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Der heroisch-galante Roman auf dem Höhepunkte seiner Entwicklung

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Textdaten
Autor: Felix Bobertag
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Titel: Der heroisch-galante Roman auf dem Höhepunkte seiner Entwicklung (Auszug)
Untertitel: Ziegler und Lohenstein
aus: Geschichte des Romans und der ihm verwandten Dichtungsgattungen in Deutschland, 1. Abtheilung, 2. Band, 1. Hälfte, S. 182–203 = Cap. XI
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Erscheinungsdatum: 1884
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Erscheinungsort: Berlin
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[Teil: Inhaltsangabe des Romans Großmüthiger Feldherr Arminius von Daniel Casper von Lohenstein (1689–1690)]

[182] Das erste Buch des ersten Theiles beginnt mit einer kurzgefaszten Darlegung des Zustandes des Römischen Reiches unter Augustus. Dann führt uns der Verfasser in eine Versammlung der deutschen Fürsten im Deutschburger Haine. Das Leichenbegängnisz der Sicambrerfürstin Walpurgis, welche sich, um der Lüsternheit des Varus zu entgehen, in die Sieg gestürzt hatte, giebt dem Cherusker Hermann die Gelegenheit, die andern Fürsten zur Befreiung des Vaterlandes aufzufordern. Obgleich Segesthes gegen die Ergreifung der Waffen spricht, wird Hermann zu dem beschlossenen Kriege zum Feldherrn gewählt. Ein unbekannter deutscher Ritter hält, um den Ausgang des Feldzuges zu erforschen, einen Zweikampf mit einem von den Catten gefangenen Römer. Letzterer wird besiegt, man erkennt ihn als die armenische Königin Erato. Nun folgt die sehr ausführliche Beschreibung der Deutschburger Schlacht. Eine interessante Episode bildet der Kampf eben jenes schon erwähnten unbekannten Ritters mit dem zu den Römern abgefallenen Segesthes, welcher sich nicht schämte, verkleidet gegen seine Landsleute zu fechten. Er wird besiegt, gefangen und erkannt, ebenso aber der Ritter als seine eigene Tochter Thusznelda, die ihrer Standesgenossin, der Buchholtzschen Valiska, in handgreiflichstem Heroismus durchaus nichts nachgiebt. Sie bittet jetzt Segesthen um den Tod, [183] aber Hermann läszt ihn abführen, worauf Thusznelda in Ohnmacht fällt. Wie die Flucht der Römer allgemein wird, tödtet sich der von Hermann verwundete Varus selbst. Am zweiten Tage ward die Niederlage der Römer vollendet, in deren Lager Malovend, der Marsenherzog, und Arbogast in Gefangenschaft gerathen. Nach dem triumphirenden Einzuge Hermanns in Deutschburg, der Bestattung der Gefallenen und der Opferung der Gefangenen wird über den verrätherischen Segesthes Gericht gehalten. Er erkennt seine Schuld und will sterben, aber Thusznelda erbietet sich, nach den Landesgebräuchen für ihn den Tod zu leiden. Da Hermann dies zu verhindern bemüht ist, kommt das Liebesverhältnisz der beiden Haupthelden zur Sprache, und es wird für Recht erkannt, dasz Segesthes in ihre Verehelichung zu willigen habe.

Von dem zweiten Buche sagt Cholevius mit Recht: „Man hört nicht die Bewohner der Urwälder, nicht einmal Helden reden, sondern man glaubt in einer Gesellschaft pedantischer Magister zu sein, wobei die Einschaltung der Abhandlungen auf die leichtfertigste Weise motivirt ist.“ Denn Abhandlungen sind es in der That, was uns hier geboten wird. Marcomir nämlich kommt mit dem in anständiger Gefangenschaft gehaltenen Malovend zusammen, ihnen gesellen sich noch andre bei, und da sie zum Schachspiele greifen, beginnt sogleich ein gelehrter Dialog über das Thema, ob das Spiel für Fürsten sich gezieme, ausstaffirt mit einer Menge historischer Notizen und Anekdoten, die allerdings völlig kritiklos hingenommen werden. Den nächsten Tag findet eine Jagd statt, auf welcher ein von Julius Cäsar einstmals vor 63 Jahren mit einem Halsbande versehener Hirsch erlegt wird. Hieran knüpfen sich Gespräche über das Alter und sonstige [184] wirkliche und fabelhafte Eigenthümlichkeiten der Hirsche, über gefälschte Alterthümer, medicinisch-zoologische Excurse über Gemüthseigenthümlichkeiten der Thiere. Eben solche gelehrte Folgen hat eine Schweins- und Bärenjagd, namentlich wird auf die Hunde eingegangen, bei ähnlichen Anlässen wird über Ringe, Gewässer, Einfachheit und Luxus der Lebensweise verschiedener Völker bunt durcheinander geredet, das zusammenhängendste Kunststück fein angebrachter Gelehrsamkeit kommt zum Vorschein, als die fürstliche Gesellschaft in einem Jagdhause zwölf die Vorfahren Hermanns darstellende Gemälde findet.

Ihre von Malovend erzählte Geschichte, die noch mit Episoden ausgeschmückt ist, ist die verkleidete Geschichte der Habsburgischen Kaiser. Hermion bedeutet Rudolph I., Mars Albrecht I., Vandal Albrecht II., Ulsing Friedrich III., Alemann Maximilian I. und so weiter. Digressionen auf andere Gebiete fehlen nicht, und dieser wohlfeil herbeigeschaffte Stoff musz dem Verfasser gar zu reichlich geschienen haben, weshalb er den Erzähler abbrechen läszt, um dann im siebenten Buche den Schlusz, nämlich die Geschichte Aembrichs und Segimers d. h. Ferdinands des II. und III. in derselben Weise nachzuholen. Zu bemerken ist noch, dasz Hermann selber Niemand anders als Leopold I. vorstellen soll. Schlieszlich wird auf Grund neuer Siegesnachrichten ein Fest begangen.

