Der Zauberberg bei Langenwolmsdorf

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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Der Zauberberg bei Langenwolmsdorf
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 102–103
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Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: SLUB Dresden und Commons
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Gräfin Cosell.

46. Der Zauberberg bei Langenwolmsdorf.

Östlich von der Burg Stolpen erhebt sich in der Nähe von Langenwolmsdorf ein kahler, mit wohlgepflegten Feldern umzogener Berg, dessen Höhe ein Baum krönt, der weithin sichtbar ist. Diesen Berg umschwebt die Sage. Sie erzählt folgendes:

In diesem Berge befindet sich eine große Höhle. Darin liegt die Gräfin Cosell,[WS 1] welche über 40 Jahre als Gefangene auf der Burg Stolpen war, begraben. Den größten Teil ihrer Schätze hat sie mit hierher genommen; aber die Gräfin findet in diesem Berge keine Ruhe. Tag und Nacht wandelt sie umher. Schon manchem ist sie begegnet, besonders solchen Leuten, die während der Mittagsstunden draußen auf den Feldern bleiben. Die Gräfin, welche bei Lebzeiten als eine große Schönheit galt und noch als Greisin solchen Ruhm genoß, erscheint als ein liebliches Wesen und gibt solchen Leuten, welche ihr standhalten und nicht furchtsam fliehen, reichlich von den Talern, die sie mit in ihr Grab genommen hat.

Einst hütete ein Schäfer an jenem Berge die Herde. Da erschien ihm plötzlich eine wunderschöne Jungfrau. Dieselbe trug ein weißes Kleid und um den Leib ein schwarzes Gürtelband. Die hat ihn gefragt, ob er ihr helfen wolle, und als er ja gesagt, hat sie sich nach dem Berge zu gewendet und ihm gewinkt, ihr zu folgen. Als der Schäfer dort anlangte, wohin ihn die Jungfrau führte, tat sich plötzlich der Berg auf. Ein Gang und eine weite Halle waren zu sehen. Am Ende der Halle war ein breiter Wassergraben, über den aber keine Brücke führte. Da sprach das Mädchen zum Schäfer: „Auf! springe hinüber!“ Der Schäfer hat aber geantwortet: „Er ist zu breit!“ – Nochmals bat ihn die Jungfrau. Nun versuchte es der Schäfer zweimal, aber vergeblich, er war zu alt und steif, um über den breiten Wassergraben zu springen. Da hat sich drüben über dem Graben ein großes Tor aufgetan, und der Schäfer erblickte in einem weiten Saale viele Männer mit langen, weißen Bärten, die da an einer Tafel saßen. Eine Stimme aber rief: „Abermals [103] umsonst! Noch hundert Jahre!“ Darauf ist alles verschwunden, und der Schäfer hat sich erst nach Mitternacht wieder nach Hause finden können.

Obgleich man heute weiß, daß die Gräfin Cosell in der Schloßkapelle der Burg Stolpen begraben liegt, so wollen doch viele im Volke noch nicht daran glauben. Sie geben der Sage recht. Darum soll die Gräfin auch noch heute in dem Zauberberge bei Langenwolmsdorf schlummern. Eins ist aber sicher. Der Zauberberg bei Langenwolmsdorf ist von der Gräfin Cosell, so lange sie im Sankt Johannesturme als Staatsgefangene weilte, täglich gesehen worden. Nach ihm hinüber wird sie oftmals sehnsüchtig geblickt haben. Er war ihr wohl das Ziel der Freiheit, und zu ihm hinüber hat sie sich jedenfalls oftmals gewünscht. Das mag auch die Veranlassung zu jener Sage geworden sein.

Langenwolmsdorf um das Jahr 1830.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel (1680–1765), Mätresse Augusts des Starken