Der Reichskanzler Fürst Bismarck
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geboren den 1. April 1815.
Am ersten April feierte einer der gewaltigsten Männer unserer Zeit, der treueste und bewährteste Rathgeber unseres Kaisers Wilhelm, der in Wort und That eisenstarke Kanzler des Deutschen Reiches, der umsichtigste und geschickteste Diplomat unter den Staatsmännern der Welt, Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen seinen dreiundsechzigsten Geburtstag.
Gehört die Wiederkehr des Geburtsfestes schon für jeden tiefer angelegten Menschen zu den Höhepunkten des Lebens, von wo aus man die Geschicke der vergangnen Jahre in der Stille des Gemüths vor den Augen des Geistes vorübergehen läßt, von wo aus man einen Rückblick auf die Vergangenheit und einen Ausblick in die Zukunft zu thun pflegt, um wie viel mehr muß am ersten April der Geist eines Bismarck das sturmbewegte und an Thaten reiche Bild seines eigenen Lebens von „Einst“ und „Jetzt“ sinnend betrachten, als eines Mannes, dessen Leben unzerreißbar mit der Geschichte dieses Jahrhunderts verknüpft ist, der in allen seinen Worten und Handlungen sich selbst nicht mehr angehört, sondern der das unverlierbare Eigenthum des deutschen Volkes geworden ist.
Aber sicherlich steht in solchen Geburtstagsbetrachtungen der im Drange des Lebens gestählte Fürst Bismarck nicht allein da, vielmehr haben sich um ihn an dem fröhlichen Festtage im Geiste Unzählige geschaart.
Auch unser Volksblatt, welches ja eine Stimme aus dem Volke für’s Volk sein will, fühlt sich gedrungen, am ersten April einen Augenblick vor dem Lebensbild des großen Mannes stehen zu bleiben, um gleich einem Wanderer zu überlegen, welchen Weg wir Deutsche unter dem kühnen Lenker unserer Staatsgeschäfte nach der Weisheit der Weltregierung Gottes zurückgelegt haben, und an welchem Punkte wir in unseren Tagen angelangt sind.
Freilich dieser Rückblick könnte uns bei einer Charaktergestalt, wie sie der Reichskanzler ist, verlocken, eine genaue Lebensbeschreibung zu geben, von welchen ehrenfesten Ahnen er abstammt, was er als Jüngling erstrebt, was er als Mann errungen hat, doch der Raum unseres Volksblattes mahnt uns, von dieser schönen Aufgabe abzusehen und uns mit einem kurzen Abriß des wechselvollen Lebens zu begnügen, um desto mehr das Wesentlichste und Wichtigste hervorheben zu können, was Fürst Bismarck unserem Volke gewesen, wie er der Träger unserer besten vaterländischen Gesinnungen, wie er der Schöpfer eines neuen Deutschlands geworden ist, das drei Grundfesten besitzt: Einheit im Volk, im Heere, einen Kaiser!
Die Geburtsstätte des deutschen Reichskanzlers liegt im Herzen der preußischen Lande, der Mark Brandenburg, in der Alt-Mark; sie ist der alte herrschaftliche Landsitz Schönhausen, seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts im Besitze des aus der Stadt Stendal stammenden Geschlechts der Bismarck. Von sämmtlichen Sprößlingen dieses Stammes, dessen ältester bekannter Ahnherr Herbod von Bismarck (um 1270) ist, weiß die Geschichte, daß in ihnen ein ähnlicher Heldengeist lebte, wie in dem mächtigen Reichskanzler, nämlich ein ungestümer Muth, der auch den Tod nicht fürchtet, eine zähe, echt deutsche Fürstentreue und eine selbstlose Hingabe an das Wohl der Mitmenschen und des Vaterlandes. Von seinem Vater, Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck, der sich in der Zeit der Befreiungskriege als patriotischer Mann auszeichnete und den Lützowern zu ihrer „wilden verwegenen Jagd“ viele Dienste gethan hat, erbte Otto den strengen Geist des Gehorsams und der Pünktlichkeit, von seiner Mutter, Luise Wilhelmine Menken, Tochter des Kabinetsraths des jungen Königs Friedrich Wilhelm’s III, einer sehr hübschen und reich begabten [106] Frau, erhielt er den Sinn für wahre Größe und Bildung des Herzens und Geistes. Die Geburt Otto von Bismarck’s fällt in das Jahr 1815, gerade in die Zeit, als der Wiener Congreß das „neue Deutschland“ als einen Bundesstaat, aus 38 kleinen Staaten bestehend, aufrichtete, den er nach einem halben Jahrhundert in Trümmer legen sollte.
