Der schwarze Hirsch
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Im Thale dahinten, welch donnernder Schall,
Das ist das Bocksloch, der Wasserfall,
Wie stürzen die platzenden Fluten herab
Und entspringen unten dem felsigen Grab!
Vom Hifthorn tönte bis Abend der Hain,
Es flüchtete schnell das geweckte Wild
Weit in die Ferne, von Schrecken erfüllt.
Manch Hirschlein, vom Jagdzug eingeengt,
„Halloh!“ – es sprang von der Felsenwand,
Zerschlagen in blutigen Wellen es schwand.
Einst jagte Graf Ruprecht von Wildenstein
Auf raschem Renner im Forst allein;
Da rauschten im Walde die Bäume so bang:
Ein schwarzer Hirsch aus felsigem Haus
Tritt hinter den finstern Tannen heraus;
Er stellt das Geweih hoch über das Haupt,
Das Gehörn ist so zackig, gewunden, krumm,
Die feurigen Augen rollen herum,
Sie bannen das Roß in fiebrischen Krampf,
Aus der Nase qualmt ein glühender Dampf.
Und stachelt das Roß mit blutigem Sporn,
„Wohlauf, ein seltsam Wild, fürwahr,
Ein riesiger Hirsch mit schwarzem Haar!“
Drauf fliegt der Reiter schnell hervor,
Schießt durch den Wald wie Sturmgebraus,
Bricht aus den Felsen die Tannen heraus.
Der Ritter folgt auf kecker Bahn,
Es faßt ihn ein feuriger, toller Wahn,
„Der Hirsch muß hinunter in den Schwall!“
Der Hirsch, er schwebt vom Felsenrand
Hinüber an das andre Land,
Das Pferd, es springt vom Felsenrand,
Da schaut der schwarze Hirsch hinab
Wild blökend in das wogende Grab,
Ruht dann behaglich auf grünem Rain:
„Jetzt ist des Frevlers Seele mein!“
Dr. Gustav Mühl.