Die Anfänge des musikalischen Journalismus in Deutschland
Die Anfänge
des
musikalischen Journalismus
in
Deutschland
von[WS 1]
Dr. Ferdinand Krome
Jo non possu ritrar di tutti appleno,
Perocchè ai mi caccià'l lungo tema.
Dante, Divina Commedia,
canto quarto v. 145.
Leipzig
Druck von Pöschel & Trepte
1897.
[2]
[3] Über die Geschichte des musikalischen Zeitschriftwesens besitzen wir bislang nur dürftige Notizen. Prutz führt in seiner gross angelegten, aber leider unvollendeten „Geschichte des deutschen Journalismus“ (Hannover 1845) nur die Titel von Matthesons „Patriot“ und Mizlers „Bibliothek“ an. Forkel in seiner „Allgemeinen Litteratur der Musik“ (Leipzig 1792) und Becker in seiner „Systematisch chronologischen Darstellung der Litteratur“ (Leipzig 1838) beschränken sich auf die Angabe der Hauptartikel der ihnen näher bekannten Zeitschriften und auf eine kurze Charakteristik derselben. Das Buch von Edouard Gregoir: „Recherches historiques concernant les Journaux de Musique depuis les temps les plus reculés jusqu’à nos jours“ (Anvers 1872), ebenfalls nur ein Verzeichnis, war mir nicht zugänglich. Es war auch entbehrlich durch die Übersetzung von Wilhelm Freystätter unter dem Titel: „Die musikalischen Zeitschriften seit ihrer Entstehung bis zur Gegenwart“ (München 1884). Trotz Freystätters Berichtigungen und Ergänzungen ist dies so entstandene Verzeichnis doch noch lückenhaft. Einen zusammenhängenden Aufsatz über nur belgische musikalische Zeitschriften neuerer Zeit liefert Edmond Van der Straeten in „Nos Périodiques Musicaux“ (Gand 1893). Eine weitere derartige spezielle Bearbeitung ist mir nicht bekannt.
Meine Arbeit wird sich auf eine Darstellung der deutschen musikalischen Fachorgane des 18. Jahrhunderts beschränken, dagegen Zeitschriften allgemeineren Inhaltes, die auch gelegentlich Aufsätze über Musik brachten, unberücksichtigt lassen. Wollte man Journale wie „Deutschland“ (1796), wie es Freystätter thut, deswegen unter die Fachorgane rechnen, weil von den 12 Nummern des einzigen Jahrgangs fünf auch musikalische Notizen brachten,
[4] und weil am Schluss einer jeden Nummer ein kleines Lied beigegeben ist, dann wären überhaupt keine Grenzen innezuhalten, dann müsste man auch in unseren Tagen Zeitschriften wie Deutsche Rundschau, Grenzboten, Daheim oder gar die Zukunft wegen gelegentlicher Artikel über Musik unter die Fachorgane rechnen.
Zur Kennzeichnung der Stellung, welche die musikalische Fachjournalistik zu den periodischen Erscheinungen der deutschen Litteratur überhaupt einnimmt, seien einige Daten aus der Geschichte des allgemeinen Journalismus vorausgeschickt.
Die ältesten Zeitungen erschienen nicht periodisch, sondern waren Flugblätter, „Relationen“ genannt, welche über wichtige und interessante Ereignisse berichteten. Die Flugblätter, welche 1493 die Nachricht von der Entdeckung Amerikas in allen Sprachen verbreiteten, sind die ältesten, die überhaupt nachweisbar sind. Diejenigen Schriften, welche zuerst in periodischen Zwischenräumen erschienen, waren Kalender und Messkataloge[1] (1565). Als erste handschriftlich verbreitete Zeitung lässt sich ein in Nürnberg seit 1587 wöchentlich herausgegebenes Blatt nachweisen[2], als erste gedruckte Zeitung die in Strassburg wöchentlich erschienene „Relation aller fürnemmen und gedenkwürdigen Historien“ etc. (1609), welch’ letztere aber schon die Fortsetzung eines früheren Unternehmens bildet.[3] Andere Städte wie Frankfurt a. M., Berlin, Magdeburg, Leipzig, Nürnberg, Augsburg, Hildesheim, Hamburg hatten in den nächsten Jahren auch ihre Zeitungen. Dieselben vertraten freilich noch keine Tendenz, versuchten auch noch keine Beurteilung und Wertschätzung der Ereignisse, sondern brachten nur eine Zusammenstellung nüchterner und farbloser Mitteilungen von Korrespondenten aus verschiedenen Ländern und Städten.[4]
Als älteste in Deutschland erschienene „Zeitschrift“ – um mit diesem Namen nach allgemeinem Gebrauch die Fachzeitungen [5] zu belegen – haben die seit 1682 in Leipzig in lateinischer Sprache erschienenen „Acta Eruditorum“ zu gelten, welche durch Anregung des französischen „Journal des Savans“ (1665) ins Leben getreten waren[5], als älteste deutsch geschriebene Fachzeitung sind die „Monatsgespräche“ von Thomasius (1688) anzusehen.
Von grosser Bedeutung für die Entwickelung der deutschen Fachjournalistik im 18. Jahrhundert waren die englischen moralischen Wochenschriften. Vor allem war es Addisons „Spectator“ (1711), dessen satyrische Sittenschilderung und humoristische Auffassung der gesellschaftlichen Zustände, wie in ganz Europa, so auch in Deutschland fleissig nachgeahmt wurde. In der Zeit von 1714 bis 1800 entstanden in Deutschland über 500 derartige Zeitschriften; die ersten in Hamburg.[6] In dieser Stadt, die neben Leipzig in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts den Mittelpunkt des geistigen und künstlerischen Lebens in Deutschland bildete, erschienen auch die ersten musikalischen Zeitschriften, die ebenfalls, wie die litterarischen, den englischen Einfluss unverkennbar zur Schau tragen.
Es ist anzunehmen, dass auch andere Zeitschriften vor dem Erscheinen der ersten musikalischen Fachorgane gelegentlich das musikalische Gebiet streiften; erwähnt doch Mattheson (Patriot S. 27), dass in den „Monatlichen Unterredungen“ vom September 1692 über Kirchenmusik gesprochen wäre; darum aber eine musikalische Zeitschrift noch vor der Critica musica zu vermuten, liegt kaum Berechtigung vor; Mattheson oder einer seiner ebenfalls sehr belesenen Nachfolger als Herausgeber von Fachorganen würden derselben irgendwo einmal Erwähnung gethan haben.
Es sei an dieser Stelle auf eine Klasse periodisch erschienener Blätter, „musikalische Journale“ genannt, hingewiesen, welche namentlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich eine überaus weite Verbreitung hatten. Das einzige statistische Material zur Bestimmung der Zeit des Erscheinens und der Verbreitung dieser Journale bieten, neben den gelegentlichen Erwähnungen [6] in den Fachzeitungen, die von Anfang der sechziger Jahre an erschienenen gedruckten Kataloge der bedeutenderen Musikalienhandlungen. Da diese jedoch fast alle ohne Jahreszahl sind und auch nicht die Zeit der annoncierten Journale angeben, lässt sich deren Entstehung häufig nur ganz allgemein nach den angezeigten Musikalien bestimmen. Alle mir zugänglich gewesenen in- und ausländischen Kataloge – etwa 70 – sind durchgesehen.
Das erste Musikjournal in Deutschland scheint Telemanns „Getreuer Musik-Meister“ (1728) gewesen zu sein. Es folgt Hillers „Wöchentlicher musikalischer Zeitvertreib“ (1759-60), mit Stücken für das Clavezimbel allein, Liedern, Arien und Stücken für Violine und Bass zusammen. Sehr beliebt war das bei Birnstiel in Berlin 1761 wöchentlich erscheinende „musikalische Allerley“, sowie das musikalische „Mancherley“ und „Vielerley“ (1770) mit Klavier-, Orgel-, Violin- und Flötenstücken der besten Berliner Musiker. Cramers „Polyhymnia“ kam seit 1783 zweimal im Jahre heraus, und zwar immer zur Leipziger Messe. Die einzelnen Stücke brachten grössere Werke, z. B. „Armida“, tragische Oper von Salieri, „Maria und Johannes“, Passionsoratorium von J. A. P. Schulz, „Orpheus und Euridice“ von Naumann etc. mit kritischen Einleitungen. Cramers „Flora“ bot Musik leichterer Art.