Aus seiner Kindheit, in der er sich als einen muntern und zu jugendlichen Streichen stets aufgelegten Jungen bewies, mag angeführt werden, daß er zuerst die Plamann’sche Erziehungsanstalt, alsdann das Friedrich Wilhelm’s-Gymnasium zu Berlin besuchte, dessen Lehrer Bonnell beim Anblick des neu eintretenden Schülers dachte: „Ei, das ist ja ein nettes Jungchen, den will ich doch im Auge behalten.“ Bei der Versetzung dieses Lehrers an das Gymnasium zum Grauen Kloster trat der junge Otto in dieselbe Schule über, woselbst er, nachdem er von dem berühmten Theologen Schleiermacher eingesegnet worden war, im Jahre 1832 die Abgangsprüfung bestand. Der spätere Aufbauer einer glanzvollen Geschichte erhielt damals schon beim Weggang von der Schule über seine Geschichtskenntnisse ein sehr gutes Zeugniß. Als lustiger Bruder Studio bezog er die Universität Göttingen, weniger in den Hörsälen als auf den Fechtböden lebend, wo er mit dem Schläger alle Gegner siegreich bestand. Er machte mehr dem Universitätsrichter und seinem Pedell, d. h. Universitätsdiener, zu schaffen als den gelehrten Professoren, die er in ihren Studien und Vorlesungen wenig störte. Doch holte er in Berlin schnell Alles nach, was er versäumt, so daß er mit Ehren 1835 die Auscultatorprüfung bestand. Im nächsten Jahre wurde er Hilfsarbeiter an der königlichen Regierung zu Aachen und in Potsdam. 1838 trat er als Einjährig-Freiwilliger bei den Gardejägern daselbst ein und besuchte nach vollendeter Dienstzeit die landwirthschaftliche Akademie zu Eldena bei Greifswald in Pommern. Sein Vater übergab ihm dann die Verwaltung des ererbten Gutes Kniephof in Pommern. Hier tobte sich seine stürmische Jugend aus. Mit vielen seiner Kameraden, die, wie er, Landwehr-Offiziere geworden waren, führte er ein Leben, wie es die Studenten außer Diensten thun, wenn die goldene Zeit des Schwärmens allmählich vor dem herantretenden Alter des Mannesbewußtseins zu schwinden anfängt. „Kniephof ist Kneiphof geworden,“ sagten scherzend die pommerschen Bauern. „In Kniephof geht es toll her,“ jammerten die Tanten. „Noch lange nicht genug!“ soll Bismarck geantwortet haben.
Der Tod seines Vaters, der 1845 erfolgte, gab dem stürmisch dahinbrausenden Thatengeist Bismarck’s die nöthige Ruhe, da er durch ihn veranlaßt wurde, seinen Kniephof mit Schönhausen zu vertauschen. Dazu wurde er zum Deichhauptmann für eine große Strecke der Elbe und zum Abgeordneten der Ritterschaft des Kreises Jerichow für den sächsischen Provinzial-Landtag in Merseburg gewählt. Auch trat er 1847 in die Ehe mit Fräulein Johanna von Puttkamer. Alle diese Ereignisse bewirkten in seiner Gesinnung den Uebergang aus der unruhigen Sturm- und Drangzeit des Lebens zu dem gesetzten Mannesalter; er wurde aus dem „tollen Bismarck“, wie man ihn scherzweise allgemein nannte, der ruhig überlegende und mit Manneswürde schaffende Bismarck. Der Ernst der eintretenden Zeiten machte ihn auch ernst.
