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Der Vertrag

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Textdaten
Autor: Ludwig Thoma
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Titel: Der Vertrag
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aus: Zeitschrift „Simplicissimus“
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 19. März 1901
Verlag: Albert Langen
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Erscheinungsort: München
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: „Simplicissimus“
Jg. 5, 1901, H. 52 (PDF), S. 414
Kurzbeschreibung:
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Der Vertrag
von
Ludwig Thoma


Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande.

Er kümmerte sich nicht um das Wesen der Dinge, sondern ausschließlich darum, unter welchen rechtlichen Begriff dieselben zu subsummieren waren.

Eine Lokomotive war ihm weiter nichts als eine bewegliche Sache, welche nach bayrischem Landrechte auch ohne notarielle Beurkundung veräußert werden konnte, und für die Elektricität interessierte er sich zum erstenmale, als er dieser modernen Erfindung in den Blättern für Rechtsanwendung begegnete und sah, daß die Ableitung des elektrischen Stromes den Thatbestand des Diebstahlsparagraphen erfüllen könne. –

Er war Junggeselle. Als Rechtspraktikant hatte er einmal die Absicht gehegt, den Ehekontrakt einzugehen, weil das von ihm ins Auge gefaßte Frauenzimmer nicht unbemittelt war, und da überdies die Ehelosigkeit schon in der lex Papia Poppaea de maritandis ordinibus ausdrücklich mißbilligt erschien.

Allein der Versuch war mit untauglichen Mitteln unternommen; das Mädchen mochte nicht; ihr Willenskonsens ermangelte und so wurde der Vertrag nicht perfekt.

Alois Eschenberger hielt sich von da ab das weibliche Geschlecht vom Leibe und widmete sich ganz den Studien.

Er bekam im Staatsexamen einen Brucheinser und damit für jede Dummheit einen Freibrief im rechtsrheinischen Bayern.

Aber davon wollte ich ja nicht erzählen, sondern von seinem Erlebnisse mit Michael Klampfner, Tändler in München-Au.

Und dies war folgendes.

Eines Tages mußte sich der Herr Rat entschließen, seine alte Bettwäsche mit einer neuen zu vertauschen.

Die Zugeherin besorgte den Handkauf und überredete ihren Dienstherrn, die abgelegten Materialien zu veräußern. Auf Bestellung erschien daher in Eschenbergers Wohnung der oben erwähnte Trödler Michael Klampfner und gab auf Befragen an, daß er derjenige sei, wo die alte Wäsche kaufe.

„So“, erwiderte der königliche Rat, „so? Sie wollen also gegen Hingabe des Preises die Ware erwerben?“

„Wenn ma’s no brauchen ko, nimm i’s“ sagte Klampfner.

„Schön, schön; Ihr Wille ist sohin darauf gerichtet. Sagen Sie mal, Herr… Herr… wie heißen Sie?“

„I? I hoaß Klampfner Michael, Tandler von der Au, Lilienstraßen Nummera achti.“

„Also, Herr Klampferer…“

„Klampfner!“

„Richtig, Herr Klampfner. Sie sind doch handlungsfähig?“

„I moa scho. I handel scho dreiß’g Johr.“

„Gut, Sie sind also nicht entmündigt, als prodigus, furiosus, als Verschwender oder wegen Geisteskrankheit?“

„Jo, was waar denn jetzt dös? Moana S’ i bi da her ganga, daß Sie mi dablecken?“

„Mäßigen Sie sich. Ich mußte die Frage an Sie stellen; es handelt sich um eine wesentliche Bedingung des Consensualkontraktes.“

„Vo mir aus. Wo is denn nacha de Wasch?“

„Sie wird Ihnen vorgezeigt werden; der Kauf wird nach Sicht geschlossen.“

Die Zugeherin führte den Tändler in ein Zimmer, in welchem zwei große Bündel auf dem Boden lagen. Das eine enthielt die gebrauchte Wäsche, in dem andern war die neuangeschaffte.

Michael Klampfner prüfte das alte Bettzeug mit Kenneraugen.

