Der Currendknabe zu Geithain
Der Currendknabe
zu
Geithain.
[124] An der Mittagsseite der Kirche zu Geithain ist ein Knabe in Stein gehauen, den sein Mantel als einen Currendknaben bezeichnet. Die Inschrift des Steines ist unleserlich, und die Zeit der Begebenheit wohl unbestimmbar, vielleicht Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts.
In Geithain an der Kirche,
da ist, in Stein gehau’n,
ein Knabe der Currende
bis diesen Tag zu schau’n.
wächst gelbes Lebermoos,
und immer noch betrauert
die Stadt sein schrecklich Loos. –
Wo morgenwärts am Giebel
da war tief in den Balken
ein Dohlennest gezwängt.
Drin waren junge Dohlen,
die zwitscherten so sehr,
unseliges Begehr.
Einst nach dem Abendläuten,
da steigen sie hinauf.
Wie blicken zu dem Neste
Sie können nicht hinüber,
und nicht zum Nest hinan,
und sprechen zu einander:
„Wie fangen wir das an?“
ein langes Bret heraus,
und dreie halten’s hinten,
und einer steigt hinaus.
Er hält sich an die Balken,
und spricht: „Es sind drei schwarze
und auch ein weißes drin“
„„Das weiße muß ich haben!““
so rufen alle Drei.
„Da bin ich auch dabei!
Ich bin herausgestiegen,
das weiße nehm’ ich mir,
und die drei schwarzen Dohlen? –
Da drohen ihm die Knaben:
„„Giebst du uns jenes nicht,
so lassen wir dich fallen!““ –
Jedoch der draußen spricht:
das schwatzt mir Niemand ab!“
Da – heilger Gott! – die Knaben,
sie werfen ihn hinab!
Zerschmettert auf dem Pflaster
und neben ihm, zerschlagen,
die junge Dohlenbrut.
Seht her, ihr bösen Knaben,
das habt ihr nun gethan!
dem Unverstande an! –
In Geithain an der Kirche
da ist in Stein gehau’n,
der arme Currendaner
In seines Mantels Falten
wächst gelbes Lebermoos,
und immer noch betrauert
die Stadt sein schrecklich Loos.