Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 2 Kapitel 20
Es sol nach diesem Tage kein Zimmer- oder Maur-Meister / Tischer noch Steinmetzer / ein Gebäu zuverfertigen sich unterstehen / es seyn dann zuvor die Caspelherrn[1] / sampt des Raths Zimmer- und Maurleuten darbey gewesen / und haben ihnen die gewöhnliche Speermasse gegeben; thut jemand von den Zimmer- und Maurmeistern / Tischern und Steinmetzen dagegen / der sol dieser Stadt Wohnung verlustig seyn.
Darumb sol ein jeder / der bauen wil / ehe dann er sein altes Gebäude niederbricht / oder das neue anfahet zu bauen / sich bey einem der Worthaltenden Bürgermeister angeben / und begehren / daß die Caspelherrn / [276] neben des Raths geschwornen Zimmer- und Maurleuten bey sein Gebäude gehen mügen / und ihm eine rechtmäßige Speermasse geben / darnach er sich in seinem bauen zu richten habe.
Da aber jemand von den Caspelherrn / und den geschwornen Zimmer- und Maurleuten eine Speermasse gegeben wäre / und derselbige sich deroselben im bauende nicht würde gleichmässig verhalten / und darüber geklagt würde / sol demselben / der solch Gebäude verfertiget / sein Arbeit verbotten / und nach Gelegenheit der Verbrechung / andern zum Abscheu / von dem Rathe ernstlichen gestraffet / und das Gebäude in den rechtmässigen Standt wieder gebracht werden.
Wer eine Außlucht[2] gegen die Strassen bauen lassen wil / dem sol eine Elle außzufahren gegönnet werden / und nicht mehr; nach dem Wasser aber sollen zwo Ellen / mit den Löven außzufahren nachgegeben werden / so fern es das Ort / da gebauet werden sol / bequemlich erleiden wil. Rücket und fahret jemand ferner heraus / der Zimmermann / Tischer / oder Steinmetzer / der die Außlucht gebauet / sol in Poen zehen Reichsthaler verfallen seyn / und [277] hätte er dieselbe nicht zubezahlen / sol ihm sein Ampt so lange gelegt werden / biß er die bezahlet / oder er sol in der Fronerey viertzehen Tage mit Wasser und Brodt gestraffet werden. Also sol es auch gehalten werden mit den alten Außluchten / wann die nieder gebrochen / und von neuen wieder gebauet werden sollen.
Wann einer sich über seines Nachbahrn Gebäude beschweret / sol derselbe bey dem praesidirendem Bürgermeister anhalten / daß den beyden ältesten Caspelherrn müge befohlen werden / neben des Raths geschwornen Zimmer- und Maurleuten sich dahin zuverfügen / und das Gebäude in den Augenschein zu nehmen / und da sich die Sache also befindet / daß dem Manne der da bauen wil / solch Gebäude nicht kan zugelassen werden / so sol es ihm von gedachten Caspelherrn verbotten werden. Bauet er aber über Verbott / das sol er wetten mit zwantzig Thalern / und das jenige / was er über Verbott gebauet hat / sol er wieder abbrechen / und wann solches geschehen / so sollen die beyde für Gericht kommen / und allda nach abgehörter / ihrer beyderseits Nothdurfft / mit Urtheil und Recht / so fern die Güte nicht zulangen wil / unverlängt gebührlich entscheiden werden.
[278]Hat ein Mann ein Hauß in dieser Stadt / das nicht Keller tief gemauret ist / wil er das Keller tief mauren lassen / dar sol ihm sein Nachbahr / der bey ihm gelegen ist / zu helffen / und halb bezahlen was das kostet / es wäre dann / daß derselbe bereits eine Maure besonders hätte / die Keller tief wäre. Da auch jemand bauen wil auff seine Stätte / und wil dar eine Maure legen / dar vorzeiten keine Maur gewest ist / dar sein Nachbahr eine Wort bey hat / oder ein Hauß das nicht Keller tieff ist / dem sol sein Nachbahr auch helffen / wie vorgeschrieben stehet. Wil auch einer ein Steinhaupt bey das Wasser legen / dar sol ihm sein Nachbahr den Ortpfeiler mit zuhalten schüldig seyn / so fern er den selbigen mit gebrauchet / wäre es aber / daß derjenige / der also mit dem andern bauen müste / es nicht vermöchte / so sol derjenige / so bauen wil / das alleine mauren / und der ander sol ihm so viel Rente in sein Erbe schreiben lassen / nach unserm Stadt-Rechte / als das halb gekostet.
Wor einer seine Pfäle gehabt / dar mag er sie wieder setzen / wann er was neues zu bauen fürhabens ist; wil er aber für die Pfäle ein Steinhaupt setzen / sol ihm eine Elle außzufahren gegönnet werden / so [279] fern das Wasser so breit / daß es dasselbe erleiden kan; ist aber das Wasser nicht so breit / sol eine halbe Elle außzufahren gestattet werden.