Seit Ende der achtziger Jahre wächst die Zahl der periodisch erscheinenden Musikjournale plötzlich ganz rapide. Die Vorliebe des Publikums für Lieder und Opernarien, namentlich für die Mozartschen war deren Entstehung und Verbreitung sehr günstig. Der Bedarf der süddeutschen Musikliebhaber wurde von Speier und Offenbach aus gedeckt. Bei Bossler, dem Verleger der „Real-Zeitung“, erschien monatlich seit Januar 1789 die s. Z. sehr beliebte „Bibliothek der Grazien“, mit Klavier- und Gesangsachen der besten Komponisten wie: Anfossi, Bertoni, Capelli, Cimarosa, Gluck, Gretry, Guglielmi, Haydn, Martin, Mozart, Naumann, Paisiello, Piccini, Pleyel, Prati, Reichardt, Sacchini, Salieri, Sarti. Ferner „Thalie“, ein Monatsjournal, welches Opernarien in leichtem Streichquartettarrangement brachte, ein „Musikalisches Wochenblatt“ mit Gesangstücken, fünf Jahrgänge einer „Blumenlese für Klavierliebhaber“, [7] ein „Archiv der auserlesensten Musikalien“, mit Sonaten und Variationen von Clementi, Förster, Kotzeluch, Mozart. Drei von den 12 erschienenen Stücken dieses Journals sind Kompositionen des letzteren. Von Offenbach aus wurden verbreitet die „Etrennes pour les Dames“, grösstenteils mit Tonwerkchen von Pleyel. Ferner ein „Journal de Musique pour les Dames“, mit Beiträgen der Modecomponisten Kotzeluch, Vanhal, Steibelt, Hofmeister. Von diesen beiden Journalen lassen sich 47, resp. 103 Lieferungen nachweisen. Gediegenere Kompositionen wie Sonaten, Konzerte, Quartette brachte Hofmeisters „Prénumeration pour le Clavecin“.
In Norddeutschland wurden Musikjournale von mehreren Städten aus verbreitet. In Berlin erschienen: „Caecilia“ (1790-95), „Musikalische Blumenlese f. d. J. 1795“, „Le Troubadour italien, français et allemand“ (1805-6); diese drei von Reichardt herausgegeben. Ferner „Monatsfrüchte für Klavier und Gesang“, „Klaviermagazin für Kenner und Liebhaber“ (1787), „Melodie und Harmonie, eine periodische Musikschrift für Klavierspieler jeder Art“ (1788), „Olla Potrida, eine periodische Schrift“, „Neue Olla Potrida für Clavierspieler“, „Blumenlese am Clavier“, „Journal des deutschen Theatergesanges“, „l'Année musicale, ouvrage périodique“, „Lieder und Gesänge“, „Lieder, Arien und Duetten beim Clavier“. In Leipzig erschienen: „Musicalische Unterhaltungen“ (wöchentlich, circa 1782), „Musicalisches Magazin“, „Musicalisches Potpourri für Clavier“; in Dresden: „Musicalisches Magazin für die Harfe ganz allein“; in Halle: „Unterhaltungen beym Clavier“ (Wochenschrift), „Neue musicalische Zeitschrift für 91“; in Braunschweig: „Journal auserlesener Musicstücke für mittelmässige Clavierspieler“, „Musikalisches Magazin“, „Journal des deutschen Nationalgesanges“; in Hamburg: „Musikalisches Wochenblatt für 2 Flöten“, „Neues musikalisches Wochenblatt für 1 Flöte“, „Musikalisches Journal aus den neuesten deutschen und französischen Opern für Fortepiano bearbeitet von Herrn Hönicke“, „Le Journal d'Apollon“, „Journal anacréontique de chant“, „La Muse du Jour, Journal de Nouveautés pour le piano“; in Riga endlich die Quartalschrift „Musicalische Unterhaltungen am Clavier“.
[8] In Frankreich scheinen die ersten Musikjournale in den fünfziger Jahren entstanden zu sein. In einem Pariser Katalog von Leduc, ungefähr aus dem Jahre 1790, wird ein „Journal hebdomadaire“ annonciert, welches auf eine 41jährige Existenz zurückblicke. Seit 1758 erschien monatlich ein „Journal de Musique françoise et italienne“, 1762 ein „Journal de Clavécin“.
Wie in Deutschland fällt auch in Frankreich die Blütezeit dieser Journale in die Jahre 1785-1805. In dem „Calendrier musical universel pour l’année 1788“ werden allein 15 verschiedene Journale als zur Zeit existierend namentlich aufgeführt, ferner werden mehrere Recueils périodiques, die zu unbestimmten Zeiten ausgegeben werden, und eine Menge d'Almanachs chantans erwähnt. Sie suchen jeder Geschmacksrichtung gerecht zu werden. Manche bringen klassische Kammermusik, manche Opernarrangements für Guitarre, Harfe, Flöte etc.
Van der Straeten erwähnt[7] von niederländischen Musikjournalen des 18. Jahrhunderts: „Echo de musique francçoise et italienne“, Liège, „Recueil de chansons“ Amsterdam, diese beiden gegen Mitte des Jahrhunderts. Ferner: „Feuille chantante“, Louvain, gegen 1765, „Recueil d’ariettes“, Bruxelles 1774, „Rossignol“, „l’Orphée“ und „la Récréation harmonique“. Dieses Verzeichnis wäre noch zu ergänzen durch: „Extrait des Airs françois pour le Chant et de la Basse continue“, „Fleurs des Airs des Opéras françois avec accompagnement des Violons“ und „Neumann, musicale Zangweiser van het Bock der Psalmen“.
Im allgemeinen entsprechen die musikalischen Zeitschriften bis zum Erscheinen von Hillers „Wöchentlichen Nachrichten“ (1766) wenig der Einrichtung unserer heutigen Musikzeitungen. Die Referate über Musikaufführungen, die heute den grössten Raum beanspruchen, fanden selbstverständlich in den ersten musikalischen Fachjournalen nur eine geringe Berücksichtigung, da zu jener Zeit musikalische Produktionen als Privatveranstaltungen geschlossener Gesellschaften einen mehr internen Charakter hatten und reisende [9] Virtuosen eine seltenere Erscheinung waren. Der Hauptunterschied zwischen alten und neuen Musikzeitungen besteht aber darin, dass die ersteren nicht Sammelteiche für Zuflüsse aus den verschiedensten Geistesquellen, wie sie sich der Redakteur gerade erschliessen konnte, sondern sämtlich Träger der Überzeugung eines einzigen Mannes waren, der durch seine periodisch erscheinenden Aufsätze belehren und aufklären oder durch musikwissenschaftliche Abhandlungen und Besprechungen von Erscheinungen aus der älteren und neueren Litteratur für die Begründung einer musikalischen Wissenschaft thätig sein wollte.
Wegen der Autorschaft eines einzigen Mannes trägt natürlich jede der ersten Zeitschriften einen ganz bestimmten Charakter. Die Person des Verfassers tritt sogar stark in den Vordergrund in den zum Teil mit grosser Hartnäckigkeit und ungenierter Derbheit ausgefochtenen Streitigkeiten. Der grobe Ton, in welchem dieselben geführt wurden, war von Mattheson gleich in der ersten Zeitschrift angegeben. Seine Nachfolger nahmen ihn ungemildert von ihm auf. Erst Hiller schuf in dieser Hinsicht eine Wandlung.
„Critica musica d. i. Grundrichtige Untersuch- und Beurtheilung vieler, theils vorgefasster, theils einfältigen Meinungen, Argumenten und Einwürffe, so in alten und neuen, gedruckten und ungedruckten Musicalischen Schrifften zu finden. Zur müglichsten Ausräutung aller groben Irrthümer, und zur Beförderung eines besseren Wachsthums der reinen harmonischen Wissenschaft in verschiedene Theile abgefasset und Stück-weise herausgegeben von Mattheson.“
Hamburg, im Mai 1722. Auf Unkosten des Autoris. 4°.
Die Zeitschrift erschien im ganzen in 24 monatlichen Stücken. Die ersten 12 derselben, welche vom Mai 1722 bis zum April 1723 erschienen, bilden einen Band von 368 Seiten. Die Stücke [10] 13-24 des zweiten Bandes tragen keine Daten, sondern nur der ganze 380 Seiten starke Band führt die Jahreszahl 1725. Im 14. Stück ist jedoch das am 24. Juni 1724 erfolgte Begräbnis von Johann Theile angezeigt. Demnach wird dieses 14. Stück im Juli 1724 erschienen sein. Wenn wir annehmen, dass das 13. Stück im Juni 1724 erschien, so können wir zwischen dem Erscheinen des 12. und 13. Stückes eine Pause von 13 Monaten feststellen. Ausser der Teilung nach 24 Stück ist noch eine solche nach acht Teilen vorgenommen, deren jeder eine zusammenhängende „Materie“ behandelt. Im „Vortrab“ spricht sich Mattheson über die Gründe aus, die ihn zur Herausgabe des periodischen Werkes bewogen hatten.