Der Leser würde sich sehr täuschen, wenn er nun von dem dritten Buche eine erhebliche Fortführung der eigentlichen Erzählung erwartete. Aber hier erhält er wenigstens einen Roman im Romane und nicht blos gelehrte Abhandlungen, und auch in den gelegentlichen Excursen ist Masz [185] gehalten. Nachdem nämlich einige Masznahmen der deutschen Fürsten in Bezug auf die weitere Fortführung des Krieges berichtet worden, kommt die Lebensgeschichte der in Gefangenschaft befindlichen und mit Thusznelda und Ismene, Hermanns Schwester, freundschaftlich verkehrenden Königin Erato an die Reihe, welche diese von ihrer Gefährtin Salonine zum Besten geben läszt. Die vorausgeschickte historische Einleitung aber umfaszt die Geschichte Armeniens von den Zeiten des Argonautenzuges an und hält sich ziemlich lange bei den mithridatischen Kriegen und dem Feldzuge des Crassus auf. Die Geschichte der Erato, soweit sie in dem dritten Buche geführt wird, ist aber nur ein Theil der sich durch den ganzen Roman hinziehenden Liebesgeschichte des Zeno und der Erato. Beide Persönlichkeiten sind von Lohenstein mit Vorliebe behandelt und deshalb mit einer Menge von staunenswerthen Abenteuern bedacht worden. Was von dieser Geschichte in dem dritten Buche vorkommt, ist in Kürze Folgendes:

Erato und ihr Bruder Artaxias waren die Zwillingskinder des Königs Artaxias von Armenien und seiner Gemahlin Olympia. Da der Bruder bei einem Schiffbruche abhanden kam, liesz der Vater die Schwester für ihn ausgeben und als Knaben erziehen. Er wurde von seinem Bruder Artabazes ermordet, und nachdem auch dieser getödtet worden, nahm Tigranes, der dritte Bruder, Armenien ein. Erato hielt sich bei dem König Polemon von Pontus zu Sinope auf und galt so lange der Absicht ihres Vaters gemäsz für den jüngeren Artaxias, bis die Römer sie durch die an Polemon ergangene Forderung, den armenischen Königssohn auszuliefern, zur Entdeckung ihres Geschlechtes zwangen. Diese hatte eine zweite ähnliche Entdeckung aber in umgekehrter Richtung zur Folge. [186] Arsinoe nämlich, die Tochter des pontischen Königspaares, die sich heftig in den vermeintlichen Artaxias verliebt hatte, entpuppt sich jetzt als Jüngling, Namens Zeno. Da also der Fortsetzung des Verhältnisses durch diese Entwickelung nichts im Wege stand, wurden Zeno und Erato miteinander verlobt, doch muszte der Prinz weiter die Prinzessin spielen, da er zufolge eines Orakels gegen seinen Vater wie Oedipus zu handeln bestimmt war und deshalb von der Mutter zuerst verborgen, dann an die Stelle seiner verstorbenen Schwester Arsinoe war untergeschoben worden. Jetzt warb aber Ariobarzanes, der König von Medien und Armenien, um die Hand der vermeintlichen Arsinoe. Die von den Liebenden beschlossene Flucht gelang nur der Erato, führte aber hinsichtlich des Zeno dazu, dasz sein Vater sein Geschlecht entdeckte und ihn verbannte. Ariobarzanes überzieht Polemon mit Krieg, Erato giebt sich in Armenien für den Artaxias, auf dessen Rolle sie ja gut eingeübt war, aus, und hilft ihrem zukünftigen Schwiegervater. Dieser wird von Ariobarzanes, der zwar gefangen ward, tödtlich verwundet. Nun kommt aber zu Tage, dasz nicht jener Zeno, sondern Ariobarzanes Polemons Sohn, das Orakel also erfüllt ist, Zeno dagegen auszer dem traurigen Lose der Verbannung noch die Unwissenheit über seine Abkunft zu tragen hat. Ariobarzanes nimmt Pontus, Erato als Königin Armenien in Besitz. Doch musz sie bald wieder ihrem Reiche den Rücken wenden, denn sie zieht sich durch Versuche, den unsittlichen Gottesdienst der Venus Anaiitis abzustellen, den Hasz der Priester zu und soll zu einer ihr verhaszten Ehe gezwungen werden. Sie ging nach Rom, folgte dem Drusus nach Deutschland und wurde hier gefangen. Kaum hat Salonine ihre Erzählung beschlossen, so erscheint [187] Zeno und feiert mit seiner Geliebten das freudigste Wiedersehen.

Das vierte Buch zerfällt in drei Theile, erstens die Geschichte der Feldzüge des Drusus nebst Schilderung des sittenlosen und ränkevollen römischen Hoflebens, namentlich der Julia, zweitens die Geschichte der abenteuerlichen Entführung und Befreiung der beiden Fürstinnen Erato und Thusznelda, drittens die Geschichte des Flavius, des Bruders des Haupthelden.

