Der Ursulenberg bei Pfullingen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Wilhelm Zimmermann
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Ursulenberg bei Pfullingen
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 170-173
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1832
Verlag: Cotta
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Pfullingen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[170]
Der Ursulenberg bei Pfullingen.


Der Vater springt von kurzem Schlummer
Empor zur neuen Tagesqual,
Sein Angesicht, verzehrt vom Kummer,
Erhellt ein morgenrother Strahl.

5
„Einen Schatz hab’ ich gesehn,

Ich muß zum Berge gehn,
Gott schafft kein Brod in’s Haus herein,
Uns hilft der Zaubergeist allein.“

Umsonst, daß ihm sein Weib mit Weinen

10
Am Halse hängt und ihn beschwört:

„Laß Gott die Sorge für die Seinen,
Der an dem Bach die Raben nährt.
Es hat des Bösen Macht
Noch keinem Heil gebracht.“

15
Er höret nicht ihr warnend Flehn,

Er hat des Zaubers Gold gesehn.

[171]
Er schleichet still zur Stund’ der Geister

Aus seiner Hütte ungesehn,
Die Nachtigall singt ihrem Meister

20
Ihr Nachtgebet vor Schlafengehn,

Vom Frauenkloster schallt
Das Glöcklein hell im Wald,
Fromm steigt der Nonnen nächt’ger Chor
Für aller Sünder Heil empor.

25
Er steht und lauscht, schon will er fliehen,

Er denkt an’s göttliche Gebot,
Da sieht den Schatz im Berg er glühen,
Und seine Kleinen ohne Brod,
Der Glühwurm ihn umkreist,

30
Zum Berg die Straße weist,

Rothflämmchen hüpfen hin und her,
Versperren ihm die Wiederkehr.
 
Und was er will, und was er wähle,
Es zieht ihn hin, es reißt ihn nach,

35
Der Berg erschließt die Pracht der Höhle,

Er steht im glänzenden Gemach.
Vom Brand des Goldes sprühn
Die Wänd’ und Bäume blühn
Hinauf an golddurchglühter Wand

40
Voll Edelstein und Diamant.


[172]
Und eine Maid hat ihn begrüßet,

Die überstrahlet Stein und Gold,
Wie Wein aus Silberschaalen fließet,
Fließt ihre Rede zauberhold:

45
Weilst du drei Nächte hier

Im Bergpalast bei mir,
Furchtlos und ohne Laut allein,
Bin ich erlöst, der Schatz ist dein.

Sie nahm ihn in die weißen Arme,

50
Und kurz ward ihm die süße Nacht,

Still, lautlos, frei von Furcht und Harme
Hat er die Stunden durchgewacht.
Schlaflos hat um den Freund
Sein Weib die Nacht durchweint,

55
Doch hält ihn nicht ihr warnend Flehn,

Er hat des Zaubers Gold gesehn.

Leis stiehlt er sich zur Stund der Geister
Aus seiner Hütte ungesehn,
Die Nachtigall singt ihrem Meister

60
Ihr Nachtgebet vor Schlafengehn,

Vom Frauenkloster schallt
Das Glöcklein hell im Wald,
Fromm steigt der Nonnen nächt’ger Chor
Für aller Sünder Heil empor.

[173]
65
Doch furchtlos flügelt er die Schritte,

Er steht im leuchtenden Pallast,
Und reich beladen in der Mitte
Harrt eine Tafel auf den Gast.
„Wird bald die Jungfrau nahn?“

70
Da schleicht es sacht heran,

Es kommt hervor - kein schönen Weib -
Scheußlich geballt ein Drachenleib.

Es bäumt sich schwellend auf, und schnelle
Und zischend leckt’s zum Tisch herauf,

75
Da faßt ihn an die Angst der Hölle,

Entsetzen sträubt die Haar’ ihm auf.
Von Furien gescheucht,
Hat er sein Haus erreicht,
Noch schlummert Weib und Kind in Ruh,

80
Und schweigend legt er sich dazu.


Bleich liegt er neben seinen Kleinen,
Die Kammer hellt das Morgenroth,
Die Kindlein wachen auf und weinen,
Und bitten um ein Stückchen Brod,

85
Die Mutter, früh bemüht,

Singt Gott ihr Morgenlied,
Des Schläfers Ohr kein Laut mehr traf,
Der Vater schlief den ew’gen Schlaf.