Wie in einem noch so gut gepflegten Garten das Unkraut doch immer wieder hervorkäme, so richteten auch in der Musik die Irrlehren entweder sub specie philosophica oder sub pelle modernae inscitiae immer wieder Schaden an.
„Weil ich denn nun sehe, dass dieses Ding nicht auf einmohl, oder mit einem einzigen Werke, zu heben ist: so habe mich entschlossen, die Arbeit per intervalla vorzunehmen, ob vielleicht dadurch was bessres auszurichten sey. Ich zweifle daran um so viel weniger, weil bey heutiger Mode, gar selten ein ganzes Buch; leicht aber ein paar monathliche Bogen, aus, und recht zu Ende gelesen werden. Auf diese Art ist auch der Angrif immer neu, und dürffte fast wie ein steter Tropfen-Fall, endlich hie und da die Steine löchericht machen.“
Auch an anderen Stellen äussert sich Mattheson über die Beweggründe zur Herausgabe der Crit. mus. Im Vorbericht zum II. Bd. heisst es, dass der Hauptzweck des Werkes dahin gehe, gute Musiker, nicht aber gute Satyren zu machen. An einer anderen Stelle (Bd. I, 56) lesen wir, dass ihn die unverfälschte Liebe zur Wahrheit und rechten musikalischen Wissenschaft dazu veranlasse.
Ausser den aufklärenden Realien sollen „einige musikalische Nouvelles, Avantures, Avertissements, Histöryen und Bedenken, von Opern, Conzerten, besonderen Subjectis etc. zu allerseitigen Nutzen, Recommendation und Aufnehmen mit einfliessen; anerwegen es daran bisher gefehlet, und viel gutes daraus zu hoffen stehet.“ [11] Die Hauptsache aber soll die Besprechung musikalischer Schriften sein, deren Irrtümer ausgemustert, gesunde Lehren aber vorgetragen werden sollen.
Über den Absatz der Crit. mus. sagt Mattheson im Vorbericht des zweiten Bandes, dass derselbe zwar nicht gross sei, er sei aber mit „einer gar mässigen Anzahl recht musikalisch gesinnter Leser gern zufrieden“.
Der die ersten drei Stück ausfüllende I. Teil ist eine Abwehr einer gegen Mattheson erschienenen Schrift des Münchener Musikdirektors Murschhauser, welcher sich erkühnt hatte, im ersten und einzigen Teil seiner „Academia Musica poetica partita etc.“ Mattheson „ein mehrers Licht zu geben und denen à la modischen herumfladdernden Componisten den gebahnten ebenen Weg zum Parnasso zu weisen“.
Mattheson hatte durch seine drei Schriften:
- „Das neueröffnete Orchester“ (1713),
- „Das beschützte Orchester“ (1717) und
- „Das forschende Orchester“ (1721),
in welchen er der in der Musiktheorie noch immer weiter geschleppten Solmisation und sonstigen starren scholastischen Tonlehren den Krieg erklärte, auch den Widerspruch dieses katholischen Kirchenmusikers erregt. Murschhauser wollte die Solmisation als zur Erlernung der Musik höchst notwendig und „als das rechte Licht, um die secreta der Musik zu eröffnen,“ verteidigen. Jedoch das Ungeschick, mit welchem er sich für diese vergilbte mittelalterliche Musiktheorie ereiferte, besonders aber die Anmassung, mit der er Mattheson und dessen theoretischen Reformbestrebungen entgegentrat, erregten den ganzen Grimm dieses streitbaren Federhelden, der ihm mit lapidarer Grobheit und schlagfertiger Schärfe eine so gründliche Abfertigung zu teil werden liess, dass sich der „bairische Lichtschmelzer“ mit dem versprochenen zweiten Teil seiner Schrift gar nicht hervorwagte.
Einige Proben aus Matthesons „Schneutzungen der melopoetischen Lichtscheere“ genannten Abfertigungen mögen einen Begriff [12] geben von der niederschmetternden Derbheit, mit der man sich traktierte.
Gleich zu Anfang heisst es: „Es ist nun jährig, wie ein stercus in Coterna, ein Carfunkel im Ofenloch, ein vortrefflicher Leuchten-Versorger, in dieser dunklen Welt erschien, ein Mann, der sich verspricht, dass seine Irrlichter, wie etwa die allerbesten Flambeaux, vier auf ein Pfund, wenig oder gar keines Putzens bedürffen, weil er sie mit einem cacadaemischen Nahmen, als mit Hasenfett begossen; und ein paar sogenannte classicos zu Meister-Gesellen gebrauchet haben will.“
„Er hat sich’s endlich jammern lassen, dieser gregorianische Ton-Krämer, dass andere Leute in finsteren Kellern wohnen sollen, indes er allein mit dem herrlichsten Glanze oben auf dem Parnasso zu prangen sich einbildet. Damit des Rectoris magnivitii solcher hohlen Schule Einbildung ein wenig beschnitten werde, muss derselbe nicht ungütig nehmen, dass man ihm hiermit eine kleine, aber fein scharffe, mit gehöriger Spitze versehne Putz-Scheere einliefert, damit selbige sein mageres, ausgedorrtes altes Tocht, welches bey hellem Tage so elend brennet, als ob ein Jude dabey gastiren sollte, säuberlich schneutzen, und, wenns möglich, zu guter Letzte, noch etwas weniges aufklären möge.“
Der II. Teil, welcher die Stücke vom August, September und Oktober umfasst, heisst: „Die Parallele, d. i. Eine Vergleichung zwischen den Italienern und Franzosen, betreffend die Musik und Opern.“
Unter dieser Überschrift giebt Mattheson eine Übersetzung der Schrift von Raguenet, welcher der italienischen Musik den Vorzug giebt, der dann im III. Teil, genannt „Der französche Anwalt“, eine Übersetzung der Dissertation von Vieuville folgt, welcher die französische Musik in Schutz nimmt. Mattheson erklärt, dass er diese Übersetzungen mitteile, weil es in deutscher Sprache derartige Abhandlungen über die Opern nicht gebe.
In dem die ersten vier Monatshefte von 1723 umfassenden IV. Teil finden wir Mattheson wieder da, wo er sich am wohlsten fühlte, nämlich auf dem Kampfplatz. Diesmal sollte ihm jedoch [13] der Sieg nicht so leicht fallen, als gegen den schwächlichen Murschhauser. Sein neuer Gegner, der Wolfenbütteler Organist Bokemeyer, war ihm an Gelehrsamkeit und Schlagfertigkeit gewachsen und wusste alle kritischen Einwürfe geschickt zu parieren. Unter der Überschrift: „Canonische Anatomie“, deren einzelne Teile „Schnitte“ genannt werden, wird auf Wunsch Bokemeyer’s der Briefwechsel dieser beiden Gelehrten veröffentlicht, welche hier über den Wert des Canons für die musikalische Komposition disputieren.
Während Bokemeyer einen Musicum poeticum durch das Studium des Canons auf den höchsten Gipfel der Kunst führen will, sieht Mattheson in den Canons und sonstigen gelehrten kontrapunktischen Formen nur eine Übung des Verstandes und Witzes, eine Künstelei, durch die das Herz keines Zuhörers gerührt würde. Mit ganzer Energie tritt Mattheson – und darin ist er nach seinem eigenen Ausspruche der erste – für die Ausbildung der Melodie ein. Die von Bokemeyer gepriesenen Kontrapunktioten seien „Künstler in der Harmonie und Hümpler in der Melodie, mit einem Worte, künstliche, mühselige Stümper“.
Als es Mattheson nicht gelingen will, seinen Gegner zu bekehren, ruft er Keiser, Heinichen und Telemann als Schiedsrichter an, welche sich gegen die von Bokemeyer behauptete Wichtigkeit des Canons erklären und sich im Sinne Matthesons äussern. Schliesslich erfährt Mattheson den Triumph, dass sich Bokemeyer für besiegt erklärt und sich bedankt, dass Mattheson ihn zur Melodie „als der einzigen und wahren Quelle echt musikalischer Kunst“ geführt habe.
