Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 1 Kapitel 39
Dieweil bißhero gespüret / das unter dem Behelff des schrifftlichen Processes / allerhand Gefährlichkeit von den Partheyen / insonderheit dem Beklagten Theil / gesucht worden / so sol es hinfüro / vermöge gemeiner Käyserlichen Rechte gehalten werden / also / das Anfänglich der Kläger seyn schriftlich Klag-Libel gedoppelt eines Lauts Gerichtlich einbringe / und das Gegentheil / auff vorhergehende Erlaubnüß des Worthaltenden Bürgermeisters / darzu Citiren lasse / davon sol das eine Libel dem Beklagten zugestellt / und ihm / nach wichtigkeit der Sachen / ein oder zwo Monats-Frist / durch ein gerichtlich Interlocut gegeben werden / seine Einrede und Exceptiones dagegen gedoppelt schrifftlich vorzubringen / und sollen in sodaner Schrifft / alle Dilatorien und Declinatorien, so er Rechtswegen [126] wegen einige zu haben vermeynete / auff einmahl vorgebracht / und auff den eventum, da solche Exceptiones Unerheblich erkandt werden solten / allezeit der Kriegs Rechtens bestettigt werden. Solcher gedoppelter Exception-Schrifft / sol die eine dem Kläger wiederümb werden behändigt / dawider in angesetzter Zeit zu repliciren, und sol er in sodaner Replic zum Urtheil beschliessen.
Gleicher gestalt sol auch der Beklagte auff die Replica, die ihm / wie oben von den Producten vermeldet / zu zustellen ist / in benandter Frist keine Duplicam einlegen / und damit Urtheil beschliessen. Und sollen über diese Zahl keine weitere producta, ohne vorgehende Gerichtliche Erkäntnüß / angenommen werden.
Würde es sich auch begeben / das jenig Theil seine Schrifft in angesetzter Zeit nicht würde einbringen / darauff mag das gehorsame Part desselbigen Ungehorsam beschüldigen / und sol damit gehalten werden / wie in der Gerichts-Ordnung sub Titulis 15. & 16. Von Ungehorsam des Klägers und Beklagten / etc. verordnet / es were dann / das derselbe / welcher des Ungehorsams beschüldiget / dilation erlangt / welche ihm der Rath / aus erheblichen billichen Uhrsachen zuertheilen wil vorbehalten haben / jedoch das sodane dilation aus billichen Bewegnüssen offenbahr vor dem Rathe / in Gegenwärtigkeit seines Gegentheils / welchem seine Einrede wider die gesuchte dilation vorzuwenden sollen unbenommen seyn / gebeten und erlangt werde. Und da vielleicht / wegen ohnvermuthlicher Verhinderung [127] / solche dilationes in den Ferien extrajudicialiter, oder bey den Worthaltenden Bürgermeistern / gebeten werden müsten / sol nicht desto weiniger alsdann auff nechstfolgenden Gerichts-Tag / solch Suchen Gerichtlich wiederholt werden / und nach angehörter des Gegentheils Einrede / so er einige fürzuwenden / darauff ergehen was Recht ist.
Da dann nach beschlossener Sache / die vorgewandte dilatorien oder declinatorien Erheblich befunden / und Beweises nöthig sein würde / den sol das Part / dem der Rath den Beweiß aufferlegt / vor des Raths darzu verordneten Commissarien führen / also / das der Zeugenführer erstlich übergebe seine Beweiß-Articul / sampt den Namen der Zeugen / und dann die verordneten Commissarien beyden Theilen einen Tag benennen / darzu die Zeugen laden / und in Gegenwärtigkeit beyder Parten schweren lassen / so des Zeugenführers Gegentheil Fragstücke übergeben wolte / dieselben annehmen / und ferner darauff mit dem Examine und Verhörung der Zeugen verfahren und handelen / als in der Gerichts-Ordnung sub Titulo 28. Von Beweisung mit lebendigen Kundschafften / etc. bestimmet.
Sodane Zeugnüß / wann sie von den Commissarien unter ihren Insiegeln überantwortet / sol in acht Tagen nechstfolgende (wofern keine Ferien einfallen) eröffnet / und den Partheyen davon beyderseits Copeyen zugestellet werden / und sol des Zeugenführers Gegentheil alle seine [128] Exceptiones dagegen in benandter Zeit / in gedoppelter Schrifft Gerichtlich einbringen / und zum Urtheil beschliessen / davon die eine Schrifft dem Zeugenführer zugestellet werden sol / der in angesetzter Frist seine geführte Zeugnüß / so viel er des zu Rechte befugt / justificiren, und damit gleichergestalt zum Urtheil replicando beschliessen sol.