Eine neue Zeit war für Preußen und Deutschland gekommen; „freies Verfassungsleben und Einigung der deutschen Nation“ wurden die Losungen des Volkes; der König Friedrich Wilhelm IV. berief den vereinigten Landtag der Monarchie am 3. Februar 1847. Der Deichhauptmann Otto von Bismarck-Schönhausen betrat von jetzt ab seine politische Laufbahn; als Abgeordneter für die Provinz Sachsen bestieg er in dieser großartigen Versammlung die Rednerbühne. Was seinem Geiste in jener Zeit die Schärfe und seinen Worten die zündende Art verlieh, ist bei all’ seinen Reden und Thaten die Jahre hindurch stets dasselbe geblieben, nämlich glühende Liebe für die Person und den Thron des Königs, der Drang, die deutsche Nationalehre gegen jede Verkleinerung, von welcher Seite sie auch versucht wurde, zu schützen, und das Streben, die christliche Grundlage im Volksleben zu sichern. Diese Gedanken, wenn auch etwas leidenschaftlich aufgefaßt, gaben dem jungen Staatsmann den Muth, der Mehrheit des Landtags in größter Schroffheit entgegenzutreten. Da er sich aber stets auf geschichtliche Ueberlieferungen im Gegensatz zu den neu auftauchenden Gedanken über Volks- und Staatsleben berief, da er die ganze Macht seiner Persönlichkeit in die Wagschale legte, stand er selbst bei den Gegnern in großer Achtung, weil man ihn fürchtete. Auch in den heftigsten Kämpfen konnte man ihm diese Achtung nicht versagen, bis endlich die neueste Zeit der Wiederaufrichtung des deutschen Vaterlandes die politischen Gegensätze zwischen Conservativismus und Liberalismus in den wesentlichsten Punkten zum gemeinsamen Wirken für des Volkes Wohl ausgesöhnt hat. Im Jahre 1849 wurde Bismarck Abgeordneter für die zweite Kammer der Monarchie; am 20. März 1851 finden wir ihn in dem Unionsparlament zu Erfurt. Gar richtig faßt ein neuerer Beschreiber des Lebens unseres Reichskanzlers die politischen Grundsätze Bismarck’s von damals und jetzt in folgenden Worten zusammen: „Bismarck hatte unter den Kämpfen der Zeit auch in den deutschen Einheitsgedanken das edle Metall von den Schlacken unterscheiden gelernt; er hatte erkannt, daß ein großes vaterländisches Ziel nicht mit glänzenden Reden und Kammermehrheiten, nicht mit diplomatischen Kunstgriffen und militärischen Scheindrohungen erreicht werden könne, sondern daß dazu vor Allem der thatkräftige Wille und der Nachdruck einer wahren Macht nöthig sei. Darum wünschte er zuerst sein engeres Vaterland groß und mächtig zu wissen durch die Eintracht zwischen König und Volk und durch ein starkes, waffenbereites Heer, um durch [107] Preußen das gesammte Deutschland zu Macht und Ansehen erhoben zu sehen.“
Doch um diese Gedanken ausführen zu können, war es nöthig, daß Bismarck noch durch eine ernste Schule des Lebens ginge, daß er die staatsmännische Tüchtigkeit im Verkehr mit den Diplomaten und im Umgang mit den Gewaltigen der Erde, den gekrönten Häuptern, erlernte. Er sollte vor allen andern deutschen Volksmännern hiezu die mannigfachste Gelegenheit finden. Stellen wir kurz zusammen, in welchen Rahmen das Bild des diplomatischen Lebens Bismarck’s gefaßt ist.
König Friedrich Wilhelm IV. belohnte die Verdienste seines unerschrockenen brandenburgischen Edelmannes durch das große Zutrauen, mit welchem er ihn zum Gesandten Preußens am Bundestag in Frankfurt a. M. berief; dort konnte Bismarck den jämmerlichen „Deutschen Bund“ gründlich durchschauen. Während der sieben Jahre, in denen er diese Stelle bekleidete, erhielt er viele wichtige politische Aufträge, die ihn überall hin brachten. So reiste er nach Wien, Ofen, Pesth; er kam oft in die süddeutschen Hauptstädte, nach Paris, nach Kopenhagen und nach Schweden. Wo er erschien, besah er nicht bloß die Gegenden und Paläste, sondern er prüfte die Gesichter der Regenten und Minister und that auch manchen tiefen Blick in ihre Gesinnung, in ihre Zu- und Abneigung gegen Preußen.