Es ist ein grosses Verdienst Matthesons, dass er mit dieser Schrift der übertriebenen Hochachtung vor der gelehrten Augenmusik einmal energisch Abbruch that. Die Bedeutung seines Sieges wächst noch durch die Schwierigkeit, welche ihm sein mannhafter Gegner bereitete; bedurfte es doch der ganzen Geistesschärfe, Schlagfertigkeit und diplomatischen Schlauheit eines Mattheson, um ihn zur Kapitulation zu bringen.
Der V. Teil ist „Des fragenden Komponisten Verhör“ genannt. [14] In der Form des in Lehrbüchern des 18. Jahrhunderts sehr beliebten Dialoges (z. B. Fux: Gradus ad Parnassum) zwischen dem lehrbegierigen Komponisten Melophilus und seinem Lehrer werden hier Einzelheiten, die bei der Komposition einer Passion zu beachten sind, erläutert. Die ängstlichen Bedenken des am toten Regelkram klebenden Schülers, ob er hier eine Fuge, dort eine Passage anbringen müsse, ob er dieses Wort wiederholen, jene Worte durch Pausen trennen dürfe, werden durch den einsichtsvollen und freimütigen Lehrer durch die Einwürfe verscheucht, dass nicht das Muster anderer Komponisten massgebend sei, sondern dass überall die gesunde Vernunft entscheiden müsse. Es käme nicht allein darauf an, einen reinlichen Kontrapunkt zu schreiben, sondern durch eine charakteristische Melodie die Gemütsbewegung des Textes wiederzugeben. Das sei die Hauptsache. Mit dem Satze „Exempel geben besseren Unterricht, wenn man Regeln daraus zieht, als Regeln thun können, nach welchen man Exempel machen wollte,“ schliesst Mattheson seine lehrreiche Abhandlung, welche zu seinen gegen Bokemeyer verfochtenen Ansichten eine weitere Ausführung bildet.
Der VI. Teil: „Die lehrreiche Meisterschule oder freundlicher Unterricht für solche, die, ohne zulänglicher musikalischer Gelehrsamkeit, den Meister spielen wollen“, Stück 15–17, ist eine Antwort Matthesons auf das Sendschreiben eines Ungenannten vom 1. November 1720. Dass dieser Ungenannte Buttstedt war, der Verfasser jener bekannten gegen Matthesons „Neu eröffnetes Orchester“ gerichteten Schrift ut re mi fa sol la, tota musica, geht aus einigen Anspielungen hervor; so z. B. bezeichnet er sich selbst als Organist aus Erfurt. Mattheson sagt freilich in den einleitenden Abschnitten dieser neuen Oppositionsschrift, er wolle nur die Hauptpunkte des Buttstedt’schen „Missive“ rezensieren, die groben grammatischen Fehler aber aus Bescheidenheit und Mitleid übersehen; er findet aber dennoch manche Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf seines Feindes Blösse zu lenken. Auf die einzelnen Stadien dieses ebenfalls für Mattheson siegreichen Federkrieges, der namentlich seiner weit ausgedehnten Belesenheit ein glänzendes [15] Zeugnis ausstellt, näher einzugehen, müssen wir uns versagen.
Der VII. Teil: „Die Orchester-Kanzeley oder Gutachten, Briefe, Aussprüche, Untersuchungen etc. der ehemaligen Scheidesmänner beym Orchester-Process“ (Stück 18-20) ist die Veröffentlichung der Korrespondenz Matthesons mit mehreren der bedeutendsten Musiker seiner Zeit in betreff der durch seine drei „Orchester“ in Anregung gebrachten Neuerungen und bildet den formellen Schluss des seit fast zwölf Jahren geführten Kampfes gegen Solmisation und Modi. Von den 13 Schiedsrichtern, unter denen auch Fux, Händel, Heinichen, Joh. Phil. Krieger, Kuhnau und Telemann waren, sprachen sich zehn in Matthesons Sinne aus. Unter den mitgeteilten Briefen ist der von Fux, in welchem er sich für Beibehaltung der Guidonischen Solmisation erklärt, von stilistischem Interesse. Er lässt uns nicht daran zweifeln, dass dem Verfasser des „Gradus ad Parnassum“ Lateinisch geläufiger war als Deutsch.
Auf die ebenfalls in dieser Korrespondenz enthaltenen Bitten Matthesons, für seine „Ehrenpforte“ von Fux biographische Mitteilungen zu bekommen, erfolgten abschlägige Antworten. L. v. Köchels gut fundierte Fux-Biographie hat freilich das Wissenswerte aus den späteren Lebensjahren festgelegt, jedoch die Entwicklungsperiode 1660-96 des eigensinnigen und selbstbewussten „Oberkapellmeisters dreier Kaiser“ wird wohl in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt bleiben.
VIII. Teil: „Der melodische Vorhof, d. i.: Herrn Heinrich Bokemeyers, Cantoris der Fürstl. Schule in Wolfenbüttel Versuch von der Melodica.“
Angeregt durch die im IV. Teil mitgeteilten „canonischen Anatomie-Schnitte“ hatte Bokemeyer es unternommen, eine kleine Abhandlung über Melodie zu schreiben, um dadurch einen aktiven Beweis seiner Bekehrung zu liefern. Mattheson bespricht die einzelnen Sätze dieses Traktats in freundschaftlicher Weise ohne Bitterkeit, aber auch ohne Schmeichelei, mit kritischer Schärfe und mit Aufwand vieler Gelehrsamkeit. [16] Dem Anspruch auf Mitteilungen musikalischer Tagesereignisse, den wir an unsere heutigen Musikzeitungen zu stellen gewohnt sind, wird die Crit. mus. durch Nachrichten unter der Überschrift: „Neues von musicalischen Sachen und Personen“ gerecht. Wir lesen da von Telemanns Verdiensten um die Hamburger Kirchenmusik, von Häuflings neuer Klaviatur, auf der man mit unverändertem Fingersatz ein bis fünf Töne transponieren und eine Duodecime mit einer Hand greifen könnte, von Keisers neunzigster Oper, die er „zum Wunder aller Musiker“ komponierte, von der Aufführung der Händelschen Passion in Lüneburg, von einer vornehmen musikalischen Gesellschaft in London, von Joh. Phil. Kriegers Leben und Werken, von Faustina Hasses Gehalt in Wien von 15000 fl. u. a. m.
„Der musikalische Patriot, Welcher seine gründliche Betrachtungen, über Geist- und Weltl. Harmonien, samt dem, was durchgehends davon abhänget, in angenehmer Abwechselung zu solchem Ende mittheilet, dass Gottes Ehre, das gemeine Beste und eines jeden Lesers besondere Erbauung dadurch befördert werde.“
Ans Licht gestellet von Mattheson.
Hamburg im Jahr 1728. 376 Seiten. 4°.Der Titel dieser Zeitschrift ist zweifellos dem des Organs der „teutsch übenden Gesellschaft“ in Hamburg „Patriot“ (1724) nachgebildet.
