Des Sachsenkönigs Jubelfest
Des Sachsenkönigs Jubelfest.
Zwei Jubeltage sind König Albert von Sachsen in diesem Jahre beschieden. Siebzig Jahre werden am 23. April verflossen sein, seit er das Licht der Welt erblickt hat, und am 29. Oktober wird ein Vierteljahrhundert seiner Regierung sich vollenden. Am 23. April sollen beide Jubiläen zusammen gefeiert werden, und ganz Sachsen hat sich zu diesem schönen Doppelfeste bereitet. An des Sachsenkönigs Jubeltag wird aber auch das gesamte deutsche Volk im Herzen freudigen Anteil nehmen, denn es blickt zu ihm dankbar empor als zu einem der großen Helden, die im Feuer der Schlachten die deutsche Einheit zusammenschmiedeten.
Welche Erinnerungen knüpfen sich nicht an die kriegerische Laufbahn dieses deutschen Fürsten!
„Die Armee war meine erste Jugendliebe,“ hat König Albert selbst bei seinem fünfzigjährigen Armeejubiläum im Jahre 1893 gestanden. In der That hatte er schon als Knabe reges Interesse für das Heerwesen gezeigt, als Offizier mit Pflichteifer die Manöver mitgemacht, bis frühzeitig die Stunde kam, da er ins Feld rücken durfte. Das geschah im Jahre 1849, und der Befreiung Schleswig-Holsteins galt König Alberts erste Kriegsfahrt.
Vom Reichskriegsministerium in Frankfurt erging am 3. März 1849 an die sächsische Regierung die Eröffnung, eine Brigade in voller Kriegsstärke zu stellen. Schon Mitte März waren die Truppen, 6418 Mann, 1421 Pferde und 16 Geschütze, marschbereit; Generalmajor v. Heintz wurde zu ihrem Kommandanten ernannt und seinem Stabe Prinz Albert, damals Artilleriehauptmann, zugeteilt. In dem Feldzuge gegen die Dänen hat er die Herzen der Soldaten rasch gewonnen und die erste Feuertaufe mit Auszeichnung bestanden.
Es war am 13. April beim Sturm auf die Düppeler Schanzen. Als morgens 7 Uhr der Geschützkampf den Höhepunkt erreichte, so berichtet Dr. Paul Hassel in seinem Werk „König Albert von Sachsen“, sprengte der Prinz, begleitet von dem Rittmeister v. Senfft, auf seiner weißen Stute Stella zu dem sächsischen [235] Schützenbataillon. Er wurde von seinen Landsleuten mit lauten Hurrarufen begrüßt. Der begeisterte Empfang lenkte jedoch die Aufmerksamkeit der Dänen auf das Bataillon, und dieses wurde nun aufs heftigste beschossen. Prinz Albert harrte aber bei der Truppe aus, bis er auf den wiederholten ausdrücklichen Befehl des kommandierenden Generals v. Prittwitz zu dem Standorte des Hauptquartiers auf dem Mühlenberge bei Düppel zurückkehrte.
Ueber die tapfere Haltung des Prinzen schrieb später Moltke in seinem Werke über den Dänischen Krieg: „Einen sehr guten Eindruck machte das Erscheinen des jungen Prinzen Albert von Sachsen vor den sächsischen Truppen in einem Augenblicke, wo diese in heftigem Feuer standen. Seine ruhige Besonnenheit und sein anspruchsloses Wesen erwarben ihm schon damals die Liebe und Achtung aller und verkündeten im voraus die Eigenschaften, welche ihn später als Feldherrn auszeichneten.“
Wie Prinz Albert selbst aber über die Bedeutung jenes Krieges und seine Pflichten dachte, erhellt aus einem Briefe, den er vom Kriegsschauplatze nach Dresden richtete. „Der Krieg hier“ – heißt es darin – „hat, abgesehen von Recht und Unrecht, das schwer zu erklären, für mich eine höhere Bedeutung; es ist das erste Zusammenwirken der deutschen Stämme zu einem Ziele, es ist dies der wahre Weg zur Einigung, und diese Bahn zu eröffnen, ist es Pflicht, namentlich des Fürsten, vorauszugehen, und gelte es das Leben, denn, liebster Freund, die Monarchie stirbt nicht durch den Tod eines Gliedes, aber Deutschland geht zu Grunde, wagt es nicht durchzukämpfen.“ Ausgezeichnet mit dem Kreuze des sächsischen Militär-St. Heinrich-Ordens und dem preußischen Orden pour le merite, kehrte er von dem Feldzug nach Dresden zurück.
Als nach dem Tode des Königs Friedrich August im Jahre 1854 der Vater des Prinzen, König Johann, den Thron bestieg, übernahm Kronprinz Albert den Vorsitz im Staatsrate, widmete sich aber nach wie vor mit regem Interesse der Armee. Zum Generallieutenant und 1857 zum General ernannt, war er Kommandant der sächsischen Infanterie, und als der Krieg 1866 unvermeidlich wurde, erhielt er das Kommando der gesamten sächsischen Armee. Auch in dem Feldzuge auf Böhmens Gefilden blieb Kronprinz Albert bei und mitten unter seinen Soldaten bis zuletzt, wie er es ihnen verheißen und zugesichert hatte in dem beim Beginn des Krieges erlassenen Tagesbefehl. Seine Armee zeichnete sich durch Tapferkeit und strenge Mannszucht selbst unter den mißlichsten Umständen aus, und wenn auch die Schlachten bei Gitschin und Königgrätz verloren gingen, der Ruf und die Ehre der alten Rautenbanner blieben gewahrt.