Der erste dieser drei Abschnitte knüpft daran an, dasz in dem Heiligthum der Tanfana, welches von den fürstlichen Personen besucht wird, sich eine Bildsäule des Drusus befindet, denn die Deutschen ehren auch tapfere Feinde. Adgandester, Rhemetalces und Malovend besprechen sich nun, während die andern Fürsten sich zu einer Berathung zurückziehen über die Thaten jenes, und führen die Erzählung seines Lebens bis zu seinem Tode in Mainz, jedoch mit manichfachen Ausschmückungen und Abschweifungen. Von den ersteren ist ein Stück der Geschichte der Niederlande bis zu dem Tode der Brüder de Witt (1672) in maskirter Gestalt, wobei Britannien Spanien, Drusus Ludwig XIV. bedeutet, ferner die Entführung der Asblaste, der Mutter Hermanns, und die Intriken der Julia hervorzuheben, welche der in Muraena verliebten Antonia die Veranstaltung einer Zusammenkunft mit diesem verspricht, es aber so einzurichten weisz, dasz Antonia mit Drusus, sie mit Muraena ein Stelldichein hat. Dann legt sich Livia ins Mittel, und bringt die Ehe zwischen Drusus und Antonia und Tiberius und Julia zu Stande. Julia weisz aber nicht nur ein Liebesverhältnisz mit Muraena zu Wege zu bringen, sondern beglückte [188] auch, zum Theil aus Bosheit gegen Antonia, den Drusus mit ihrer Zuneigung.

Während Thusznelda und Erato, sich schon auf die ihnen versprochene Erzählung der Schicksale Zenos freuend, in einem Lustgarten spaziren, werden sie plötzlich überfallen und, nachdem Zeno verwundet worden, auf und davon geführt. Die Fürsten, Hermann an der Spitze, setzen nach, und da Segesthes und Marobod, welche die Gewaltthat begangen, mit Mannschaft genügend versehen sind, kommt es zu einem hitzigen Kampfe. Hermann und Thusznelda befreien sich wechselweise mit groszem Heldenmuthe, Jubil (der sich bei Hermann aufhaltende, von Marobod vertriebene Bojerfürst) rettet Erato nach einem überaus abenteuerlichen Kampfe mit dem Sarmaten Boris und dessen zwei Eisbären. Die Freude über die glücklich vereitelte Schandthat wird durch die Ankunft des Flavius auf Deutschburg noch erhöht, welcher seine von Abenteuern, Greueln und Abgeschmacktheiten strotzende Geschichte, abermals einen Roman im Romane, sogleich erzählt.

Dem Geschmacke Lohensteins entsprachen die Stoffe aus der römischen Kaiserzeit ganz besonders, und ein groszer Theil dessen, was Flavius erzählt, sind Schilderungen crassester Art, aber auch hier ist wieder eine, diesmal tragisch und greulich verlaufende, Liebesgeschichte zwischen Flavius und der schwarzen Dido, der Tochter des Numiderkönigs Juba, der epische Faden, an den sich andere Bestandttheile anreihen. Flavius lernt Dido in Rom kennen, der Wüstling Lucius wird sein Nebenbuhler, Flavius geht aus Rom verdrängt nach Afrika und kommt bei Didos Vater in grosze Gunst, als er aber Dido wiedersieht, hat sie, um des Lucius Nachstellungen zu entfliehen, der Diana ewige Keuschheit gelobt, und Lucius ist umgekommen. [189] Ein abscheulicher Priester beredet sie, durch Opferung ihrer Keuschheit das Gelübde zu lösen, sie hat davon nur Verzweiflung, Flavius zwingt den Schändlichen, sich selbst zu entmannen. Als er durch die Nachricht von Varus Niederlage in Verbannung und Gefahr geräth, verhilft ihm Dido zur Flucht nach Deutschland. Zu Anfang dieser Geschichte wird nun in groszer Ausführlichkeit dargestellt, wie der Philosoph Aristippus durch atheistische Lehren und scheuszliche Orgien – beides ist auf das Plumpste geschildert – die jungen vornehmen Leute in Rom verdirbt, einen nicht unbedeutenden Raum nehmen auch die Beschreibungen scenischer Feste ein, wie schon zu Anfang des Buches die Feierlichkeiten zum Geburtstage des Augustus in Lugdunum und dann noch oftmals Aehnliches mit ermüdender Ausführlichkeit geschildert wird.

Da Zeno in Folge seiner im Anfang des vierten Buches erhaltenen Verwundung das Bett hüten musz, hat er jetzt Zeit, seine Geschichte zu erzählen. Abgesehen von einigen Abenteuern und Liebesverwickelungen, welche bunt und phantastisch genug ausfallen, haben wir im fünften Buche einen geographisch-topographischen Roman vor uns. Denn das Schicksal scheint es übernommen zu haben, den Zeno zum Ersatze für die verlorene Sicherheit seiner hohen Geburt zu einer Professur für Geographie vorzubereiten, wir werden aber sehen, dasz er auch auf einem Lehrstuhle für alte Geschichte, oder für orientalische Sprachen, oder für speculative Philosophie würde haben gebraucht werden können, wenn es mit der Laufbahn als Prinz ein für allemal nichts gewesen wäre – doch darüber werden wir noch lange nicht aufgeklärt, und Lohensteins Verwickelungen haben vor denen der modernen Romane wenigstens das voraus, dasz man wirklich [190] am Anfange nicht errathen kann, als was sich die auftretenden Personen zuletzt enthüllen werden.