Forkel und Becker bezeichnen den musikalischen Patrioten nicht als Zeitschrift, sondern als ein Buch, welches die Musik bei den Hebräern behandelt. Auch Freystätter führt in seinem Verzeichnis diese Zeitschrift nicht mit an. Bei nur oberflächlicher Betrachtung hält man sie allerdings nicht für ein Buch, welches aus periodisch erschienenen Stücken zusammengesetzt ist, denn es wird weder in der Zueignungsschrift vom 3. Jenner 1728 etwas vom Erscheinen des „Patrioten“ erwähnt, noch tragen die 43 „Betrachtungen“, [17] in welche das Buch eingeteilt ist, ein Datum. An einigen Stellen des Buches werden jedoch Angaben gemacht, die uns über das periodische und zwar wöchentliche Erscheinen vom Januar 1728 ab den klarsten Aufschluss geben. So schreibt Mattheson S. 89: „Es ist unlängst eine gewisse artige feine Schrifft wider den mus. Patrioten gedruckt worden.“ S. 101: „Durch die erste Betrachtung ist ein feiner junger Mann, eines reichen Handelsmannes Sohn, bewogen worden, seine Geschicklichkeit anzubieten und in der Kirche mit zu musicieren, welches hier recht was neues und ungewohnliches ist.“ In der 17. Betrachtung S. 141 stellt Mattheson die Preisfrage wie der Ausspruch des jüngeren Plinius: „Theatra musicos male canere docuere“ zu verstehen und wo derselbe citiert sei. Dann heisst es weiter: „Wer mir die Auslegung zwischen diesem und künfftigen Sonnabend (als dem 8. May) schrifftlich und richtig einsendet, dem will ich ein ganz neues und nützliches Buch zurückschicken und verehren.“ S. 214 heisst es in einem Brief vom 7. April 1728 ohne Ortsangabe: „Ihre wöchentlichen Bogen werden hier von allen rechtschaffenen Liebhabern mit tausend Lust gelesen.“ S. 337 u. f. erwähnt Mattheson, einige seiner Gegner hätten schon bei den ersten Blättern gesagt, er würde schwerlich ein halb Dutzend füllen, da er ja ganz allein an seinen wöchentlichen Blättern arbeitete und Verfasser, Verleger, Verbesserer und Ausgeber in einer Person sein müsste. Und endlich S. 342 schreibt Kapellmeister Treu aus Beuthen in Oberschlesien, er versäume keinen Posttag, „die sowol nützliche, als jedem Stande lesenswürdige Edition des musikalischem Patrioten mit Ernst und grösstem Eifer durchzugehen,“ wozu Mattheson bemerkt: „Sobald hätte ich gleichwol den musikalischen Patrioten an den polnischen Gränzen nicht gesucht.“
Über den Grund, der ihn zur Herausgabe dieser Zeitschrift bewog, äussert sich Mattheson im Vorbericht dahin, dass er in echt patriotischem Sinne auf die Bedeutung der Musik für das menschliche Leben aufmerksam machen wolle. Die Musik sei mehr als ein äusserlicher Zierrat, mehr als eine blosse Ohrenergötzlichkeit, für die sie Wolff in seiner platten Auffassung erkläre. (Vergl. 3. Betr.) [18] Die Kammermusik ist es besonders, deren Förderung diese Zeitschrift gewidmet ist. Mattheson will in der Kirche „nicht allezeit den alten verdriesslichen und unverständlichen Kontrapunkt-Stil, sondern auch lebhaffte, freie und freudige Music-Manieren, musicam figuralem“, um Gottes Lob zu singen. Unter Berufung auf die Aussprüche zahlreicher, namentlich theologischer Autoritäten, die seiner weitschichtigen Belesenheit auf allen Gebieten ein glänzendes Zeugnis ausstellt, verteidigt Mattheson die vokale und instrumentale Kirchenmusik als ein Gott wohlgefälliges Opfer. Die Bedenken engherziger Geister, ob nicht Gott ausschliesslich den sich in gleichwertigen Noten und in einerlei Rhythmus fortbewegenden Choralgesang zu seiner Verherrlichung befohlen habe, dagegen nicht den in verschiedenartigen Rhythmen und in kontrapunktischer Vielstimmigkeit komponierten Figuralgesang, erkennt Mattheson freilich als nichtig, er verscheucht sie aber dennoch durch eine ausführliche Besprechung aller der Bibelstellen, welche auf Musik Bezug haben. Mattheson kann hieraus beweisen, dass die Juden figuraliter gesungen haben, dass sie auch an Buss- und Trauertagen unter Instrumentalbegleitung sangen, dass die Musik auch zu nicht gottesdienstlichen Zwecken erlaubt war, dass endlich die Frauen an der Musik thätigen Anteil nahmen, lauter Punkte, über deren Zulässigkeit in der christlichen Kirche sich buchstabengläubige, orthodoxe Geistliche Skrupel gemacht hatten. Namentlich die kirchliche musikalische Bethätigung der Frauen erregte noch immer Bedenken. Wie schon vorher im „neueröffneten Orchester“, später in der Crit. mus. II. (S. 320), musste Mattheson auch noch hier das seit Jahrhunderten weitergeschleppte „mulier taceat in ecclesia“ bekämpfen.
Mattheson kommt nach seinen Schriftforschungen endlich zu dem Schluss (S. 77): „Es verpflichtet uns des Herrn Christi unveränderlicher Wille und Befehl, auch ex principio creationis et naturae selbst, wenn sonst nichts wäre, obgleich eben nicht genau zu dieser oder jener Anzahl der musizierenden, zu dieser oder jener Art der Figural-Musik, dennoch zum Loben und Danken, das ist, zum künstlichen Singen und Spielen überhaupt, nach unserer [19] besten Weise.“ Die Beweisführung nach Citaten der Bibel ist nicht in einer zusammenhängenden Abhandlung dargestellt, sondern zieht sich, durch vielfache Exkurse und andere Artikel unterbrochen, durch alle 43 Betrachtungen, wodurch das Verständnis für die Deduktion einigermassen erschwert wird. Veranlassung zu diesen Abschweifungen findet Mattheson vielfach da, wo Vergleichungen altisraelitischer Verhältnisse mit modernen zu einer Kritik der letzteren herausfordern, manchmal freilich finden sich auch Exkurse neben dem Hauptthema ohne inneren Zusammenhang. Diese Abschweifungen haben für uns das Gute, dass wir durch sie manche interessante musikhistorische Nachrichten erhalten. So finden wir z. B. in der VII. Betrachtung Mitteilungen über Hamburger Musikverhältnisse. An weltlichen Musikern habe Hamburg keinen Mangel, 50 sogenannte Meister, Laquaien ungerechnet, unterrichteten in Klavier. Im Ganzen gebe es 150 Musiklehrer in Hamburg. Aber um die Kirchenmusik sei es schlecht bestellt, namentlich fehle es an Sängern. „17 Kirchen haben fünf bis sechs Vokalisten. In andern grossen Städten, als da sind Breslau, Berlin, Braunschweig, hat fast jede Kirche ihren eigenen Cantorem, samt zugehörigen Adjuvanten. Hier soll es einer thun, mit einerley Leuten. Da dann manche Hauptkirche offt in sieben Wochen, die Filialen und Hospitäler aber kaum einmahl im Jahr Music haben.“
In der III. Betrachtung erhalten wir einige Mitteilungen über die traurigen Gehaltsverhältnisse der evangelischen Kirchenmusiker. Ein gewisser Kantor bekomme im Jahre kaum 24 Reichsthaler, ein anderer in einer grossen Stadt bekomme für Privatstunden in Musik quartaliter acht Gutegroschen. Dass bei solchen Zuständen das Ansehen von Musik und Musikern noch mehr sinke, sei begreiflich.
Mit Beziehung auf Bibelstellen, welche bewiesen, dass die Juden auch bei traurigen Anlässen musiziert hätten, tadelt Mattheson zu wiederholten Malen (10. 32. u. 35. Betr.) die Gepflogenheit, an Busstagen ohne Orgel zu singen, oder bei Todesfällen von Fürstlichkeiten alle Musik manchmal sechs Monate lang zu unterlassen. Auch Scheibe (Kritischer Musikus 55. Stück) trat der [20] Ansicht entgegen, als ob die Musik, als eine üppige Kunst, zu Trauerfeierlichkeiten nicht geeignet sei.
Zu den Bedenken, die man vielfach gegen die neuere Kirchenmusik hegte, gehörte auch dies, dass man sie zu theatralisch fand. Matthesons Bekämpfung von Einwürfen solcher Art nehmen einen breiten Raum dieser Zeitschrift ein.
Als die höchste Form musikalischer Komposition sah man bis zum Erblühen der klassischen Sinfonie die Oper an. Da in ihr „die göttliche Musik ihre Vortrefflichkeit am Besten sehen lasse“, so übertrug man ihre Formen auch auf die Kirchenmusik. Den neuen Formen wollten sich die Bibelstellen in Prosa nicht anpassen, deshalb griff man zu freien Dichtungen, welche in dramatischer Form gehalten waren. Diese Neuerung erregte Widerspruch, namentlich bei der orthodoxen Geistlichkeit, welche darin einen Unfug sah. Mattheson dagegen verteidigte die neue Kompositionsart, weil durch sie viel besser der Zweck der Kirchenmusik erreicht werde, nämlich der, „die Gemüthsneigungen der Zuhörer rege zu machen, und auf gewisse Weise in Bewegung zu bringen, es sei zur Liebe, zum Mitleid, zur Freude, zur Traurigkeit“. Es lag ihm daran, diejenigen zu widerlegen, welche sich an dem Ausdruck „theatralische Kirchenmusik“ stiessen, weil ihnen alles, was mit „Theater“ zusammenhing, verächtlich erschien.
