Der neue Nachbar
[532] Der neue Nachbar. (Zu dem Bilde S. 521.) „Aller Anfang ist schwer,“ sagt wohl das Sprichwort, aber nicht immer trifft es zu. Hier war der Anfang leicht: als Herr Peter Vorndran, dessen Verdienste als tapferer Feldhauptmann im großen Krieg nach dem Friedensschluß durch einen Adelsbrief belohnt worden waren, nun von dem neugeschenkten kleinen Gütlein seine Augen in die Runde warf und entdeckte, daß in dem stattlichen Herrensitz ihm gegenüber eine einsame adelige Witib in annehmbaren Jahren wohne, die Eigenthümerin all’ der schönen Felder und Wälder ringsnm, da strich er vergnügt seinen Schnurrbart und sagte: „Adelig sind wir auch. Die heirathen wir!“
Und nun steht er hier im neuangeschafften alamodischen Habit und fühlt etwas ganz Neues, Unbekanntes, daß ihm den runden Rücken beugt
und ein verlegenes Lächeln auf sein feistes Gesicht malt. Teufel, Teufel – das ist ja alles ganz anders, als er sich’s gedacht! Die einsame Witib
ist nicht einsam. Da steht ein vornehmer Oheim, dort am Fenster flüstern ein paar frisierte Junker und mustern geringschätzig den neugebackenen
Standesgenossen, während die Gesellschafterin einen spöttischen Blick auf seine beginnende Glatze und die unbehilflichen Reiterbeine in Kniehosen
und Strümpfen wirft. In den kühlen klaren Augen der verwitweten Freifrau steht aber vollends nichts geschrieben, was wie Ermunterung
aussähe. Armer Herr von Vorndran! Ob er sich’s an diesem einen Tag in vornehmer Umgebung wird genügen lassen oder ob er dennoch bald
eine tollkühne Werbung wagen und mit einem gewaltigen Korb heimreiten wird? . . . Darüber hat uns der Maler des hübschen Bildes im
Zweifel gelassen – mögen sich die Leser diesen kleinen Roman aus dem siebzehnten Jahrhundert nach Belieben ergänzend ausdenken! Bn.