Erst geräth nämlich der Prinz unter die Amazonen und Lohenstein in die Geschichte derselben, welche durch Erfindungen verziert, verlängert und mit der Urgeschichte der Deutschen in Verbindung gebracht wird, z. B. die Mutter aller Amazonen und erste Kämpferin zu Pferde war des deutschen Königs Alemann Tochter Vandala. Da aber eine zum Augenausstechen führende Liebesverwickelung eintritt, entflieht Zeno mit anderen Fremden, und nun beginnt eine Wanderung durch die entlegensten Gegenden der Erde, z. B. den Kaukasus, wo der Tempel des Prometheus besucht wird, das kaspische Meer, zu den Tataren, den Chinesen und Indern. Zeno hat nicht nur überall Abenteuer zu bestehen und Heldenthaten zu verrichten, sondern lernt auch überall genau die Merkwürdigkeiten der Länder kennen, und zu seiner Erzählung geben die Zuhörer noch allerlei ethnographische, kunsthistorische und technologische Beilagen. Mit einer Gesandtschaft reist Zeno wieder nach Westen und pflegt Umgang mit dem brahmanischen Weisen Zarmar. Jetzt wird das rothe Meer befahren, Babylon, Aegypten, zuletzt Athen berührt, über welches der Prinz eine Vorlesung voll exquisiter Gelehrsamkeit hält, auch die classischen Dichter der Römer lernt er hier kennen. Zarmar verbrennt sich wie Peregrinus Proteus selbst, und nachdem Zeno eine Zeit lang noch philosophischen Neigungen nachgehangen und in den römischen Kriegen gewesen, gelangt er dahin, wo wir ihn am Ende des dritten Buches zuerst kennen lernen.

Das sechste Buch ist das albernste des ganzen Werkes. Es besteht nämlich aus lauter alter Geschichte, die [191] gesprächsweise abgehandelt wird und so eingerichtet ist, dasz die Deutschen in einer Menge von Ereignissen der römischen und griechischen Geschichte eine hervorragende Rolle spielen, z. B. haben sie zu den Siegen Hannibals die Hauptsache beigetragen, und die Wendung seines Glückes rührte wiederum davon her, dasz sie ihn während des Aufenthalts in Capua verlieszen. Die Gewaltsamkeiten und Erdichtungen, durch welche das Eingreifen der Deutschen fortwährend wahrscheinlich gemacht wird, überbieten einander an Schalheit. Es drängt sich uns hier die Bemerkung auf, dasz die Schriftstellerei Lohensteins hier die grade uns Deutschen widerwärtigste und verächtlichste schwache Seite des Nationalcharakters der Franzosen, unter deren Einflusz seine Zeit so sehr stand, entlehnt hat, nämlich die kindische und verlogene Nationaleitelkeit, und es macht einen um so peinlicheren Eindruck, wenn wir in den einleitenden Unterredungen viele schöne Redensarten von der Pflicht des Geschichtsschreibers, die Wahrheit auf das gewissenhafteste zu beobachten, hören müssen.

Im siebenten Buche hat sich nach Cholevius treffendem Ausdrucke die Phantasie des Dichters ein rechtes Fest bereitet. Einestheils nämlich wird die Geschichte der Deutschen von dem Punkte an, wo sie im sechsten stehen geblieben ist, weitergeführt, ziemlich in dem Stile, wie sie dort behandelt ist. Als Hauptgestalten ragen Cäsar, Ariovist, die Eltern Hermanns, Segimer und Asblaste, und endlich Marbod hervor. Aber abgesehen davon, dasz diesen Personen eine Menge frei erfundener Abenteuer angedichtet werden, findet hier wieder eine wenigstens ebenso ausgedehnte historische Maskerade statt, wie im zweiten Buche, da der Darstellung der deutschen [192] Geschichte zur Zeit Cäsars und kurz nachher die der Zeit von der Reformation bis zum dreiszigjährigen Kriege einverleibt wird. Hierbei bedeuten die wirklich historischen Personen wie auch die erdichteten bald sich selber, bald andere historische, ja auch wohl eine Figur an verschiedenen Stellen zwei verschiedene. Die Druiden sind die katholische Geistlichkeit, die Barden die Lutheraner, die Eubagen die Calvinisten. Luther heiszt Divitiacus, Philipp II. Hippon, Wallenstein Terbal, Gustav Adolf Gothart, Karl I. von England Briton, Marbod ist bald er selbst, bald Cromwell, bald Carl Gustav von Schweden.

Einen verhältniszmäszig bedeutenden Raum nimmt die Liebesgeschichte des Segimer, der manchmal Ferdinand III. vorstellen musz, und seiner Gemahlin Asblaste, der Tochter des vornehmen Parthers Surena, ein. Die Abenteuer Marbods im Riesengebirge, wo er mit dem Einsiedler gewordenen Ariovist zusammentifft und unglaubliche Wunder der Natur und Geisterwelt schaut, sind von ähnlichem Schlage wie die des Prinzen Zeno auf seinen Wanderungen.

Alle diese Dinge werden wie gewöhnlich in Gesprächen unter den fürstlichen Personen abgehandelt. Während dessen ist die Hochzeit Hermanns und Thuszneldens vorbereitet worden. Hierdurch giebt es nun zu Anfang des achten Buches Gelegenheit zu umfangreichen Schilderungen des Tempels, der Hochzeitgebräuche, des Gefolges u. s. w., am meisten aber wird mit allegorischen Darstellungen, Sinnbildern und Sprüchen Verschwendung getrieben. Die von den Barden anläszlich des Festes geleistete beinahe ausschlieszlich epigrammatische Poesie umfaszt 135 Verse, meist Alexandriner. Besonders freudige Ueberraschung bereitet das unvermuthete Wiedererscheinen von Hermanns Mutter Asblaste, [193] welche nicht, wie allgemein geglaubt worden war, gestorben, sondern mit der Bestehung von höchst merkwürdigen Abenteuern, welche ihre im vorhergehenden Buche bis zu Hermanns Geburt geführten Erlebnisse fortsetzen, beschäftigt gewesen war.