Wann aber die eingekommene dilatorien und declinatorien Unerheblich erkandt werden / sollen beyde Theil innerhalb acht Tagen vor den Rath kommen / und daselbst den Eyd vor Gefährde / Juramentum Calumniae genandt / leisten / würde sich desselben jenig Theil weigeren / so es der Kläger ist: Sol der Beklagte von angestalter Klage loß gezehlet werden / were es aber der Beklagte: So wird er der Klage überwunnen und überweiset billig gehalten / und darauff condemnirt, wie in der Klage gebeten.
Nach geleistem Eyde vor Gefährde / sol der Kläger seine Positional Articul innerhalb angesetzter Zeit / Gerichtlich in gedoppelter Schrifft übergeben / deren eine der Beklagte zu empfangen / und darauff in praesigirter Zeit seine Responsiones, vermittelst gethanen Eyds / durch das Wort / Glaub war oder nicht war / und dann zugleich seine Defensionales gedoppelt einzubringen schüldig seyn / davon dem Kläger eine Schrifft verreichet und aufferlegt werden sol / in benandter Zeit darauff gleichermassen / mittelst des geschwornen Eyds vor Gefährde / durch das Wort / Glaub war oder nicht war / zu antworten. [129] Welche Articul der Beklagter in seinen Responsionibus verneinet / die ist der Kläger schüldig zubeweisen / in Zeit als in der Gerichts-Ordnung / sub Titulo 28. Von Beweisung mit lebendigen Kundschafften / Articulo 14. bestimmet / gleicher massen / was der Kläger in des Beklagten Defensional-Articuln verneinet / das ist der Beklagter schüldig in derselben Frist zubeweisen / und ausfündig zu machen / und sol in Volführung sothanes Beweises procediret werden / wie zuvor von Beweisung der dilatorien und declinatorien verordnet / und in der Gerichts-Ordnung weiter versehen.
Und wann die Zeugnüß / als vorberührt / geführet / sollen die Commissarien / vor denen es geschehen / dieselbe unter ihrem Siegel dem Rathe überantworten / und es wil der Rath dieselben in acht Tagen (wo fern keine Ferien einfallen) eröffnen / und beyden Parten Abschrifft davon folgen lassen.
Hätte dann der Beklagter gegen des Klägers Zeugnüß zu excipiren, oder auch der Kläger gegen des Beklagten Gegenbeweiß / im fall einiger geführt were / excipiendo vorzuwenden / das sol in praefigirter Zeit Gerichtlich beyderseits in gedoppelter Schrifft übergeben werden / wie dann auch der Kläger wider des Beklagten Exceptiones, und der Beklagte wider des Klägers Exceptiones, so gegen seinen des Beklagten Gegenbeweiß eingebracht / beyderseits Zeugnüß und Beweiß zu salviren, ihre Replicken innerhalb angesetzter Zeit Gerichtlich einbringen / und damit [130] zum Urtheil beschliessen sollen / und keinem Theil verstattet werden / über angerührte zwo Producten /ohne Gerichtliche Erkäntnüß etwas mehr einzubringen. Da auch die Partheyen mit sothanen Producten zum Urtheil nicht beschliessen würden / wil doch ein Rath die Sache für beschlossen halten / und darauff mit Rechtlicher Erkäntnüß verfahren.
Da aber etwas neues in der Sache / vor oder nach beschehenem Beschluß / vorfallen / und solches der eine Theil mit seinem Eyde betheuren möchte / sol ihm solches in Schrifften fürzubringen / und in fall da beschlossen / rescissionem conclusionis zubitten ohn benommen / sonder vorbehalten seyn / auch darauff erkandt werden was Recht ist.
Wann nun in der Sachen / wie ob erzehlt / beyderseits beschlossen / wil ein Rath in vier / oder da die Acten Weitläufftig in sechs Wochen / nach dem in der Sachen beschlossen / alle eingekommene Acten durch zween darzu deputirte Commissarien in Gegenwärtigkeit der Partheyen / durch den Protonotarium revidiren, rotuliren, und auff eine Unpartheysche Juristen Facultät ümb Rechts Belehrung / auff der Partheyen gleichmässigen Kosten / verschicken / und so bald die Acten neben der Urtheil / wieder anhero werden gebracht (es were dann in Zeit der Rechtschliessung) das Urtheil publiciren; damit sich niemand unbilligen Verzugs zubeklagen haben müge.
Anmerkungen (Wikisource)