Der Doppelmordprozeß Herbst

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Autor: Hugo Friedländer
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Titel: Der Doppelmordprozeß Herbst
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aus: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1, S. 64–66
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Erscheinungsdatum: 1908
Verlag: Continent
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Erscheinungsort: Berlin
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Der Doppelmordprozeß Herbst.

Im Jahre 1885 machte ein Doppelmord in Mainz ungeheures Aufsehen.

Ein Schuhmacher Wothe verheiratete sich mit einer Prostituierten, die wegen ihrer rotblonden Haare „Rot-Gretl“ genannt wurde. Die Heirat war wahrscheinlich nur eine Scheinheirat. Wothe war homosexuell veranlagt und soll, als er eine längere Zuchthausstrafe verbüßte, der Schrecken aller jüngeren Zuchthäusler gewesen sein. „Rot-Gretl“ soll auch nach ihrer Verehelichung in uneingeschränkter Weise ihrem unsauberen Gewerbe nachgegangen sein. Sie soll sich allabendlich in Mainz herumgetrieben und sich hoher Gönnerschaft erfreut haben. Auch soll sie, als sie bereits „Frau Wothe“ war, noch zu den gefeierten Schönheiten zweifelhaften Rufes in Mainz gezählt haben.

Schon lange vor ihrer Verheiratung hatte sie mit einem Schuhmacher Herbst, der bei ihrem Manne als Geselle arbeitete, ein intimes Verhältnis unterhalten. Herbst hatte Wothe im Zuchthause kennen gelernt und war über die Veranlagung Wothes genau unterrichtet. Da Herbst in die „Rot-Gretl“ sterblich verliebt war, bedauerte er es sehr, daß diese dem Wothe die Hand zum Ehebunde reichte. Herbst’s Eifersucht war so groß, daß er sofort nach der Verheiratung der Rot-Gretl den Entschluß faßte, ihren Ehemann aus dem Wege zu räumen.

An einem Spätnachmittag war Herbst mit Wothe allein. Letzterer saß auf seinem Schusterschemel und arbeitete emsig. Diesen Augenblick benutzte Herbst, er schlug Wothe mit einem Schusterhammer den Schädel ein. Alsdann verließ er die Wothesche Wohnung und suchte die Rot-Gretl auf. Er führte sie zunächst in ein Restaurant und gestand ihr nach und nach, daß er aus Eifersucht ihren Mann erschlagen habe. Rot-Gretl fiel vor Schreck fast in Ohnmacht. Herbst suchte sie zu beruhigen mit den Worten: „Es kommt ja nicht heraus.“ Schließlich begaben sich beide auf den Heimweg.

Als Herbst mit Rot-Gretl die Mordstätte betrat, wo Wothe mit eingeschlagenem Schädel im Blute schwimmend lag, stieß Rot-Gretl einen gellenden Schrei aus. Herbst befürchtete, er könnte durch wiederholtes Schreien verraten werden. Er schlug daher kurzerhand auch Rot-Gretl tot. Nun war er mit seinen beiden Opfern allein in der Wohnung.

Um die Spuren seiner Verbrechen zu verwischen, war er die ganze Nacht mit der Zerstückelung der Leichen beschäftigt. Am folgenden Morgen kaufte er sich – es war gerade Messe in Mainz – eine große Handtasche, packte die einzelnen Leichenteile hinein und schaffte sie nach und nach sämtlich in den Rheinstrom.

Allein sehr bald wurden Wothe und Rot-Gretl vermißt. Es wurde Haussuchung vorgenommen. Die vielen Blutspuren ließen keinen Zweifel, daß beide Personen ermordet waren. Herbst wurde verhaftet. Er stellte mit voller Entschiedenheit die Tat in Abrede. Die heimlich in den Rhein geworfenen Leichenteile kamen jedoch zum großen Teil wieder zum Vorschein. Herbst wurde außerdem von der Frau, von der er die Handtasche gekauft hatte, mit Bestimmtheit wiedererkannt. Er war auch im Restaurant von mehreren Leuten beobachtet worden, als er der Rot-Gretl zurief: „Es kommt ja nicht heraus.“ Auf Grund dieser erdrückenden Beweise wurde er nach fünftägiger Verhandlung vom Schwurgericht in Mainz zum Tode verurteilt und mittels Guillotine hingerichtet.