Da nach der Sitte der damaligen Deutschen die Neuvermählten sich einen ganzen Tag von der Gesellschaft ihrer Gäste fern zu halten hatten, erhielten letztere die erwünschte Gelegenheit, sich Hermanns und Thuszneldens bisherige Geschichte erzählen zu lassen, mit der sich ein Theil der Schicksale Asblastens verflicht. Diese, von Drusus nebst ihren Söhnchen aus Deutschburg entführt, war nach Rom und dort in eine Reihe von Gefahren und Abenteuern gerathen und endlich verschollen, Hermann und Flavius hatten sich, umringt von Versuchungen und Nachstellungen, aber erhöht von des Kaisers Gunst auf jede Weise ausgezeichnet. Auch Thusznelda war als Geisel nach Rom gekommen, hier lernte sie Hermann zuerst kennen und wurde von Segesthes mit ihr verlobt, der jedoch bald wieder anderen Sinnes wurde. Dadurch dasz sich Tiberius und dann Marbod um sie bewarben, und der Alte, der Treubruch gewissermaszen als Gewerbe trieb, auch einwilligte, ward das Schicksal der Heldin ein überaus bewegtes. Besonders tritt in diesem Abschnitte Lohensteins Geschmack darin zu Tage, dasz er Marbod einmal zur Unterstützung seiner Bewerbungen der Thusznelda den Ring des Polycrates schenken läszt, den Augustus aus dem Schatze der Cleopatra mit nach Rom gebracht und später dem Marbod geschenkt hatte. Ein andermal wird die gefangen gehaltene Thusznelda durch einen ihr Gefängnisz zertrümmernden Blitz befreit, geräth aber gleich darauf in die Gefahr, zu ertrinken. Sogleich erscheint dem Hermann ein langer weiszer Geist und sagt: Es ist [194] Zeit, Hermann, dasz du deiner ertrinkenden Thusznelde zu Hülfe kommst, worauf er denn nur seiner Ahnung folgend an den weit entfernten Ort der Gefahr eilt. Später wurde Thusznelda sogar auf den Befehl ihres Wütherichs von Vater von einem Thurm herabgestürzt, Hermann sieht es, findet sie aber zu seiner groszen Verwunderung noch lebend. Des Segesthes abscheuliches und wankelmüthiges Benehmen ist allerdings zum Theil dadurch motivirt, dasz er in zweiter Ehe mit der höchst intricanten und sittenlosen Römerin Sentia vermählt ist.

Mit dem Abschlusse des achten Buches erreicht die nachholende Erzählung den Zeitpunkt, wo das erste Buch anfängt. Lohenstein aber scheint der Ansicht gewesen zu sein, dasz er von den Hochzeitsfeierlichkeiten als denen des Hauptheldenpaares noch zu wenig gesagt. Er läszt daher im neunten Buche zunächst die alte Asblaste ihre Geschichte erzählen, in die ein Stück der maskirten Geschichte Christinens von Schweden (Tirchanis) aufgenommen ist. Nachdem Asblastens Gemahl Segimer durch Tiberius vergiftet worden, studirte sie im Alironischen Heiligthume geheime Weisheit, deren höchste Grade sie aber verschweigen musz. Doch erfahren wir immer noch eine ganze Menge philosophische Lehren, und auch das neuvermählte Paar vernimmt Weissagungen, die nicht alle glückverheiszend sind und eine Art Uebergang zum zweiten Theile vermitteln. Dann aber folgt noch eine lange Beschreibung der Kampfspiele, Aufzüge und sonstigen Festlichkeiten. Die Frauen betheiligen sich an den Kämpfen mit demselben Eifer wie die Männer, alle wissenschaftlichen Disciplinen an der sinnreichen Ausschmückung der Räumlichkeiten und Sachen durch emblematische und allegorische Erfindungen.

Hiermit endet nun – nicht der Roman, obwohl dieser [195] sowohl als poetisches Ganzes hier sehr gut einen Abschlusz hätte, wie er auch, wenigstens nach unserem Bedünken, jetzt schon mehr als lang genug sein würde, denn schon sind 1430 grosze Quartseiten gefüllt. Aber wir sind einmal jetzt erst genau mit der Hälfte fertig, und wissen ja, dasz noch manches unaufgelöst ist. Wer ist Zeno? Sollten die beiden schlimmen Gesellen Segesthes und Marbod nicht von der poetischen Gerechtigkeit erreicht werden? Soll Erato nichts von ihrer Treue und ihrem Edelmuth haben? Wenn wir uns für diese Fragen gebührend interessiren, werden wir, wenn auch grade nicht dem „unvergleichlichen“ Lohenstein Dank wissen, doch vielleicht uns entschlieszen, noch weiter von dem Inhalte seines Hauptwerkes Kenntnisz zu nehmen.

