Der Hexenritt
Ein Bergmann hat immer darüber gespottet,
wenn die Leute gesagt haben, die Hexen reiten nach
dem Brocken in der Walpurgisnacht. Öfter hat er
dann gesagt, wenn mir nur einmal solch ein altes
Thier in die Quere käme, ich wollte sie schmeißen,
sie sollte die Beine aufkehren! Was will denn solch
ein Gerippe von altem Weibe, das nur aus Haut
und Knochen zusammengesetzt ist, gegen unser einen?
Na, na, sagt oft die alte Nachbarin, die nebenan
gewohnt hat: „Napper, Napper, su wos lächtes iss
es doch net, sune Reiterin obzeschmeisen, nammt ich
an Wulperschohmd in Acht.“ Possen, nichts als
Possen, hat er dann gesagt. Ich will ihr’s schon
geben, daß ihr das Reiten vergehen soll. Darauf
hat die Alte geschwiegen.
Nun kommt der Walpurgisabend, den Abend wird knollig geschossen, es ist gewesen, als wenn der Feind angekommen ist. Mit Katzenköpfen, Flinten, Büchsen und Pistolen. Jedes hat sein Knalleisen an dem Abend tüchtig gebraucht, und je stärker daß es geknallt hat, desto mehr hat man sich darüber gefreut. Den Abend, es ist so gegen neun gewesen, muß der Bergmann anfahren, er hat Ordre gekriegt, im Schacht hat’s gebrochen, er soll dem Ausrichter helfen. Wie er nun auf die Bremerhöhe kommt, da kommt denn ein Schwarm alte Weiber angesaust durch die Luft; das ist ein Geschrei und Gejöhl gewesen, als wenn alle Teufel los sind. Eine kommt herunter, Stülpt den Bergmann um, er mag wollen oder nicht, und gleich auf ihn, und da geht’s durch die Luft fort hinter den andern her nach dem Brocken. Er kann kaum athmen, dabei ist das alte Weib so schwer, daß es ihm die Knochen fast eindrückt. Um elf kommen sie auf dem Brocken an, da wird er erlöst, sie steigt ab, und der Bergmann fällt halb todt auf die Erde. Da umzingeln ihn nun die andern Hexen und tanzen um ihn, und der Teufel ist auch dazwischen; dann richten sie ihn auf und fragen ihn, ob er nun schweigen könnte, oder ob er in Öl gebraten werden wollte. Wer will sich aber gern in Öl braten lassen; er sagt, er wolle nichts wieder sagen von den Hexen. Da spricht der Teufel, wenn er sich aber je ein Wort verlauten ließe, so wäre er ein Kind des Todes. Da oben haben die Hexen dann aber eine Schande getrieben, bas darf man gar nicht sagen. Wie’s nun so gegen zwölf hinkömmt, ba macht sich der ganze Schwarm wieder auf und die eine Hexe kriegt unsern Bergmann wieder her, setzt sich darauf und nun geht’s wie unsinnig durch die Luft und zurück bis nach der Bremerhöhe bei Clausthal. Auf der Stelle, wo ihn das Hexenweib gefaßt hat, da geht’s wieder nieder, und er ist frei. Ein paar Stunden hat er erst gelegen und hat sich erholen müssen, dann kriecht er langsam nach Haus. Seine Frau ist schon wieder aufgestanden und will eben fort in den Wald und eine Tracht Holz holen, als er nach Haus kommt. Ach Frau, sagt er, bleib da. Ich hab’ eine schlechte Nacht gehabt. Geh hinaus in die Küche und leg ein Bischen Holz in Ofen, ich habe geschwitzt, daß ich mich umziehen kann. Sie geht hinaus und thut’s. Da erzählt er dem Ofen sein Schicksal; feine Frau steht am Ofen beim Einheizen und hört’s. Kommt herein, sagt aber nichts. Eine halbe Stunde darnach kommt auch das alte Weib, die Nachbarin, und spricht: es wär’ sein Glück, daß er’s dem Ofen und keinem Menschen erzählt hätte, sonst sollte er sehen, wie’s ihm ginge. Da wissen sie, daß das eine Hexe gewesen ist. Die Frau geht hin und sieh, die infame Hexe wird verbrannt, da ist ihr gerade Recht geschehen.