Nach dem Friedensschlusse erhielt Kronprinz Albert im Norddeutschen Bunde das Kommando über das 12. (sächsische) Armeekorps. Dann kam die glorreiche Zeit, da im Kriege gegen Deutschlands Erbfeind die deutsche Einheit gewonnen werden sollte. Mit ihrem Kronprinzen an der Spitze, rückten die Sachsen ins Feld; Schulter an Schulter mit Preußens Garde, Bayern und Württembergern focht das sächsische Armeekorps mit Auszeichnung in den großen Entscheidungsschlachten und trug seine Banner bis an die Ufer der Maas und Marne. Kronprinz Albert entschied mit seinen Sachsen am 18. August 1870 die heiße Schlacht bei Gravelotte durch die Erstürmung des stark befestigten Dorfes St. Privat la Montagne im Verein mit den preußischen Garderegimentern. Am folgenden Tage übernahm er den Oberbefehl über die neugebildete Maasarmee, deren Stärke 70000 Mann Fußvolk, 116 Schwadronen Reiterei mit 16247 Pferden und 288 Geschütze betrug. Mit dieser Armee erfocht er eine Reihe glänzender Siege. Bei Beaumont überfiel er und vernichtete am 30. August das französische Korps de Failly. Unsere Abbildung S. 233 zeigt uns die Ankunft des Kronprinzen in dem eroberten Lager, das der Feind in voller Uebereilung im Stich lassen mußte. Der Kronprinz nimmt gerade eine Mitteilung des Generalstabschefs der Maasarmee v. Schlotheim entgegen. Zwei Tage darauf schlug er im Verein mit der 3., vom nachmaligen Kaiser Friedrich geführten Armee die große Entscheidungsschlacht bei Sedan. Während der nachfolgenden Einschließung von Paris hielten seine Truppen die Ostfront der Hauptstadt umklammert, [236] gleich einer undurchdringlichen eisernen Mauer, die mehrfachen Durchbruchsversuche der Franzosen blutig zurückweisend.
Als Generalfeldmarschall kehrte Kronprinz Albert im Sommer 1871 aus dem Felde heim und hielt am 11. Juli an der Spitze der sächsischen Truppen seinen Einzug in die festlich geschmückte Stadt Dresden. Jubelnd wurde er überall begrüßt, denn der siegreiche Feldherr galt als eine der festesten Stützen des neu geeinten Reiches.
Seit jenen ruhmreichen Tagen durfte das deutsche Schwert in der Scheide ruhen, und als nach dem Tode seines Vaters am 29. Oktober 1873 König Albert den Thron Sachsens bestieg, war es ihm vergönnt, in einer langen Reihe von Jahren seinem Volke als Friedensfürst Glück und Segen zu bringen.
König Albert, der ungemein viel liest, aber kein großer Freund von vielen und langen Reden ist, nimmt mit sehr regem Interesse allezeit Kenntnis von neuen Bestrebungen auf allen Gebieten der Kunst und Wissenschaft, des Handels und Gewerbefleißes. In seiner Residenzstadt Dresden, welche in den letzten zwei Jahrzehnten einer völligen Umgestaltung zu einer modernen Großstadt entgegengeführt wurde, ist während seiner Regierung keine Wanderversammlung irgend welcher Körperschaft von Bedeutung abgehalten worden, ohne daß sie von dem Monarchen mit seiner Gegenwart beehrt worden wäre. Wiederholt hat König Albert die verschiedenen Provinzen seines Landes bereist, um sich an Ort und Stelle von dem Stand der Industrie und der Verwaltung zu überzeugen. Das warme Mitgefühl des Königs für das Wohl und Wehe seines Volkes treibt ihn auch rasch auf den Platz, wenn sich da oder dort ein Unglück ereignet hat. Er will in allen solchen Fällen immer mit eigenen Augen sehen und ordnet oft an Ort und Stelle an, was ihm nützlich und nötig erscheint.
In dem Bestreben, Notstände zu lindern, wird er eifrig von seiner treuen Lebensgefährtin Königin Carola unterstützt. Unter König Alberts Regierung hat Sachsen auf allen Gebieten des Staats- und Volkslebens, in Handel und Wandel einen bedeutenden Aufschwung gewonnen.
Aber auch über die Grenzen seines Landes hinaus macht sich der Einfluß König Alberts in ersprießlicher Weise bemerkbar. Nach den Errungenschaften der Jahre 1870 und 1871 verband ihn mit Kaiser Wilhelm I aufrichtige Freundschaft, als teueres Erbe ist sie auch auf die Nachfolger des letzteren übergegangen, und es ist wohl bekannt, wie König Albert bestrebt ist, in allen politischen Fragen die Eintracht der deutschen Völker und ihrer Fürsten zu fördern.
So hat er in doppelter Weise, als Feldherr und als Friedensfürst, zu Deutschlands Heil gewirkt, und diese hohen Verdienste um des Vaterlandes Wohlfahrt gestalten seinen Jubeltag zu einem Festtag des deutschen Volkes. D.