Mattheson, der vorher durch seine theologischen Kenntnisse imponierte, der sich in der 38. Betrachtung durch eine genaue Beschreibung des Ohres sogar als Mediziner legitimiert, prunkt jetzt mit philologischem Wissen, indem er eine Ableitung des Wortes „Theater“ giebt und seine Leser über Theaterverhältnisse bei Griechen und Römern unterrichtet. Den Ausdruck „theatralisch“ will Mattheson im weitesten Sinne gefasst wissen. Das Operntheater sei nur eine kleine Kunstwelt auf dem Schauplatz eines Riesentheaters genannt „Welt“. „Theatralisch“ sei überhaupt jede künstliche Nachahmung der Natur (S. 118): „Die Grammatik ist theatralisch: denn sie ahmet der Rede nach. Die Logik ist theatralisch: denn sie künstelt auf die Vernunfft. Die Rhetorik ist theatralisch: denn sie redet verblümt. Die Musik ist theatralisch: [21] denn sie spricht durch Töne, auch ohne Mund. Die Malerey ist theatralisch: denn sie ahmet die Natur mit Farben nach“ etc. Wie man bei Promotionen an Universitäten, Paraden beim Militär, bei feierlichen Leichenbegängnissen theatralisches Wesen habe, so habe auch die Kirche in vielen Äusserlichkeiten Ähnlichkeiten mit dem Theater. Man möge doch nur die Geistlichen in ihren verschiedenen Bekleidungen, die Sakristei zum Umkleiden der Hauptakteure, den bezahlten Sitz, die Illuminationen sogar bei Tage und manches andere beachten. Selbst die Bibel könne des theatralischen Wesens nicht entbehren, denn sie enthalte Tragödien, Komödien und Gedichte.
Im losen Zusammenhang mit seiner Vertheidigungsrede für das Theater unternimmt es Mattheson, ein Verzeichnis sämtlicher in Hamburg seit 1678, dem Geburtsjahre der deutschen Oper, aufgeführten Stücke aufzustellen und damit den für die Musikgeschichte wichtigsten Beitrag des ganzen Patrioten zu liefern (22.-24. Betr.).
Ohne einen Federkrieg geht es auch in dieser zweiten Zeitschrift des streitbaren Hamburger Kritikers nicht ab, wir werden aber nicht wie in der Critica musica zu Augenzeugen des Duells gemacht, sondern hören das Kampfgetümmel nur von ferne.
Der Professor Meyer in Göttingen hatte 1726 seine „Unvorgreiflichen Gedanken über die neulich eingerissene Theatralische Kirchenmusik“ erscheinen lassen, die von Mattheson durch seinem „Neuen Göttingischen Ephorus“ widerlegt wurden. Meyer wollte das letzte Wort haben und antwortete mit dem „Anmasslichen Hamburgischen Criticus sine crisi“. Mattheson will diese Schrift nicht gelesen haben, trotzdem sie ihm zugeschickt war, sondern sie nur aus Auszügen kennen. Soviel wir aus den in der 25. und 26. Betrachtung mitgeteilten Briefen über den Crit. sine crisi ersehen, strotzte dieser von Injurien und persönlichen Angriffen. Mattheson, der vielleicht diese Grobheit nicht übertrumpfen konnte, versuchte sich diesmal in einer ganz anderen Kampfweise als in der Crit. mus. Nicht nur in diesem Streit mit Meyer, sondern im ganzen Patrioten, wo er nur Veranlassung hat, persönlichen [22] Invektiven entgegen zu treten, thut er dies nicht mit niederschmetternder Derbheit, sondern mit der Sanftmut und Liebe eines demütigen Christen, der in allen Angriffen seiner Feinde nur eine zu seiner Besserung nötige Zulassung Gottes sieht und sich stets in Gottes Hand geborgen weiss. Durch die Beschäftigung mit dem Bibeltext hatte Mattheson eine Menge Bibelsprüche kennen gelernt, in denen er sich bespiegelte als den Gott vertrauenden Streiter für Wahrheit und Recht, dem die Nachstellungen seiner Feinde nichts anhaben könnten, oder als den unschuldig Leidenden, der aber noch über seine Feinde triumphieren werde.
Wie in der Crit. mus. II, so lässt auch hier der eitle Verfasser Gedichte abdrucken, in denen er besungen wird, ausserdem teilt er noch amtliche Zeugnisse über seine Thätigkeit als Sekretär bei der englischen Gesandtschaft und als Hochfürstlich-Holstein’scher Kapellmeister mit.
Der eigentliche Zweck einer Zeitschrift, nämlich der, Tagesereignisse zu besprechen, ist im Patrioten wenig beachtet. Abgesehen von den schon mitgeteilten zufälligen Nachrichten über die Hamburger Oper, finden wir nur noch einen Artikel der Art, nämlich den Abdruck eines Briefes aus Richmond, in welchem eine neue Klaviatur vorgeschlagen wird, bei welcher Ober- und Untertasten in ununterbrochener Reihenfolge nebeneinander liegen.
„Lorenz Mizlers der Weltweisheit und der freyen Künste Lehrers auf der Academie zu Leipzig, und der Societät der musicalischen Wissenschaften Mitglieds und Secretarius Neueröffnete Musicalische Bibliothek oder gründliche Nachricht nebst unpartheyischen Urtheil von musikalischen Schriften und Büchern.“
Leipzig 1736, zu finden bey Brauns seel. Erben. 4 Bde. 8°.Der erste Band besteht aus 6 Teilen. In der Vorrede zum I. Teil vom 20. Oktober 1736 sagt Mizler, es solle nach Vollendung [23] des 1. Bandes, welcher erst im Verlauf von 2 Jahren fertig sein werde, jeden Monat ein Teil erscheinen. In der Vorrede zum ganzen ersten Bande korrigierte er sich dahin, dass nur alle Vierteljahr ein Teil erscheinen solle. Dies Versprechen hat Mizler jedoch nicht gehalten, denn von den vier Teilen des II. Bandes erschien der erste 1740, die beiden folgenden 1742 und der vierte 1743. Vom III. Bande erschienen die beiden ersten Teile 1746, der dritte 1747, der vierte 1752. Vom IV. Bande erschien nur der erste Teil, und zwar 1754.
Mizler steht zu Mattheson in einem vollständigen Gegensatz. Während der Hamburger mit seinem Wissen und seiner Bildung der wirklichen lebendigen Kunst seiner Zeit dienen und raten wollte, suchte der Leipziger eine neue Scholastik anzubahnen.
Er sah in der Musik weniger eine Kunst, als eine Wissenschaft, zu deren vollständiger Erkenntnis es vieler Hilfswissenschaften bedürfe. Sich wie die meisten Musiker mit dem vorhandenen Resultat der Harmonie zu begnügen, hielt er nicht für den richtigen Standpunkt. Er sagte, man müsse die Bedingungen zu erkennen suchen, unter welchen das sinnliche Wohlgefallen an der Harmonie entstehe, denn für die Beurteilung und Begründung der musikalischen Harmonie sei nicht das Ohr massgebend, sondern die Vernunft. Die Vernunft habe auch den musikalischen Geschmack zu begründen, wobei freilich das Ohr beständig zu Rate zu ziehen sei (Bd. II, 563). Als Hilfswissenschaft für die Musik kam dabei in erster Linie die Mathematik, „die schönste und höchste aller Wissenschaften“, in Betracht, und zwar zur Untersuchung der Harmonie, ausserdem noch physikalische Kenntnisse zum Verständnisse der Theorie des Schalles, philosophische zur Ergründung des Wesens der Musik, altsprachliche zu musikgeschichtlichen Studien und anatomische zur Kenntnis des Gehörs.
Die Musik hatte bei Mizler auch einen bestimmten „Zweck“, nämlich den, durch Erregung und Stillung der Leidenschaften die Herzen der Menschen zur Tugend zu lenken und die guten Sitten zu fördern. (Bd. III, 77, 540, 604 u. a. a. Stellen.) [24] Aus diesem Gesichtspunkte beurteilte Mizler die Bücher, welche er in seiner Bibliothek besprach, aus diesem Gesichtspunkte traf er auch die Auswahl unter den zu besprechenden Büchern, wobei er sein in der Vorrede zum I. Band gegebenes Versprechen, die sämtlichen musikalischen Bücher seit Aristoxenos zu beurteilen, schlecht einhielt.
Die Bücherbesprechungen nehmen den grössten Teil der Bibliothek in Anspruch. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, eine auch nur skizzierte Inhaltsangabe der besprochenen Bücher zu geben, da die hierauf verwandte Zeit und Mühe häufig in gar keinem Verhältnis zu dem resultierenden praktischen Nutzen stehen würde. Es interessiert uns nur der Standpunkt, den Mizler einnimmt.
Seiner Begabung entsprechend wählte er mit Vorliebe solche Bücher aus, in denen mathematische Berechnungen einen breiten Raum einnehmen, so z. B. die „Exercitationes Musicae theoretico-practicae curiosae de concordantiis singulis“ von Printz, deren Besprechung sich durch neun Teile der Bibliothek hindurch fortsetzt, ferner: „Tentamen novae theoriae musicae“ von Euler.
