Der Tod der Kaiserin von Oesterreich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Tod der Kaiserin von Oesterreich
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 655–655
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[655]

Der Tod der Kaiserin von Oesterreich.

Die Stelle, an welcher die Rhone mit raschen Fluten dem Genfersee enteilt, ist mit einer herrlichen, 260 Meter langen und 16 Meter breiten Brücke, dem Pont du Montblanc, überspannt. Sie bildet sozusagen den Mittelpunkt des Fremdenverkehrs der Stadt Genf. Links von ihr erstreckt sich der schöne „Englische Garten“, rechts aber liegt der Quai du Montblanc. Weit und breit ist er seit langer Zeit berühmt, denn von ihm bietet sich über die blaue Fläche des Sees ein prachtvoller Ausblick auf die mit Schnee und Eis bedeckte, hoch zum Himmel emporragende Montblanc-Kette. Am Ende dieses Quais erhebt sich das großartige „Monument Brunswick“. Die Stadt Genf hat dieses Denkmal dem Herzog Karl II von Braunschweig errichtet, aus Dank, daß er sie zur Erbin von etwa zwanzig Millionen Franken eingesetzt hatte. Zwei riesige Löwen aus gelbem Marmor bewachen den Aufgang zu der gewaltigen Plattform, auf der das Denkmal in drei Stockwerken sich emportürmt.

Situationsplan.

Jenseit desselben erstreckt sich als Fortsetzung des Quai du Montblanc der Quai des Pâquis, an dem der Kursaal liegt. Hier springt das Ufer in den See vor und der Vorsprung ist mit schönen Anlagen und Alleen geschmückt; längs dieses prächtigen Ufers befinden sich die Landungsstellen der Dampfer. Tagaus tagein flutet hier ein bunter Verkehr und entfalten sich Bilder frohen Lebens. So ist die Stätte beschaffen, an welcher am 10. September dieses Jahres die schauerliche Mordthat vollbracht wurde, welche in der gesamten Welt Entsetzen und tiefste Wehmut hervorrief.

Kaiserin Elisabeth von Oesterreich hatte von Caux aus, wo sie seit Ende August dieses Jahres zur Kur weilte, einen Ausflug nach Genf gemacht und war im Hotel Beaurivage abgestiegen. Das schmucke Haus, aus dessen Fenstern sich ein prächtiger Blick über den See und die am Berge aufsteigende Stadt darbietet, liegt, wie unser Situationsplan zeigt, an der Ecke des Quai des Pâquis und der Rue A. Fabri, dem Braunschweig-Denkmal gegenüber. Am 10. September gegen 1/22 Uhr nachmittags verließ die Kaiserin das Hotel, um nach Caux zurückzukehren. Sie begab sich zu Fuß nach der Landungsstelle des Dampfers am Quai du Montblanc (A). Sie ging, wie die punktierte Linie auf unserem Kärtchen es andeutet, in Begleitung der Gräfin Sztaray bis zum Denkmal des Herzogs Karl II von Braunschweig, überschritt hier den Fahrweg und betrat die Allee, die vom Seeufer durch ein Eisengittcr getrennt ist. Gegenüber dem Hotel de la Paix lauerte, an einen Baum gelehnt, der Mordbube Luccheni auf sein Opfer. An der Stelle, die auf unserer Skizze mit B bezeichnet ist, überfiel er die Kaiserin und führte den tödlichen Stoß gegen ihr Herz. Die Schwerverwundete konnte noch den Dampfer erreichen. Derselbe kehrte nach kurzer Fahrt um und landete am Quai des Pâquis (vgl. C auf unserer Skizze), von wo die Kaiserin auf einer Tragbahre in das Hotel gebracht wurde. Der elende Mörder floh, wie die andere punktierte Linie unseres Situationsplanes zeigt, in die Rue des Alpes, in der er von zwei Kutschern festgenommen wurde. Auf unserer Abbildung „Ansicht von Genf mit dem Braunschweig-Denkmal“ (siehe S. 656), ist das Haus, das rechts noch zum Teil sichtbar ist, das Hotel de la Paix.

