Der Einsturz der Karlsbrücke in Prag

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Titel: Der Einsturz der Karlsbrücke in Prag
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 653, 674–675
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[653]

Die Karlsbrücke in Prag nach dem Einsturz am 4. September 1890.
Nach einer Momentaufnahme.

[674] Der Einsturz der Karlsbrücke in Prag. (Zu dem Bilde S. 653.) Namenlos ist das Unglück und furchtbar sind die Verheerungen, welche die entfesselten Wasserfluthen über einen Theil unseres Vaterlandes hinweg verbreitet haben; aus Sachsen, Schlesien, vom Rhein und von der Donau sind Unglücksposten über Unglücksposten zu verzeichnen; reiche Gefilde sind in Wasserwüsten verwandelt, kleine Bergflüsse zu vernichtenden Strömen angeschwollen, in deren Fluthen Menschen und menschliches Eigenthum begraben wurden; in der Schweiz und in Böhmen ist das Unglück nicht minder groß. Prag, die alte Königsstadt hat unter der Ueberschwemmung der Moldau entsetzlich gelitten, ganze Stadtviertel standen unter Wasser, die Bewohner hungerten, man konnte ihnen kaum die nothwendigstens Lebensmittel zuführen, und die Noth hatte ihre äußerste Grenze erreicht, als die Wasser endlich zu fallen begannen. Zu den schweren Schädigungen an Leib und Gut seiner Einwohner hat Prag aber auch den Verlust eines seiner berühmtesten Baudenkmäler zu beklagen, welches durch seine historische Vergangenheit als Wahrzeichen der welterschütternden Ereignisse, die sich in der Moldaustadt abspielten, wie durch seine Schönheit einen Weltruf besaß: die Karlsbrücke fiel am 4. September der Wuth der Elemente zum Opfer.

Drei ihrer Bogen liegen in den trüben Fluthen, und die weltbekannte Statue des Ignatius von Loyola mit den sie umgebenden Türken, Moren und Indianern ist im Bette des Stromes begraben. Das Ziel Tausender frommer Pilger, die Statue des heiligen Nepomuk steht zwar noch, aber es ist fraglich, ob dieses uralte Wahrzeichen Prags gerettet werden kann.

Seit Jahrhunderten trotzte die Karlsbrücke dem Toben der Moldau, den Eisgängen und den vielen Hochfluthen, die aus gewaltigen Quadern erbauten Bogen schienen für die Ewigkeit geschaffen. 1357 war der Grundstein gelegt, 1432, 1496 und 1784 verursachten die Wasser der Moldau, im Bunde mit riesigen Eismassen, theilweise Schädigungen der Brücke, die jedoch bald wieder beseitigt werden konnten.

Zu einer Länge von fast 500 Metern überwölbte die 10 Meter breite Brücke den Fluß und bildete die Hauptverbindung zwischen der Kleinseite, dem Haddschin und der Altstadt. An ihren beiden Enden recken massive gothische Thürme sich als Brückenköpfe trotzig empor, in deren Gemäuer die Kämpfe, welche im alten Prag Jahrhunderte hindurch ihren Schauplatz fanden, unvertilgbare Spuren eingegraben haben.

Auf den Pfeilern erhoben sich 30 Heiligenstatuen, von denen wir die des Nepomuk und des Loyola bereits erwähnen. Die erstere wurde 1683 von Rauchmüller in Regensburg nach Prokows Modell gegossen, und eine Marmorplatte in der Nähe der Statue bezeichnet die Stelle, wo man dem Wahrer des Beichtgeheimnisses am 20. März 1393 in die Moldau warf, nachdem er die grausamsten Folterqualen erduldet hatte; der [675] Mamorplatte schreibt man wunderthätige Heilung von mancherlei Gebreste zu, und Scharen frommer Wallfahrer pilgern alljährlich zu dieser Stelle.

Es ist noch zweifelhaft, wie viele Menschen durch den Einsturz am frühen Morgen des 4. September ihren Tod gefunden haben. Vorläufig weiß man von drei Todten. Der fünfte, sechste und siebente Bogen sind weggerissen, die Fundamentpfeiler aber scheinen unverletzt und ragen aus den Wellen empor.

Hoffentlich gelingt es, das zerstörte Bauwerk in alter Schöne wieder herzustellen und so der Stadt das nationale Symbol vergangener Herrschergeschlechter zu erhalten.