Im neunten Buche des ersten Theils haben die Fürsten ihre Körperkräfte gezeigt, im ersten des zweiten Theiles können sie sich daher wieder einmal in den gewohnten wortreichen Gesprächen ergehen. Zunächst erhält der Thracier Rhemetalces zu einem Vortrage über die Geschichte seines Vaterlandes das Wort. Die Wildheit der Thracier ist bei den alten Dichtern sprichwörtlich, daher geht es in ihrem Fürstenhause wild genug her. Die Heroine Harpalice wird von den Amazonen wegen ihrer Heldenthaten gegen die Geten zur Königin gewählt, Arsinoe, des Lysimachus Gemahlin, verliebt sich in ihren Stiefsohn und tödtet ihn, da er ihre Leidenschaft nicht erwidert, die Prinzessin Numelisinthis läszt, weil sie im Kriege gegen die Römer unter Porcius Cato ihren Bräutigam eingebüszt, aus Rache „etliche Thäter mitten von einander sägen, etlichen ihre eigene Kinder gebraten zur Speise fürsetzen“.

Die haarsträubendsten Gemälde tobender Leidenschaft [196] aber erhalten wir in der Darstellung der Charaktere des eifersüchtigen Sadal und der herrschsüchtigen Ada, der Stiefmutter des Rhemetalces. Ersterer wird auf seinen Bruder, seinen Vater, ja seinen eigenen Schatten eifersüchtig, und als seine wahnsinnige Leidenschaft seine Gemahlin dazu treibt, sich von einem Thurme zu stürzen, leckt er das Blut der Entseelten auf. Ada, zuerst die Gemahlin des Priesters Rhascuporis, rast wie eine Tigerin von einer raffinirten Schand- und Unthat zur andern und wühlt mit eigener Hand im Blute ihrer Opfer, ihr Stiefsohn rettete sich mit genauer Noth vor ihren Verführungs- und Vergiftungsversuchen. Schon ehe Rhemetalces seine Erzählung beginnt, merken wir, dasz sich neue Verwickelungen erster Qualität vorbereiten. Nicht allein, dasz sich der Friede mit den Römern als sehr wenig haltbar zeigt, auch in den Liebesverhältnissen der wichtigsten Nebenpersonen treten die Anzeichen einer neuen Combination auf. Erato empfängt ein geheimniszvolles Orakel, welches ihr den Flavius zu lieben gebietet, dem Zeno aber soll sie entsagen, wie denn auch schon in Flavius eine Neigung zu ihr, in Ismene eine zu Zeno entstanden war. Der Aufenthalt der Frauen am Paderbrunnen giebt zu sehr gelehrten und mystischen Gesprächen Veranlassung.

Zu Anfang des zweiten Buches ist der Krieg mit den Römern wieder ausgebrochen. Auf Seiten der Römer sind Tiberius und Germanicus, auf der der Deutschen Hermann und der sicambrische Herzog Melo mit seinem Sohne Franck Oberanführer. Belagerungen, Erstürmungen, Scharmützel, Ueberfälle, grosze Schlachten giebt es in solcher Anzahl, dasz sich die römische wie die deutsche Kriegskunst im schönsten Glanze zeigen kann. An die Erstürmung von Bacharach durch die Deutschen schlieszt [197] sich eine zum Theil allegorische sehr ausgedehnte Erörterung über die Vorzüglichkeit des Rheinweines. Bei den dann folgenden Friedensunterhandlungen, bei denen ganz nach der Art des XVII. Jahrhunderts um arge Kleinigkeiten gestritten und gezankt wird, fischt der von Hermann schon immer mit Misztrauen angesehene Marbod im Trüben. Während des Krieges gebiert Thusnelde zu Bacharach ihren Sohn Thumelich. Zu bemerken ist in der Geschichte des Krieges besonders, wie Lohenstein den zu seiner Zeit blühenden adeligen und fürstlichen Geschlechtern dadurch schmeichelt, dasz er ihre Namen unter den deutschen Helden in groszer Zahl anbringt. So finden sich z. B. vertreten die Namen der Solms, Isenburg, Ravensberg, Waldeck, Nassau, Bentheim, Diephold, Zulenstein, Delmenhorst u. a. m. Auch wird ein umfangreiches Stück Geschichte der Theologie und Philosophie eingeflochten, in welcher auszer den schon bekannten Druiden, Barden und Eubagen die griechischen Skeptiker als Vertreter der Cartesianer zum Vorschein kommen.

Das dritte Buch hat vornehmlich den Zweck, die Verwickelungen zwischen den beiden Paaren Erato und Zeno, Ismene und Flavius weiter zu schürzen. Mit der Weiterführung dieser Angelegenheiten ist aber die Beschreibung der Friedensfeierlichkeiten und des Verkehrs zwischen den römischen und deutschen Groszen verflochten. Zugleich treten eine Anzahl neuer Nebenpersonen auf, oder doch mehr in den Vordergrund. Es kommt zwischen Zeno und Flavius zum offenen Streite, Erato rettet Zenos Leben nur durch Aufgeben ihrer Ansprüche, und als Hermann eingreifen will, um seine Geschwister von der Verbindung mit den Fremden abzubringen und zur Verheirathung mit Adelmund, des chauzischen Herzogs [198] Ganasch Tochter, bezüglich mit dem Cattenherzoge Catumer zu veranlassen, entstehen, da eben diese beiden einander lieben, neue Verwickelungen, wozu noch kommt, dasz Ismene sich von den durch die Druiden gegen sie erhobenen Anklagen nur durch ein Gottesurtheil reinigen kann. Dies gelingt zwar, aber es kommt dabei heraus, dasz Adgandester, Hermanns bisheriger Vertrauter, die Hand im Spiele gehabt hat, um sich wegen eines erhaltenen Korbes zu rächen.