Am 17. September, acht Tage nach der Schreckensthat in Genf, fand das Begräbnis der Kaiserin statt. Alle Fürstenhöfe Europas waren bei dieser Trauerfeier vertreten. Der Deutsche Kaiser stand in dieser schweren Stunde seinem Freunde und Bundesgenossen zur Seite; auch König Albert von Sachsen und Prinz-Regent Luitpold von Bayern waren persönlich erschienen. Die Teilnahme von seiten der Bevölkerung war so allgemein, daß Wien noch niemals solche Menschenmassen versammelt gesehen hat. Aus allen Kronländern waren Abordnungen erschienen, und all die Gruppen, die vor der Kapuzinerkirche Aufstellung nahmen, boten ein geradezu überwältigendes Schauspiel. In den Straßen, welche der Trauerkondukt passieren sollte, bildete das Militär Spalier. Die Häuser waren mit Trauerschmuck versehen, die Straßenlaternen umflort, und auf diese düstere Pracht warf eine milde

Stelle der Mordthat. 
Hotel Beaurivage am Quai des Pâquis in Genf.
Nach einer Aufnahme von J. Jullien in Genf.

[656]


Ansicht von Genf mit dem Braunschweig-Denkmal





Septembersonne ihr goldenes Licht. – Diesmal folgten die Leidtragenden nicht dem Sarge, sondern erwarteten ihn in der Kapuzinerkirche, in der sich die Gruft der Habsburger befindet. Gegen 3/4 4 Uhr verließen die ersten Wagen mit den fürstlichen Leidtragenden die Hofburg; in einem der letzten saß Kaiser Franz Joseph zur Linken des Deutschen Kaisers. Still grüßte sie die Volksmenge. – Um 4 Uhr erklangen die Glocken von St. Michael. Sie gaben dem Volke kund, daß in der Hofburgpfarrkirche die Leiche der Kaiserin eingesegnet würde. Kammerdiener und Leiblakaien hoben hierauf den Sarg und trugen ihn zu dem im Schweizerhofe harrenden Leichenwagen. Nun setzte sich unter dem Geläute aller Kirchenglocken Wiens der Trauerkondukt in Bewegung. – Ein Zug Husaren zu vier Mann eröffnete ihn. Ihnen folgten die Wagen der Kämmerer, der Hofbeamten und der Palastdamen der Kaiserin, dann Abteilungen der Leibgardeinfanterie und der Leibgardereiter. Darauf erschien der Leichenwagen. Acht Rappen zogen ihn. Er war vollkommen schwarz und trug die Kaiserkrone auf seiner Kuppel, während an der Bedachung ringsum Reichsadler schwarze Schnüre im Schnabel hielten. Der Sarg ruhte darunter frei, nach allen Seiten sichtbar, ohne jeden Blumenschmuck, nur mit einem Kreuze versehen. An jeder Seite des Leichenwagens schritten vier Edelknaben und vier Leiblakaien mit brennenden Wachskerzen. Als Nebenbegleitung marschierten rechts sechs Arcieren- und acht Leibtrabanten und links sechs ungarische Leibgarden und acht Leibgardereiter. Hinter dem Wagen ritt je eine Abteilung der Arcieren- und der königlich ungarischen Leibgarde. Den Schluß bildete eine Compagnie Infanterie und eine Eskadron Kavallerie.

Unsere untenstehende Abbildung zeigt den Leichenwagen kurz nachdem er die Hofburg verlassen hatte. In tiefem Ernst, zwischen stillschweigenden Volksmassen bewegt sich der Zug langsam über den Albrechtsplatz, die Rampe entlang, welche der schöne Monumentalbrunnen schmückt, nach dem Neuen Markte. Als der Leichenwagen vor der Kapuzinerkirche angelangt war, schmetterte ein Hornist der Leibgarde der toten Herrscherin den letzten Gruß. Leise verklangen die Töne des Generalmarsches, dann vernahm man gedämpfte Trommelwirbel. Die Lakaien hoben den Sarg und bald verschwand er in der Pforte des Gotteshauses. – Wien hatte von seiner Kaiserin den letzten Abschied genommen; aber in der düster geschmückten Kirche vollzog sich die schmerzlichste Trennung. In der Fürstengruft überwältigte den so hart geprüften Kaiser Franz Joseph der Schmerz, er brach in lautes Wehklagen aus und mit Küssen, die er auf den Sarg drückte, nahm er für immer Abschied von dem Teuersten und Liebsten, das er auf Erden besaß.


Leichenbegängnis der Kaiserin Elisabeth in Wien.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph J. Löwy in Wien.