Der arme Schiffer
[101] Der arme Schiffer.
Ein armer Schiffer stack in Schulden,
Und klagte dem Philet sein Leid.
Herr! sprach er, leiht mir hundert Gulden;
Allein zu eurer Sicherheit
Indessen leiht mir aus Erbarmen
Die hundert Gulden auf ein Jahr.
Philet, ein Retter in Gefahr,
Ein Vater vieler hundert Armen,
Hier, spricht er, nimm es hin, und brauch es ohne Sorgen;
Ich freue mich, daß ich dir dienen kann;
Du bist ein ordentlicher Mann,
Dem muß man ohne Handschrift borgen.
Kein Schiffer läßt sich wieder sehen.
Wie? Sollt er auch Phileten hintergehen,
Und ein Betrüger seyn? Vielleicht.
Doch nein! Hier kömmt der Schiffer gleich,
Ich bin aus allen meinen Schulden;
Und seht, hier sind zweyhundert Gulden,
Die ich durch euer Geld gewann.
Ich bitt euch herzlich, nehmt sie an;
[102] O! spricht Philet, ich kann mich nicht besinnen,
Daß ich dir jemals Geld geliehn.
Hier ist mein Rechnungsbuch, ich wills zu Rathe ziehn;
Allein ich weiß es schon, du stehest nicht darinnen.
Und kränkt sich, daß Philet das Geld nicht nehmen will.
Er läuft, und kömmt mit voller Hand zurücke.
Hier, spricht er, ist der Rest von meinem ganzen Glücke,
Noch hundert Gulden! nehmt sie hin,
Ich bin vergnügt, ich habe keine Schulden;
Dieß Glücke dank ich euch allein;
Und wollt ihr ja recht gütig seyn:
So leiht mir wieder funfzig Gulden.
Behalte deinen ganzen Seegen:
Ein Mann, der Treu und Glauben hält,
Verdient ihn seiner Treue wegen.
Sey du mein Freund! Das Geld ist dein;
Die sollen deinen Kindern seyn.
[103] Mensch! mache dich verdient um andrer Wohlergehen;
Denn was ist göttlicher, als wenn du liebreich bist!
Und mit Vergnügen eilst, dem Nächsten beyzustehen,