Nunmehr beginnen des Segesthes Gemahlin Sentia und der verbannte Adgandester ein neues höchst raffinirtes Ränkespiel, das den Hauptinhalt des vierten Buches bildet. Zu Anfang wird kurz berichtet, wie Erato auf geheimniszvolle Weise trotz der Wachsamkeit des Flavius als Diana verkleidet entflieht, dann bewirken Sentia und Adgandester, die sich zu Marbod gewendet haben, dasz sich Flavius mit Hermann entzweit und erzürnt zu den Römern übergeht. Weniger Erfolg hatten die von beiden gegen die Verehelichung Catumers mit Adelmund gesponnenen Ränke doch war die daraus erfolgte Abwendung des Ganasch und Melo von der deutschen Sache immer noch schlimm genug. In der Liebesgeschichte des Catumer und der Adelmund spielt die griechische Zauberin Astree und der Zaubertrank, wodurch sie die Prinzessin unfruchtbar machen sollte, eine hervorragende Rolle. Sie thut es aber nicht, da sie durch Träume davon abgeschreckt wird, und bleibt trotz grausamer Folterung, die genau beschrieben und sogar durch einen Kupferstich veranschaulicht wird, bei ihrer wahren Aussage. Catumers Kühnheit setzt ihn schlieszlich in den Besitz der Geliebten.

Das fünfte Buch führt die eigentliche Erzählung nur insofern weiter, als es, aber erst am Ende, den während [199] neuer drohender Kriegsaussichten eintretenden Tod des Augustus berichtet. Dagegen werden sehr umfassende Stücke aus der Geschichte früher aufgetretener Nebenpersonen episodisch nachgeholt. Die deutschen Fürstinnen nämlich verleben eine Zeit zu Schwalbach am Sauerbrunnen, ihnen gesellt sich Agrippina bei, und auch die deutschen Fürsten kommen dahin. In Schwalbach befindet sich eine Schule der Barden, was zu sehr gelehrten und sinnreichen Gesprächen über Pflanzen und über die Staatskunst Veranlassung giebt. Auch Ariovist, des älteren Ariovist Enkel, tritt auf, und bei der Gelegenheit der Aufnahme seines Edelknaben Ehrenfried in die bardische Anstalt kommt zu Tage, dasz dieser der Bruder der Zirolane, einer marsingischen Prinzessin, ist, beide sind die Kinder des gothonischen Fürsten. Gottwald, dessen früher begonnene und abgebrochene Lebensgeschichte jetzt zu Ende geführt wird. Er ist nämlich derselbe Barde, welcher Ehrenfried in die Schule aufnehmen und einweihen sollte und stirbt vor freudigem Schreck. In Gottwalds sehr abenteuerlichen Schicksalen spielen seine intricante Schwester Marmeline und Marbod die Rolle der Unglücksstifter und Usurpatoren. Der Schauplatz der Begebenheiten ist meist Schlesien und Preuszen. An die so vielseitige Aufklärung und Wiedererkennung zu Anfang des Buches schlieszt sich noch eine neue Verwickelung, indem Rhemetalces ohne Grund auf seine Verlobte Zirolane eifersüchtig wird und sich zürnend entfernt. Auch Siegesmund, Thuszneldens Bruder, ging, da er sich von Zirolane abgewiesen sah, zu seinem Vater Segesthes.

Das sechste Buch berichtet über die Leichenfeierlichkeiten des Augustus und die bedenklichen Zustände im römischen Reiche, worauf zu dem neu entbrennenden [200] Kriege und den neuen Ränken Sentias und Adgandesters übergegangen wird. Die Geschicke der Haupthelden nehmen eine vorläufig ziemlich unglückliche Wendung. Melo, Ganasch und Malovend verbünden sich mit den Römern, veranlaszt durch gefälschte Drohbriefe Hermanns. Ausführlich wird Sentias Verfahren mit dem Angrivarierfürsten Bojocal erzählt, es ist eine Episode in echt Lohensteinischem Stile[AU 1] Sie suchte ihn durch die wollüstigen Reize von vier schönen Mädchen, einer Amazone, einer Britannierin, einer Gothin und einer Mohrin zu ködern, da dies aber sich nicht wirksam genug erwies, gab sie sich ihm selber hin, nachdem sie sich schriftlich die Versicherung hatte geben lassen, dasz er zu den Römern übergehen werde.

Siegesmund brachte zum Entsetzen Hermanns Thusznelde nebst den anderen Fürstinnen, die bei ihr waren, verrätherischer Weise in die Hände der Römer. Im Dentschburger Walde geschah eine neue furchtbare Schlacht zwischen Germanicus und Hermann, Geistererscheinungen veranlaszten den römischen Feldherrn, den Rückzug anzutreten, nachdem die Gebeine der in der ersten Schlacht Gefallenen beerdigt worden waren.

Das siebente Buch ist zu seinem Vortheil durch den Mangel fast aller Episoden und einen wirklichen Fortschritt der Handlung von den andern unterschieden. Zuerst wird über die den Römern in die Hände gespielten Fürstinnen berichtet. Zumeist durch den Einflusz der abscheulichen Sentia zogen sich mehrere Unwetter über ihnen zusammen. Germanicus sollte nach Asien, wo die Angelegenheiten der Römer in Folge von Ränken der Livia schlimm standen, gehen, Thusznelde und die andern deutschen Frauen sollten nach Rom gebracht und dort im Triumphe aufgeführt, [201] endlich Thumelich zur Sühnung des von den Deutschen zerstörten Drusus-Denkmales geopfert werden. Nachdem ein durch Siegesmund veranstalteter Fluchtversuch miszlungen war, fand das Opfer statt, aber die heldenmüthige Hermengard schob ihren eigenen Sohn an die Stelle des jungen Fürsten unter.

