Deutsche Feldherren in Südamerika

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Deutsche Feldherren in Südamerika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 406
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Statthalter der Welser in Klein-Venedig in Folge des Venezuela-Vertrags
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[406] Deutsche Feldherren in Südamerika. Daß der von Kolumbus entdeckte Welttheil zunächst von den Spaniern als eine willkommene Beute betrachtet wurde, ist bekannt, und die Eroberungs- und Plünderungszüge wurden von spanischen Feldherren geleitet. Um so merkwürdiger ist die wenig bekannte Thatsache, daß auch deutsche Befehlshaber neben denselben genannt werden, die an Muth und Unternehmungslust nicht hinter ihnen zurückstanden. Das war in Venezuela der Fall. Das Bankhaus Welser zu Augsburg stellte bei Kaiser Karl V. den Antrag, ihm zur Regelung seiner Forderungen an die kaiserliche Kasse eine der entdeckten Landschaften in der Neuen Welt als Lehen zu überlassen. Ein Theil der Perlenküste von Venezuela wurde für diesen Zweck in Vorschlag gebracht. Die Grenzen der Statthalterschaft wurden genau bestimmt; die Inseln der abgegrenzten Küstenstrecke gehörten dazu. Das Haus Welser sollte auf seine Kosten vier Schiffe mit 300 Mann spanischer oder fremder Herkunft ausrüsten, in Venezuela binnen zwei Jahren zwei Ortschaften und drei Burgen anlegen und mit 50 kundigen deutschen Bergleuten Kontrakte für sämtliche Theile „Indiens“ abschließen. Dafür erhielt das Haus Welser die Statthalterschaft und das Militärkommando. Das war der Vertrag, durch welchen der deutsche Name neben dem spanischen in jenen Gegenden zur Geltung kam. Freilich waren die deutschen Statthalter nicht vom Glücke begünstigt, obschon auch sie, von der Goldgier getrieben, in wildem Kampfesmuth Eroberungszüge landeinwärts unternahmen, wo sie das wunderbare Goldland mit seinen reichen Schätzen suchten. Den Indianern gegenüber zeigten sie und ihre Scharen sich ebenso grausam wie die Spanier.

Der erste Statthalter, Ambrosius Alfinger, betrat am 24. Februar 1528 im glitzernden Waffenschmuck das Lehensgebiet des Hauses Welser. Die ersten Züge in der Umgebung des Golfs von Maracaibo hatten nicht den gewünschten Erfolg, wenn auch einige Indianer in die Gefangenschaft geschleppt wurden. Später drang Alfinger durch die Landschaften am Maracaibosee nach den Gebirgsgegenden vor. Die Goldschätze der Cendaguaindianer erregten den Golddurst seiner Truppen. Hatte man doch bei dem mit Baumwollstoffen umhüllten Holzsarg eines Kaziken an goldenen Rüstungen, Halsbändern, Ohren- und Armringen, Kämmen und Gefäßen einen Schatz von 2000 Pesos (93 200 Mark) gefunden! Allein Alfinger wurde auf dem Zuge dahin von den Indianern überfallen und von einem vergifteten Pfeile tief in die Kehle getroffen. Auf ihn folgte als Statthalter Georg Frohmuth von Speyer. Er unternahm einen drei Jahre dauernden Zug nach einem im Osten der Cordilleren gelegenen Theile Kolumbiens. Nur ein Drittel der Mannschaften kehrte an die Küste nach Coro zurück. Schon wollte er einen neuen Zug nach dem Märchenlande am Marañon unternehmen, wohin ein angebliches Amazonenreich lockte, als er 1540 dem tückischen Küstenfieber erlag. Sein Nachfolger war Philipp von Hutten, der ein noch tragischeres Ende fand als seine Vorgänger. Vier Jahre lang trieb er sich mit einer Handvoll Leute, unter denen sich auch ein Bartholomäus Welser befand, in den Wildnissen des westlichen Orinokostromgebiets umher, fast vom Hunger aufgerieben oder durch tropische Gewitterstürme, welche die Riesen des Urwalds entwurzelten, obdachlos dem Elend preisgegeben. Hutten hielt man in San Domingo längst für tot. Man hatte von dort Juan de Carabajal nach Venezuela geschickt, um wieder Ordnung in die verwahrloste Kolonie zu bringen, die jetzt abermals ganz den Spaniern gehörte, da das Haus Welser seinen Vertrag gekündigt hatte. Carabajal ließ Hutten nach Tokuyo holen und wollte ihn zur Anerkennung seiner, Carabajals, Statthalteransprüche zwingen; doch der tapfere Deutsche weigerte sich aufs entschiedenste. Carabajal gestattete ihm gleichwohl freien Abzug nach der Küste, in der Hoffnung, die schwache Truppe werde unterwegs den Angriffen der Indianer erliegen. Doch er sah, daß er sich getäuscht hatte, da viele seiner eigenen Soldaten, seiner Tyrannei müde, sich den Abgehenden anschlossen. So folgte er ihnen nach mit einer wohlbewaffneten Schar, warf Hutten und seine noch kampffähigen Leute nieder und ließ sie in Fesseln legen. Sein Auge funkelte wie das eines blutdürstigen Raubthiers, als er die Reihe seiner Opfer hinabschritt. Sein höhnisches Lachen antwortete dem Wehgeheul und den Bitten der Unglücklichen. Ein grinsender Neger trat auf seinen Zuruf vor und schnitt einem nach dem anderen den Kopf ab. Zuletzt rollten Welsers und Huttens Häupter auf den Boden.

Näheres über die Heldenthaten und Entdeckungszüge dieser Tapferen theilt Dr. Hugo Topf mit in seiner Schrift „Deutsche Statthalter und Konquistadoren in Venezuela“ (Hamburg, Richter). Es ist ein düsterer Ruhmesglanz, der jene Männer umgiebt, und die Anerkennung, welche man ihrem Wagemuth und ihrer zähen Ausdauer nothgedrungen zollen muß, wird stark beeinträchtigt durch den Abscheu, welchen ihre ungezähmte Goldgier in uns erweckt. †