Euler ging von dem Grundsatze aus, dass die Annehmlichkeit an dem Zusammenklange von Tönen um so grösser sei, je kleiner das Zahlenverhältnis wäre, durch welches sich die Tonbeziehungen ausdrücken liessen. Hierbei kam er aber mit den Forderungen des musikalischen Gehörs in den schärfsten Konflikt. Nach der Stufentabelle der Annehmlichkeit nämlich, welche er aufstellte, musste die Konsonanz 1:10 = C:e als auf der sechsten Stufe der Annehmlichkeit befindlich dem Ohre weniger gefallen, als die Dissonanz 1:9 = C:d´´, welche auf der fünften Stufe ihren Sitz hatte.
Mizler, der aus diesen Deduktionen erkennen musste, dass die Mathematik zur Begründung eines musikalischen Systems nicht ausreiche, wies diese Theorie mit aller Ehrerbietung gegen den grossen Gelehrten zurück. Er fühlte recht wohl, dass diese Art, die Mathematik der Musik dienstbar zu machen, den Musikern Gelegenheit geben müsse, sich über die mathematischen Theoretiker lustig zu machen. [25] Natürlich geht es in solchen mathematischen Abhandlungen ohne eine Menge von Berechnungen nicht ab, jedenfalls zum Entsetzen aller Musiker, die, wie Vogler einmal sagte, drei Kreuze schlügen, wenn sie in einem musiktheoretischen Werke überhaupt eine Zahl sähen.
Von den übrigen Artikeln der Bibliothek ist ein Auszug aus Gottscheds „Kritischer Dichtkunst“, in welchem von der „Beschaffenheit der Oden“ geredet wird, deshalb von besonderem Interesse, weil Mizler in den begleitenden Anmerkungen im Anschluss an Gottscheds Abhandlung einige Fingerzeige für die Komposition der Oden giebt und damit den ersten Versuch zu einer Theorie der Liederkomposition liefert. Von einigen anderen Büchern, deren Bekanntschaft in Auszügen oder Besprechungen durch Mizlers Bibliothek erleichtert wird, seien noch die Titel genannt:
- Psellos (1070), Kurzer Inbegriff der Musik aus dem Griechischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Mizler.
- Otto Gibelius, Von der Solmisation, Bremen 1659.
- Horologium Musicum, Regenspurg 1676.
- Werckmeister, Der edlen Music-Kunst Würde, Gebrauch und Missbrauch 1691.
- Werckmeister, Musical. Memorial 1697.
- Cribrum musicum oder Musikalisches Sieb 1700.
- Generalbass 1715.
- Orgel-Probe 1716.
- Quirsfeld, Kurzer Inbegriff der Singe-Kunst 1717.
- Beer, Musical. Discourse 1717.
- Kellner, Treulicher Unterricht im Generalbass 1732.
- Meinard Spiess, Tractatus musicus compositorio practicus 1746.
Die durch die ganze Bibliothek verstreuten Nachrichten von der „Societet der musicalischen Wissenschaften“ unterrichten uns von einer Gelehrten Gesellschaft, welche es sich zur Aufgabe [26] machte, „die musikalischen Wissenschaften, sowohl was die Historie anbelanget, als auch was aus der Weltweisheit, Mathematik, Redekunst und Poesie dazu gehöret, so viel als möglich ist, in vollkommenen Stand zu setzen“, um dadurch ein vollständiges System der Musik aufzubauen. Mizler war Gründer dieser Societät und hat auch die Satzungen ausgearbeitet. Da fanden Musikverständige, die nur in der Praxis erfahren waren, keine Aufnahme, wohl aber Theoretiker, „wenn sie gleich in der Ausübung nicht viel wissen, weil sie in den mathematischen Ausmessungen etwas erfinden können“. Die sechste Satzung lautete: „Die Mitglieder sollen bey Verfertigung ihrer Schriften vor Allem auf die Schreibart der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig und die Lehren und Grundsätze der Wolf’schen Weltweisheit deswegen sehen, weil jene vor anderen vernünftig, diese aber in der Musik vor anderen nützlich sind.“ Die besten Arbeiten sollten in der Bibliothek veröffentlicht werden.
Die wissenschaftlichen Abhandlungen der Societät betrafen Fragen wie die folgende: „Warum zwey unmittelbar aufeinander folgende Quinten und Octaven nicht wohl ins Gehör fallen?“ Es wurde in solchen philosophischen Arbeiten viel Kenntnis und Scharfsinn aufgewandt, ohne dass dadurch für die praktische Musik wesentliche Errungenschaften erzielt wurden. Bach war Mitglied, Händel Ehrenmitglied der Societät; beide bekümmerten sich aber nicht um die wissenschaftliche Musik.
An historischen Notizen über musikalische Tagesereignisse oder Künstlerpersönlichkeiten ist die Bibliothek nicht besonders reich.
Bd. I, Teil 1. Nachricht über die beiden wöchentlichen Konzerte unter J. S. Bach und Görner in Leipzig. Die Musiker sind meist Studenten.
Im 4. Teil die Notiz, dass Bokemeyer sein erstes musikalisches Stück nach Matthesons „richtig gefundenen Grundsätzen“ in Wolfenbüttel aufgeführt habe.
Bd. II, Teil 3. Kurze Nachricht von der Oper in Braunschweig. Teil 4, Verzeichnis der Churfürstlich Mainzischen Hof- und Kammermusik 1742.
[27] Bd. III, Teil 2. Verzeichnis der Würzburger sowie der Ansbacher Hofkapelle. Ausserdem sehr interessante Nachrichten über den Aufenthalt Friedrichs des Grossen in Dresden nach der Schlacht bei Kesselsdorf. Teil 3. Über Dresdener Opernverhältnisse und über die Einrichtung einer Oper in Brüssel.
Bd. IV, Teil 1. Verzeichnis der Mitglieder der Königl. Preuss. Hofkapelle.
Im übrigen beschränken sich die Nachrichten aus der Zeitgeschichte auf litterarische Neuerscheinungen.
Mizler beurteilte alle Leistungen der Musik von seinem wissenschaftlichen Standpunkte aus. Für alle Mängel und Fehler, welche er in den Kompositionen seiner Zeit entdeckte, wusste er nur immer ein und dasselbe Heilmittel, nämlich „Studium der Mathematik und Philosophie!“ In dieser seiner Einseitigkeit erinnert er an jenen Arzt, der alle Krankheiten mit Lindenblütenthee kurieren wollte.
Mit Besprechungen von Erscheinungen der praktischen Musik war er sehr sparsam: die wenigen, die sich finden, genügen jedoch vollkommen, um Mizler als Musikkritiker zu kennzeichnen. So Bd. I, Teil 3. Die Besprechung der Gräfe’schen Odensammlung vom Jahre 1737. Mizler bespricht sie „nach den Regeln der Kompositionen und des Generalbasses“ und notiert dabei gewissenhaft alle Stellen, an denen falsch deklamiert war, oder wo die Komposition sonstige Schnitzer aufwies. Über den musikalischen Gehalt oder die Anpassung der Melodie an den Text verliert er kein Wort. Die Rezension der zweiten Sammlung, 1739 (Bd. II, Teil 1), erfolgt in derselben pedantischen Weise.
Gleich darunter kündigte Mizler 24 Oden seiner Komposition an, von denen er behauptete, dass man in ihnen weder Fehler wider die Komposition, noch wider das Silbenmass antreffen würde. Diese Oden, die nach Scheibes Urteil (Crit. Mus. 64. St.) „ohne Verständnis“ für Silbenmass und Grösse und Beschaffenheit der Noten und voll der unanständigsten harmonischen Schnitzer“ waren, machten Mizler als Komponisten in den Augen aller Musiker [28] lächerlich. Mattheson liess auf S. 420 seiner „Ehrenpforte“ eine Zugabe über Mizler erscheinen, in welcher die Oden des Regelkomponisten einer ironischen Kritik unterzogen wurden. Dieselbe beginnt mit folgenden Worten: „Nun haben wir doch einmahl eine öffentliche Probe von derjenigen Art zu komponieren, da man alle Klänge recht nach der Kunst und nach dem geometrischen Massstabe berechnet.“ Die Oden werden dann in derselben kleinlichen Art besprochen, wie es Mizler bei den Gräfe’schen gethan hatte. Wenn Fétis in seiner „Biographie universelle des musiciens“ bemerkt, dass Mizler Matthesons ironisches Lob seiner Oden nicht verstanden, vielmehr ernst genommen habe, so ist das ein Irrtum. Mizler antwortet zunächst ebenfalls ironisch mit übertriebener Höflichkeit, lässt aber hernach gegen Matthesons fingierten Briefschreiber Alphonso seine ganze Wut aus, traktiert ihn sogar mit Schimpfwörtern wie „Erzschelm“ und „Lügner“.
