Der Herbst (Rudolphi)
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Der Herbst.
1775.
Des Frühlings Sänger sind entflohn,
Auch Freundinn Flora ist von uns gewichen,
Den fernen Wüsten klagt sie schon,
Daß gestern noch ihr jüngstes Kind erblichen.
Durch Feld und Wald, den Aufenthalt der Weste,
Bedeckt mit dürrem Laub den Fluß,
Und störet wild der Hirten Freudenfeste.
Beraubt des Schmucks ist jede Flur,
Und mütterlich beut die Natur
Mit grauem Haar uns schon den letzten Segen.
[65] Bald schlummert sie, und bald verhüllt
Der Winter sie im ernsten Flockenkleide,
Ein ödes Grab die holde Blumenweide! – –
So komm dann, kleines Saitenspiel,
An der verwaisten Buche sollst du trauern,
Das letzte Laub, das ihr entfiel,
Dort klage, bis der Lenz beginnt,
Bis Zephyrs Hauch die jungen Veilchen wecket,
Zum lauen Bach das Eis zerrinnt,
Die Liebe sich im Rosenhain verstecket.
Entflieht das Glück mit seinen Flittergaben:
Ein Hirte sucht der Freude Spur,
Wie tief sie auch der Winter mag vergraben.
[66] Der Musen edelstes Geschenk
Entflohner Freuden eingedenk,
Will ich die Winterflur mit Blumen streuen.
Was ist der Feen Wunderstab,
Was ist er sonst als diese Dichterleyer,
Und in der Brust dies schöpferische Feuer?
Die Fee spricht: es thürmt ein Schloß
Aus düstern Sümpfen sich in stolze Höhen,
Sie wills: es reißt ein Fels sich los,
Der Dichter spricht: der Winter flieht,
Der Lenz erwacht aus seinem Grabe wieder,
Ihm singt der Hain sein Feyerlied,
Ihm fährt der May, so bald er will, hernieder.
Den Grazien die ersten Rosen brechen.
Auch schaft er Götter groß und klein,
Fährt zum Olymp, und trinkt aus Nektarbächen.
Und was er sonst für Wunder schaft; –
Doch laßt die hohe Schöpferkraft
Der kleinen Hirtenleyer immer fehlen:
O, zaubert sie an meinen Herd
Zufriedenheit und unschuldsvolle Freude
Ihr Indien! besitz ich diese beyde?