Hat jemand auffschlagende Fenster an der Gassen / oder an dem Wasser / die vor seines Nachbahrn Hauß oder Giebel schlügen / oder auch stehende Fenster in Höfen oder dergleichen Plätzen / die mag sein Nachbahr ihm wol zubauen / es wäre dann / daß jenig ander Schein und Beweiß dagegen verhanden. Es mügen aber die stehende Fenster / dem Nachbahr zu Verdrieß / mit Brettern alleine nicht zu gekleidet werden. Da auch jemand auffschlagende Fenster in Hofräumen / oder andern Plätzen / in ruhigem Besitz hätte / mügen dieselben ohne dessen Willen / der sie hat / ihm nicht zugebauet / noch die Luft verbauet werden. An dem Ort aber / da keine Fenster zuvor gewesen / mögen ohne Bewilligung des Nachbahrn keine gemacht werden.
Auch sol hinfürder niemand zur Gassenwerts von untern aufbauen / und weiter außfahren / dann der Giebel forne stehet / so sol auch keiner einige Keller / Boden / und andere Klevelappen[3] mit Thüren / [280] Riegeln und Schlössern unter den Außluchten und Giebeln bewehren und vorzubauen lassen / sondern alleine so weit / als die rechten Haußlegeden und Giebeln mit den Nachbahrn überein kommen / die Anweisung thun. Es sollen auch alle Klevelappen / so itzo verhanden / abgeschaffet werden. Wie dann auch alle Außluchte sechs Füsse von der Erde erhoben werden sollen.
Wann einer einen Trüpffenfall[4] / Abzug oder Gerechtigkeit hat in eines andern Hofe oder Platze / ist er billig / dabey zuschützen / und wil der Nachbahr da beneben bauen / so sol er so fern davon bleiben / als das Lot von der Trüpffenfall mit sich bringet / darmit der Nachbahr an seiner Gerechtigkeit unverkürzet bleibe.
Plancken zwischen Höfen / Platzen und Löven / halten beyde Nachbahrn gleich / als ihnen solches zum besten gelegen / und die Billigkeit erfordert zu einer guten Befriedigung.
Wann Nachbahrn keine Brandt-Maure zusammen halten / hat billig ein jeder seine eigene Wandt zu seinem Hause.
[281]So sollen auch keine Privet auff den Löven / besondern zwischen eines jedes Pfälen und Steinhäupten künftig gesetzt werden. Heimliche Gemächer in Höfen und Plätzen / sol ein Nachbahr dem andern hernacher näher nicht / dann auff eine Elle bey seine Brandt-Mauren / Wandt / oder Raume / legen und bauen / bwie dann auch ausserhalb Thores die Schweinekaven / eine Elle in dessen Hofe / dar sie gebraucht / sollen gelegt werden.
Es sol auch niemand nach diesem Tage verstattet werden / vor seinem Hause / dar ein Steinern Giebel gestanden hat / einen Höltzern Giebel zu bauen. Auch sol niemand hinter noch vor seinem Gebäude / Steinerne Giebel / auff Höltzerne Pfeiler setzen / umb Gefahr willen / so fromme Leute / die in Feuersnöhten jederman zu helffen gutwillig / daraus besorgen müssen / bey Poeen drey Marck Silbers. Würde auch jemand hinter oder vor sein Hauß einen Steinern Giebel bauen / da vorhin ein Höltzern Giebel gestanden / dem sollen aus dem gemeinen Gute zwey tausend Maurstein / und ein Wißpel Kalck gegeben / und ohne Beschwernüß gelieffert werden / dar auch eine Steinerne Maure stehet / sol man kein Stenderwerck in die Stette setzen / bey gleicher Poen, wie oben außgedruckt / [282] auch sollen alle Brauhäuser / so bißhero Höltzern Giebele gehabt / wann jemand dieselbe abbrechen muß / hinführo mit Steinern Giebeln versehen werden / bey ebenmässiger Peen / dreyer Marck Silbers.
Wann einer zu bauen geneigt / oder auch sonsten befindet / daß ihm seines Nachbahrn Erbe zu nahe ist / oder auff seinem Erbe lieget / sol er mit zweyen Erbgesessenen Bürgern / seinem Nachbahrn lassen anmelden / daß er ihm wolle weichen / und sol darauff der Nachbahr schüldig seyn / sich mit Kalck und Stein zu versorgen / und nach Verlauff Jahrs und Tags zu weichen. Rönnen mügen Nachbahrn zusammen halten / so lange es ihnen beyderseits beliebet / wann es aber einem / von beyden / länger nicht gelieben wird / sol ein jeder seine eigene Rönne halten.
Anmerkungen (WS)
- ↑ Ratsherr, der dem Kirchspiel (Kaspel) zugeordnet war
- ↑ befensterter Vorsprung aus der Gebäudefront als Teil des Innenraumes, siehe Artikel in der Wikipedia
- ↑ Ein schlecht angebautes, angeflicktes Stück am Hause, Siehe DW: Klebeläppchen
- ↑ Tropfenfall di. Dachtraufe oder Traufrecht (Adelung)