Auch Malovend, welcher Catta, des Herzog Arpus Tochter, liebte, fiel in die Stricke der Sentia. Der letzteren zu seiner Verführung und ihm zur Entführung der Prinzessin war die Zauberin Wartpurgis behülflich, und die Beschreibung ihrer Kunstübung ist eines von den bei Lohenstein beliebten Nachtstücken. Mit einer ungünstig verlaufenden Schlacht bei der Weser (Indistavisus), wo Hermann und Germanicus persönlich an einander geriethen, erreichten jedoch die Miszgeschicke der Deutschen ihren Höhepunkt. Denn nachdem sie bald darauf in einem anderen Gefechte glücklicher gewesen waren, traf die Römer noch auf dem Rückwege zur See ein schwerer Sturm, der den gröszten Theil ihrer Flotte zerstörte. Zwar fiel noch Inguiomer, Fürst der Bructerer, aus Zorn darüber, dasz man deutscherseits den eine Annäherung suchenden Abtrünnigen wie Flavius, Melo, Bojocal u. s. w. entgegenkam, zu Marbod ab, aber dafür erwählten die Semnonen und Longobarden, welche von Marbod unterworfen und von ihm und Adgandester gequält, dieses Joch abgeschüttelt hatten, Hermann zum Fürsten und schlossen sich den Cheruskern an.

Das achte Buch beginnt nun mit der Schilderung der Eifersucht, die Tiberius gegen Germanicus hegte und die den Abschlusz des Friedens beförderte. Da aber die Bildnisse der gefangenen deutschen Fürstinnen nach Rom gelangt waren und auf den Kaiser einen allzugroszen [202] Eindruck gemacht hatten, bestand er darauf, dasz die Fürstinnen selbst nach Rom kämen. Des Germanicus Abreise und die ihm bei dieser Gelegenheit dargebrachten Ehrenbezeugungen werden genau geschildert, dann aber wird wieder auf einen Nebentheil der Erzählung eingegangen, der die mit Lüge und Zauberei ins Werk gesetzten Ränke des Adgandester, um die Hand der Adelgunde zu erlangen, enthält. Hier hat Lohenstein die griechischen Sagen von Oenomaus und Hippodamia, die auch zu scenischer Darstellung gelangen, benützt. Adgandester fällt schimpflich ab und Inguiomer[1] wird mit Adelgunde vermählt.

Endlich führt das neunte Buch das ungeheure Werk zum Abschlusse. Zunächst werden wir nach Rom versetzt. Zwar war den deutschen Frauen verheiszen worden, dasz sie bald zurückkehren sollten, doch sehr bald zeigte sich des Tiberius scheuszliche Wollust und Treulosigkeit. Eine nichtswürdige Gewaltthat, gegen die durch Malovend in die Hände der Römer gerathene Catta beabsichtigt, zwingt die Bedrängten, ihre Zuflucht zur List zu nehmen, und plötzlich verschwinden sie spurlos. Sentia, die aus Aerger darüber ihren eigenen Vater ins Verderben stürzte, soll nun endlich den Lohn ihrer Schandthaten finden. Sie wird von Segesthes mit ihrem Buhlen Bojocal ertappt und schmachvoll umgebracht, ein Zweikampf des letzteren mit dem beleidigten Gatten befördert auch diesen principiellen Bösewicht und Verräther vom Schauplatze hinweg. Dasselbe geschieht nun auch zur Befriedigung des Lesers mit anderen unliebsamen Persönlichkeiten, Marbod, Adgandester und dem jungen Gottwald, der vorher unter dem Namen Ehrenfried aufgetreten ist. Adgandester ertrinkt in der Moldau, Marbod und Gottwald enden in der Verbannung bei den Römern. Noch [203] einmal bringt Inguiomers[1] Ehrsucht für den Haupthelden eine furchtbare Gefahr, doch es geht ihm ebenso wie seinem Sohne Thumelich, indem ein anderer zum Scheine für ihn enthauptet wird. Aehnlich war es auch seiner Gemahlin und ihren Leidensgenossinnen in Rom ergangen, indem gemeine Weiber an ihrer Statt im Triumphe aufgeführt wurden. Schlieszlich aber kommen nicht nur die aus Rom entflohenen Fürstinnen, die über Armenien nach Deutschland zu reisen vorgezogen hatten, zum Vorschein, sondern auch die ungetreuen Fürsten kehren zu ihrer Pflicht zurück. Wer Zeno sei, erfahren wir natürlich auch noch, nämlich der Erato verlorener Bruder. Was jetzt folgt, versteht sich von selbst: Flavius heirathet Erato, Zeno Ismene, Rhemetalces Zirolane, die er in Rom wiedergefunden. Schlieszlich wird Hermann König der Markmänner, die Herrschaft über die Cherusker aber tritt er seinem Bruder Flavius ab. Es sei noch ausdrücklich bemerkt, dasz nicht weniger als die Schicksale und gegenseitigen Beziehungen der Hauptpersonen, so auch die der Nebenfiguren sämmtlich einen vollkommenen und nach Maszgabe der poetischen Gerechtigkeit befriedigenden Abschlusz finden.

Anmerkungen des Autors

  1. S. die Beilage.

Anmerkungen Wikisource


  1. a b im Original: Ingviomer, richtig ist aber Inguiomer; siehe auch Inguiomer