„Bedeuten thuat dös net viel“, sagte er; „zwoamal waschen, nacha is dös G’lump hi. Aba, weil Sie ’s san, Herr Rat, gib i Eahna zwoa Markl dafür.“

„Zwei Mark? Der Kaufpreis scheint mir sehr niedrig gegriffen.“

„Ja, was glauben S’ denn? Wer kaaft denn so wos? Do kenna S’ de arma Leut schlecht, wenn S’ moanen, de mögen was alt’s. De kaafen si liaba was neu’s und bleiben ’s auf Abzahlung schuldi.“

„Hm! ja, das mag sein,… aber… was sagen Sie, Frau Sitzelberger“, wandte sich der Rat an seine Zugeherin, – finden Sie den Preis ortsüblich und wertentsprechend?“

„Ich mein halt so, Herr Rat, verzeihen S’, wenn man halt doch die Sach hergeben thut, nicht wahr, dann mein ich halt, entschuldigen S’, es ist doch nicht viel zum kriegen damit.“

„Sie raten mir also zum Abschlusse?“

„Ja, ich… ich meine halt so, Herr Rat, es wird nichts anderes herausschauen.“

„Gut. Dann bleibt es bei dem vereinbarten Preise von zwei Mark.“ –

„Gilt scho“, sagte Michael Klampfner, „g’hört scho mei. I laß von mei’n Buab’n abhol’n.“

„Nein, nein, so schnell geht die Sache nicht“, unterbrach ihn hier Eschenberger, „ich beharre auf schriftlicher Verlautbarung des Vertrages.“

„Ah, zu wos denn? Dös braucht’s do it.“

„Notwendig ist es allerdings nicht“, erklärte der Herr Rat, „Sie haben wohl recht; der Vertrag kann formlos abgeschlossen werden, die traditio würde überdies brevi manu erfolgen, allein ich ziehe die Abfassung einer privaten Urkunde vor.“

„No, wenn’s net anders geht, mir is wurscht.“

„Schön. Ich werde den Vertrag gleich hier niederschreiben.“

Eschenberger holte Papier, Tinte und Feder und fing hastig zu schreiben an, wobei er den Text laut vorlas.

„Also… zwischen dem königlichen Landge ... Landgerichtsrat Alois Eschenberger in ... in München und dem ... was sind Sie, Herr Klampfner?“

„Tandler vo der Au…“

„... Tändler, hm! also Kleinkaufmann ... und dem Kleinkaufmann Michael Klampfner kommt folgender ... folgender Vertrag zu stande:

„Erstens: Der königliche Landgerichtsrat Eschen ... Eschenberger verkauft an den ... den Kleinkauf ... Kleinkaufmann Klampfner die demselben vorgezeigte, in einem Bündel zusammen ... zusammengefaßte, von demselben ge .. gebrauchte und hierwegen abgelegte… abgelegte Bettwäsche ... Bettwäsche. – Nicht wahr?“

„J ... ja!“ sagte Klampfner.

„Also fahren wir fort:

Zweitens: Der vereinbarte… vereinbarte, auch wert ... wertentsprechende Kaufpreis beträgt die Summe von zwei ... zwei Mark Reichswährung, über deren Empfang der Verkäufer hiemi ...… hiemit quittiert. – Sie können gleich bezahlen, Herr Klampfner.“

„I will’s it schuldi bleiben“, sagte der Tändler und zählte auf den Tisch eine Mark und dann zehn Nickelstücke hin.

„Schön“, sagte Eschenberger, „fahren wir fort. Drittens: Die Einreden des Zwanges, des Irrtums ... des Irrtums und ... und des Betrugs sind ... ausgeschlossen. – So, das hätten wir. Wünschen Sie den Vertrag noch einmal vorgelesen?“

„Na, g’wiß net.“

„Gut. Also auf Vorlesen verzichtet und unterschrieben. Setzen Sie Ihre Unterschrift hieher.“

Klampfner unterschrieb und ging dann, nachdem er erklärt hatte, daß sein Sohn das Bündel abholen werde. Die Zugeherin begleitete ihn zur Thüre und lächelte beistimmend, als der Tändler sich mit der Faust an der Stirne rieb und dann mit dem Daumen gegen das Zimmer deutete, worin Eschenberger weilte. –

Einige Stunden später kam Klampfner junior und holte im Auftrag seines Vaters das Bündel Wäsche ab.

Noch denselbigen Abend stellte sich aber heraus, daß eine unliebsame Verwechselung stattgefunden hatte. Dem Boten war das Bündel mit der neuen Wäsche übergeben worden.

Michael Klampfner wurde eilig hievon in Kenntnis gesetzt, allein er verschloß sich heftig allem Zureden.

„Wos?“ sagte er, „i soll de Wasch wieda hergeben? Waar mir scho z’dumm! Für wos hat er denn an Vertrag g’schrieben? Dös gilt, wia’s g’schrieben is. Irrtum is ausg’schlossen. Waar mir scho z’dumm!“

Dieses geschah dem königlichen Landgerichtsrat Alois Eschenberger, welcher seiner Zeit einen Brucheinser erhalten hatte.