidens“ ist wie jede Kunst international, daher sind die Jünger des Freiherrn von Münchhausen in allen Zonen, bei allen Völkern daheim.

Heute haben wir es mit einem magyarischen Mitgliede der großen Gilde zu thun, offenbar mit einem jener wandernden Tausendkünstler, die sich allerorten durch ihre vielseitigen Talente als Maurer, Zimmerleute, Kesselflicker, Rastelbinder, Rattenfänger und Kurschmiede nützlich machen. Namentlich in entlegenen Bauerngehöften ist dieser Allerweltskünstler stets ein gern gesehener Gast, und als solchen sehen wir ihn nach reichlichem Mahle im Begriffe, den wohlhabenden Hofbauer sammt zahlreicher Familie, Freundschaft und Gesinde mit einer Probe seines angeborenen Erzählertalentes zu ergötzen.

„‚Na, Imre,‘ sagte eines Tages mein Vater, der, wie Ihr wißt, herrschaftlicher Jäger war,“ also begann der Erzähler – „,na, Imre, der Herr hat heute Gäste und will sie mit Wachteln bewirthen, sorge also, daß die Schüssel voll wird bis zum Rande.‘ Und mein Vater wußte wohl, warum er mir den Auftrag gab, da ich den Wachtelschlag derart nachzuahmen verstehe, daß die Thiere mir nachlaufen wie die Küchlein der Gluckhenne. Schon nach einer Stunde hatte ich die Jagdtasche mit einem halben Hundert Wachteln gefüllt – ein Dutzend mehr oder weniger thut nichts zur Sache, und so zog ich mich aus der Sonnengluth der Felder in den schattigen Wald zurück, um mein Frühstück in aller Ruhe zu verzehren. Wie ich so meinen Paprikaspeck esse, höre ich plötzlich ein gewaltiges Krachen in den Büschen und ein seltsames Brummen dazu, und wie ich aufseh’, erblicke ich einen Bären, der – na ich will nicht lügen – mindestens um die Hälfte größer ist als ich, der jedoch ganz wohlgemuth an mir vorüber trabt. Gott sei Dank, denke ich, im selben Augenblick aber bemerke ich, daß das Unthier einen Schafspelz unter den Armen trägt, in dem – Ihr könnt Euch mein Entsetzen denken – ein etwa sechsjähriges Büblein eingewickelt war. Daß der einfältige Zottelmann ein Schaf unter dem Arme zu tragen glaubte, war mir eben so klar, wie daß ich das Büblein retten mußte, indessen wie? – da lag der Hund begraben. Zum Glück fiel mir ein, daß Meister Zottelmann ein leckerer Bursche ist, welcher ein fettes Ferkel jedem andern Braten vorzieht. So sprang ich denn seitwärts in das Dickicht und begann jämmerlich zu quieksen. Und wie ich gehofft, so geschah es. Der Zottelmann ließ sein vermeintliches Schäfchen fallen und eilte mir nach, und zwar zu meinem Schrecken so rasch, daß an ein Entrinnen nicht zu denken war. Kutya terremtete, ich war nie ein Hasenfuß, allein als ich das Riesenvieh vor mir sah, mit glühenden Augen und wuthschnaubendem Rachen, da stiegen mir doch die Haare zu Berge. Denn meine Puschka (Flinte) war nur mit Pulverdunst geladen, und so stand ich dem Ungeheuer so gut wie wehrlos gegenüber. Na, wo nichts mehr hilft, da thut ein bißchen Mutterwitz seine Schuldigkeit. Ich lasse also das Malefizvieh so nahe herankommen, daß ich die Zähne in seinem Rachen zählen kann, ziele dann gerade zwischen die Augen und drücke los. Alle Wetter, das Gebrüll, mit dem die geblendete Bestie die tellergroßen Tatzen nach mir ausstreckte, vergesse ich mein Lebtag nicht! Ich, nicht faul, ducke mich und will unter den Tatzen weg, aber da hat er mich auch schon am Rockkragen, und ich wär’ verloren gewesen, hätte ich nicht wohlweislich meinen Rock im Stich gelassen. Jetzt könnt Ihr Euch denken, daß ich keine Lust verspürte, noch länger Blindekuh zu spielen; ich nahm das halb ohnmächtige Büblein in die Arme und lief, so schnell mich meine Füße trugen, ins Dorf, wo die verzweifelte Mutter mich – na, vor ledigen Weibsleuten will ich nicht weiter davon reden“ – unterbrach sich der Redner mit einem schelmischen Blick auf die schöne Tochter des Hauses – „der blinde Zottelmann aber fiel bald darauf in die Hände wandernder Bärentreiber und zeigt noch heute auf allen Märkten seine Kunststücke. Ihr könnt ihn getrost fragen, ob ich die Wahrheit geredet habe. Will gehängt werden, wenn er ,nein’ sagt.“ F. Sch.