Der Hünenstein (Kämpchen)
[29] Der Hünenstein *).[1]
(Eine westfälische Volkssage.)
Vom Mechtenberg ¹)[2] der Hüne
Schloß einen Freundschaftsbund
Mit dem vom Tippelsberge ²),[3]
Die Sage gibt es kund.
Gelag’ und Kumpanei,
Doch auch zur Arbeit kamen
Gemeinsam sie herbei. –
Sie buken und sie brauten
Der eine bei dem andern,
Abwechselnd dort und hier.
Und mußten neu sie backen,
Derweil der Vorrat bar,
An dem die Reihe war. –
[30]
Er schürte dann den Ofen
Mit Scheiten klobig rauh
Und prüfte seine Hitze
Und war der Ofen fertig,
Zu heiß nicht und zu schal,
Dann gab der wack’re Hüne
Dem Freunde das Signal.
So wie es Roland pflog –
Er kratzte nur die Reste
Des Brotteigs aus dem Trog. –
Doch klang’ auch dieses Kratzen
Die Hünenkraft, die starke,
Gab ihm die rechte Weis’. –
Wie lauter Donner dröhnte
Weit, weit hinaus der Schall,
Auf seiner Burg den Hall.
Er wußte, daß der Ofen
Zum Einstich jetzt bereit
Und säumte nicht und brachte
So hatten sie seit Jahren
Zusammen treu geschafft,
Da kam der Tag, der böse,
Der alles fortgerafft. –
Jäh gab den Todesstoß –
Und war die Ursach’ nichtig
Die Wirkung sie war groß. –
Sie mußten wieder backen,
War auf dem Mechtenberge
Für diesmal Bäckertag. –
Hier regten sich geschäftig
Schon Herre und Gesind’,
Blies nicht derselbe Wind. –
[31]
Verdrießlich war der Hüne
Am Morgen aufgewacht,
Er hatte schwer gebechert
Noch lag’s ihm in den Gliedern
Wie Blei von dem Gelag’,
Doch mußte er sich rühren,
Weil heute Bäckertag. –
Ihm heut’ die Arbeit ging
Und trotz des vielen Schweißes
Doch der Erfolg gering. –
Daß ihm die Fäuste müde,
Und daß der Teig noch immer
Nicht fertig war im Haff. –
Und plötzlich hallt ein Dröhnen
Wie Donner durch die Luft –
Der ihn zum Einstich ruft.
Nun darf er nimmer säumen,
’s ist höchste Eile not,
Und ob der Teig nicht fertig,
Und wieder hallt ein Dröhnen,
Und stärker noch wie vor,
Schon ist der Hüne draußen,
Weit von des Schlosses Tor. –
In hundert Sprüngen ab,
Heut’ werden’s kaum noch fünfzig,
So läuft der Riese Trab. –
Noch nie zum Mechtenberge
Doch war die Eile nutzlos,
Wie er zu spät erkannt. –
Noch war der Teig nicht fertig,
Der Ofen nicht bereit,
Noch stundenlange Zeit. –
[32]
„Warum“, brüllt er im Grimme,
„Hast du mich so geneckt,
Und an dem Trog gescharret,
Nun ist mein Brot verdorben
Durch deine Schuld allein,
Warum gabst du das Zeichen
Lang’ vor dem Fertigsein?“ –
Daß fast das Zwerchfell platzt:
„Ich hab’, weil es mich juckte,
Die Rippen nur gekratzt. –
Sonst ist kein Laut gekommen
Wenn and’res du vernommen,
Was kann denn ich dafür?“ –
„Genug! Zu viel!“ Der Tippel
Hat’s heiser nur gestöhnt,
Daß laut die Halle dröhnt. –
Und wiederum in Sprüngen
Jagt er den Weg zurück,
Doch stößt ihm jetzt die Rache
Schon nah’ dem Tippelsberge,
Hemmt plötzlich er den Lauf,
Ein Felsblock liegt am Wege,
Er hebt ihn grimmig auf
Dem Hünen kracht’s Gebein,
Fort schleudert er in Lüften
Den ungeheuren Stein. –
Wär’ nicht sein Fuß gestrauchelt,
Dann weh’ dem Mechtenberger!
Das Unheil war’ ihm nah’. –
Es hätte ihn zerschmettert
Das riesige Geschoß,
Noch hart vor seinem Schloß. –
[33]
Das kündet uns die Sage –
Auch liegt am Wegesrain
Zu Ueckendorf noch heute
Still zeugt der Felsenriese,
Aus Tagen alt und grau,
Noch von den Enakssöhnen
In uns’rem Heimatgau. –