Im Jahre 1859 wurde er zum Gesandten in St. Petersburg ernannt; an seinem Geburtstag, am 1. April, stellte er sich dem Kaiser Alexander vor. An dem russischen Hofe vervollkommnete er seine Gaben als Staatsmann, Diplomat und königlicher Botschafter. Am 24. Mai 1861 berief ihn König Wilhelm I., der auf den geistesmächtigen Mann schon längst ein wohlwollendes Auge gerichtet hatte, zum Gesandten in Paris; dem damals gefürchtetsten Manne der Welt, dem Kaiser Napoleon III., gegenüber sollte er die Interessen Preußens und Deutschlands vertreten. Nachdem er diesem klugen Machthaber oft in’s Auge gesehen und mit ihm die gewichtigsten Unterredungen geführt, von denen Krieg und Frieden in Europa abhingen, rief ihn sein König im September 1862 durch den Telegraphen aus den Pyrenäen, wo Bismarck sich gerade aufhielt, in die preußische Hauptstadt, um als Minister-Präsident die Leitung der Staatsgeschäfte in einer ernsten, schweren und in vieler Beziehung sehr dunkeln Zeit zu übernehmen. Was aus diesem preußischen Minister-Präsidenten geworden ist, das weiß jedes Kind im deutschen Volke. Der Strom der Weltgeschichte hat des brandenburgischen Edelmannes Lebensschiff auf immer höhere Wege geführt, er selbst wurde unter dem Zujauchzen des Vaterlandes von dem König und Kaiser zuerst in den Grafenstand, alsdann in den Fürstenstand erhoben. Durch die großartigen Erfolge, welche seine Politik für Deutschlands Ehre und Einigung errang, wurde aus ihm, dem preußischen Minister-Präsidenten, am 14. Juli 1867 der Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes und am 21. März 1871 der Reichskanzler des Deutschen Reichs. Während des letzten Krieges, aus dessen Blutarbeit das neue Deutsche Reich erwuchs, hatte der Soldatenkaiser Wilhelm den früheren Landwehr Kavallerie-Major bis zum Generallieutenant befördert.
Was ist es nun, weshalb der Kaiser seinen Bismarck mit Ehren über Ehren überhäufte, weshalb der einst noch nicht erkannte und oft mißverstandene Minister-Präsident von Preußen jetzt als Reichskanzler der populärste Mann in Deutschland ist, weshalb muß am 1. April jeder wackere Deutsche mit unserem Bismarck die Freude theilen? Beantworten wir diese Frage mit den schönen Versen des deutschen Dichters Julius Sturm, die er dem Fürsten Bismarck widmet:
Ein morsches Land hielt uns zum Schein verbunden;
In Wahrheit hatten feindliche Gewalten
Uns längst getrennt, zerrissen und gespalten,
Und innere Zwietracht ließ uns nicht gesunden.
Wir schlugen selbst uns immer tief’re Wunden,
Bis wir dem droh’nden Feind als Spott nur galten;
Nun, wenn wir zornig uns’re Fäuste ballten,
Geschah’s nur, uns’re Ohnmacht zu bekunden.
Da kamest du, da kam in dir ein Retter,
Du Mann, deß sprüh’nder Geist sich kühn bemeistert
Der Zeit, energisch wahr und welterfahren!
Dein klares Auge sah die droh’nden Wetter
Und dir gelang’s, für Deutschlands Macht begeistert,
Um ein Panier das ganze Volk zu schaaren.
Ja, was die Sehnsucht des deutschen Volkes seit Jahrhunderten gewesen, was der Dichtermund besungen, was der Jugend als der schönste Traum vorschwebte, es ist durch Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck zur That geworden: Wir haben ein einiges deutsches Vaterland.
Es war eine eigenthümliche Fügung Gottes, daß Bismarck gerade in der Zeit geboren wurde, als der Wiener Congreß Deutschland eine Neugestaltung gab, welche das Grab für dessen Einheit und Macht werden mußte, und die Alle, welche in jener schweren Zeit der Befreiungskriege in opferfreudiger Hingebung und Treue zur Wiedererhebung des Vaterlandes mitgewirkt hatten, nur mit Wehmuth erfüllte. Er sollte als Retter von Deutschlands Ehre in der Zeit in’s Leben treten, als fremdländische Eifersucht Deutschland nahm, was ihm gebührte. Es war ein Heil und Glück in sich bergender Gedanke Friedrich Wilhelm’s IV., Bismarck als Gesandten nach Frankfurt a. M. zu senden, damit er die Schattenseiten des Bundesstaates mit eigenen Augen erkennen konnte, wie dieser anstatt eine feste Form „eines freien Reiches aus dem ureigenen Geiste des deutschen Volks zu sein“ nur eine Scheingröße war, der Heerd immerwährender Eifersucht zwischen den beiden Hauptmächten Preußen und Oesterreich, eine unbewachte Feste, jedem Feinde geöffnet, der entweder mit dem Schwerte in der Hand herannahte oder mit den Listen der Politik die deutschen Herzen [108] bethören wollte. Bezeichnend für das wachsame Auge und den klaren Verstand des Bundestagsgesandten Bismarck ist folgende Geschichte aus dem Jahre 1854, deren Erzählung wir uns nicht versagen können. In München hielt ein österreichischer General eine Parade ab, zu der viele fremdländische Offiziere im höchsten Ordensschmuck erschienen waren. Als der General den Gesandten Bismarck in der preußischen Landwehrlieutenantsuniform und mit sämmtlichen, namentlich süddeutschen, Orden auf der Brust sah, wollte er ihn, als den Vertreter Preußen’s, das in der damaligen Zeit sich zum Kriege nicht entschlossen hatte, verhöhnen, in dem er ihn fragte, auf die Orden weisend: „Schaun’s, Excellenz, alle vor’m Feind erworben?“ – „Ja wohl, Excellenz“, gab Bismarck kalt und treffend zur Antwort „alle vor’m Feinde, alle in Frankfurt am Main.“
„Ich sehe in unserem Bundesverhältniß ein Gebrechen Preußens, welches wir früher oder später ferro et igni, d. h. mit Feuer und Schwert heilen müssen“, zu dieser Erkenntniß kam Bismarck, er bekämpfte die Bundesverfassung, die nichts ist als ein Treib- und Bewahrungshaus gefährlicher und revolutionärer Sonderbestrebungen“. Nachdem er dem Bunde den Garaus gemacht hatte, forderte er im Norddeutschen Bunde die Männer des Volkes auf: „Liefern wir den Beweis, meine Herren, daß Deutschland in einer sechshundertjährigen Leidensgeschichte Erfahrungen gemacht hat, die es beherzigt, daß wir die Lehren zu Herzen genommen haben, die wir aus den verfehlten Versuchen von Frankfurt und von Erfurt ziehen mußten!“
Es war von der Vorsehung Gottes so gefügt, daß Bismarck den Mann durchschauen durfte, der der Hauptfeind der deutschen Einigkeit war, Napoleon III. je öfter dieser ihm die Berichtigung der Rheingrenze zum Nachtheil Deutschlands vorzuschlagen sich erkühnte, um so heiliger wurde Bismarck der Grundsatz seines königlichen Herrn, daß kein Fuß breit deutscher Erde verloren gehen, und daß ebenso kein Titel deutschen Rechts geopfert werden sollte.“
Seine Worte hat Bismarck eingelöst durch seine Thaten, freilich nach einer strengen Regel, die er als den ihm aus eigener Lebenserfahrung gewordenen Grundsatz in Berlin auszusprechen wagte: „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Blut und Eisen!“
An des Reichskanzlers Ehrentag, am 1. April, wünschen wir vor Allem, daß der allmächtige Gott ihm die Gesundheit wieder schenken möge, welche jetzt in Folge der vielen und schweren Arbeiten für Kaiser und Reich stark erschüttert ist. Möge er in der Vollkraft der Gesundheit das noch für des Vaterlands Ausbau wirken können, was das deutsche Volk von keinem Andern besser erwarten kann! Oscar von Redwitz hat’s gar schön im Lied besungen:
„Nicht wüßt’ ich wo noch schärfern Geistes Spaten,
Um einst auf neuen Reiches Boden
Jedwede Schwäche grünlich auszuroden.
Der König bist du aller Diplomaten!
Und warst du uns’rer Einheit Bannerträger.
Werd’ jetzt auch uns’rer Freiheit Hort und Pfleger!“
Hieran schließen wir einen zweiten Wunsch.
Schon während des russisch-türkischen Krieges war es für jeden deutschen Mann ein erhebendes Schauspiel, zu sehen, wie alle Völker Europa’s mit ihren Fürsten und Ministern auf den großen Reichskanzler blickten mit der Frage, was denkt dieser Gewaltige, was wird der thun? Auf die Rede, welche derselbe im Februar im Reichstag gehalten, lauschte die ganze gebildete Welt. Die Lenker der europäischen Staaten wollten sich dann einigen, zu einem Congreß zusammenzutreten, um die orientalische Frage zu berathen und zu ordnen. Es war ihr Wunsch, unter dem Vorsitz des „Königs aller Diplomaten“, des Reichskanzlers Bismarck, in der Hauptstadt des Deutschen Reiches zu tagen, von seiner Vorsicht und Klugheit erwarteten sie ein ersprießliches Ergebniß ihrer Besprechungen. Ob der Congreß zu Stande kommen wird, ist nun aber fraglich geworden. Sollte es auch nicht der Fall sein, sollten des Krieges Schrecken von Neuem beginnen, immerhin ist der Gedanke für jeden Deutschen erfreulich gewesen: Unter des deutschen Reichskanzlers Vorsitz will Europa seine Händel schlichten. Sollte aber der Congreß doch noch zusammentreten, dann möchten wir dem Manne, der schon so viele Weltfragen beantworten geholfen hat, wünschen, daß er die Mächte wirklich dahin bringt, die orientalische Frage zum Frieden Europas zu lösen – doch ohne Blut und Eisen!