Wie Mizler die Musik wissenschaftlich beurteilt wissen wollte, so wollte er sie auch wissenschaftlich produzieren. Anweisungen dazu gab er in seinen „Anfangsgründen des Generalbasses nach mathematischer Lehrart abgehandelt“. Nach Leibnizens „ars combinatoria“ hatte er ausgerechnet, dass man aus den acht Tönen der Tonleiter 40320 Melodieen konstruieren könnte, aus 12 Tönen schon 479 001 600, und aus 15 Tönen sogar schon 1 307 674 368 000 Melodieen; nehme man noch die vielfältigen Veränderungen des Taktes hinzu, so entstehe eine Mannigfaltigkeit der möglichen Veränderungen, die der Verstand nicht mehr fassen könne. Alle jetzigen Komponisten mit Kind und Kindeskindern könnten deshalb noch längst nicht alle Möglichkeiten erschöpfen. Mizler wunderte sich daher sehr, dass manche Komponisten so arm an Erfindung seien, da doch selbst mittelmässige Köpfe, wenn sie die Musik gründlich erlernt hätten, kaum wüssten, wo sie mit allen ihren Erfindungen hinsollten. „Allein das ist die natürliche Strafe der Verächter der Mathematik in der Musik!“ (Bd. II, Tl. l, S. 129, 130, Tl. 3, S. 67, Bd. III, S. 554.)
Es entspricht ganz der nüchternen Kunstauffassung Mizlers, wenn er zur Erlernung des Generalbasses eine „Maschine“ konstruiert [29] hatte, von welcher Mattheson in seiner Zugabe zur „Ehrenpforte“ sagte, dass vermittelst dieser Maschine den Generalbass zu lernen gerade so unpraktisch wäre, als wenn man von Hamburg über Frankfurt, Augsburg und Wien nach Leipzig reisen wollte. Scheibe verhöhnte Mizler, indem er im 31. Stück des Crit. mus. eine Maschine erfunden zu haben vorgab, welche alle Musikstücke auf ihre Güte hin prüfe und einem alle wissenschaftlichen Kompositionsregeln beibrächte.
„Musikalischer Staarstecher, in welchem rechtschaffener Musikverständigen Fehler bescheiden angemerket, eingebildeter und selbstgewachsener sogenannten Componisten Thorheiten aber lächerlich gemachet werden“,
von Lorenz Mizlern. Leipzig 1740. 110 S. 8°.Von den monatlich erscheinenden Stücken kamen vom Ende des Jahres 1739 ab im ganzen 7 heraus. Diese Schrift, welche mit dem Charakteristikum von Zeitschriften nichts weiter gemeinsam hat als die Periodicität, enthält nicht, wie Riemann in der 4. Auflage seines Lexikons bemerkt, Rezensionen praktischer Musikwerke, sondern bildet nur eine ergänzende Darstellung der schon aus der Bibliothek bekannten Mizler’schen Kunstanschauung, verbunden mit Ermahnungen an die ungläubige Künstlerwelt. Denn auch hier wird den Komponisten beständig das Evangelium gepredigt: Ohne Mathematik und Philosophie könnt ihr nichts machen! Wie man sich denn nur einbilden könne, den Endzweck aller Kompositionen, nämlich den, die menschlichen Leidenschaften zu erregen und zu stillen, erreichen zu wollen, ohne erst durch philosophische Studien die menschlichen Leidenschaften kennen gelernt zu haben! Wie man denn eine Wirkung der Töne auf die Leidenschaften auszuüben glauben könne, ohne erst die in den verschiedenen Tonverhältnissen beruhende Ursache der Wirkung durch mathematische Studien erkannt zu haben!
[30] Mizler bezeichnet es (S. 21) geradezu als „lächerlich“, komponieren zu wollen, ohne vorher das Verhältnis der Töne und der Affekte durch Studium der Mathematik und Philosophie kennen gelernt zu haben. Diese Ansicht würde ihn selbst nicht so lächerlich gemacht haben, wenn er von dem Nutzen seiner Studienmethode einen besseren Beweis hätte liefern können, als er es in seinen Oden that.
Im allgemeinen kommt man durch die Beschäftigung mit den beiden Mizler’schen Zeitschriften zu der Überzeugung, dass dieser Leipziger Gelehrte entweder unmusikalisch war oder sich, in seine Ansichten geradezu verbohrt, absichtlich der Erkenntnis verschloss, dass die musikalische Begabung ein Geschenk der Natur ist, das sie sich auch durch das heisseste Bemühen nicht abringen lässt.
Allen Widerlegungen gegenüber, die Mizlern durch Verweisung auf die Meisterwerke von Musikern, die nicht mathematisch vorgebildet waren, gemacht wurden, begegnete er mit der Ausrede, sie würden noch viel Vollendeteres geleistet haben, wenn sie sich, seinem Rate folgend, mit dem Studium der Mathemathik beschäftigt hätten.
Johann Adolf Scheibens „Critischer Musicus“.
718 Seiten.Es erschienen im ganzen 78 Stücke. Die 26 Stücke des I. Teiles erschienen alle 14 Tage vom 5. März 1737 bis zum 18. Februar 1738. Nach einer Pause von einem Jahre setzte Scheibe das Unternehmen fort und liess wöchentlich ein Stück erscheinen, vom 3. März 1739 bis zum 23. Februar 1740. Ursprünglich war die Zeitschrift bei Wierings Erben im Güldenen ABC in Hamburg herausgekommen. Im Jahre 1745 veranstaltete Scheibe eine „neue, vermehrte und verbesserte Auflage“, welche mit verschiedenen Zugaben bei Bernh. Christ. Breitkopf in Leipzig erschien. Diese zweite Auflage legen wir unserer Betrachtung zum Grunde.
[31] Wie sich über die Verbreitung, welche die ersten musikalischen Zeitschriften fanden, überhaupt keine bestimmten Angaben machen lassen, so wenig ist das auch beim Crit. mus. der Fall. Nur über seinen Leserkreis sagt Scheibe ganz gelegentlich (S. 363), dass er grösstenteils aus Musikliebhabern und Gelehrten, weniger aus Musikern bestehe.
Nachrichten von musikalischen Tagesereignissen werden im „kritischen Musikus“ überhaupt nicht gebracht, sondern ausschliesslich musikwissenschaftliche Abhandlungen eines einzigen Mannes, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die vorhandenen Schäden der Musik zu bekämpfen und mit seinen sehr bedeutsamen Reformvorschlägen neue Zustände herbeizuführen.
Es dient dieser Zeitschrift sehr zum Nachteil, dass die Aufsätze über bestimmte Themen häufig durch Besprechungen anderer Stoffe unterbrochen sind, die den Verfasser gerade beschäftigten, oder durch ermüdende Wiederholungen und Weitschweifigkeiten, über die auch nicht Scheibes gewandte Handhabung der Sprache hinwegtäuschen kann, an Interesse verlieren. Der zunächst in die Augen fallende Zweck dieses periodisch erschienenen Werkes ist die Bekämpfung des italienischen Einflusses auf die deutsche Musik. Keine Gelegenheit lässt Scheibe unbenutzt, um seine Landsleute auf italienische Unnatur aufmerksam zu machen und ihren Nationalitätsstolz und ihr Vertrauen auf die eigene Tüchtigkeit zu wecken. Deutschland, das auf dem Gebiete der Wissenschaft so Bedeutendes geleistet habe, solle sich endlich einmal frei machen von sklavischer Nachahmung italienischer Muster, die sich vor allem in der Oper zeige.
Die reformatorischen Vorschläge Scheibes für das musikalische Drama sind von weitreichender Bedeutung, ohne dass jedoch für ihre Zeit ihr Einfluss besonders spürbar geworden wäre. Erst Gluck brachte in seinen sechs grossen Opern das, was Scheibe von der theatralischen Musik verlangte. Dieser betonte nämlich, dass die theatralische Musik sich nicht, wie es der welsche Geschmack verlange, nach dem sinnlichen Wohlgefallen des Ohrs richten solle, sondern vor allem die Personen der Handlung charakterisieren [32] müsse. „Ein Held spricht anders als ein Verzagter, und ein Fürst muss anders reden als ein Bauer“ (S. 73). Wie ersichtlich, stimmen Scheibes Grundsätze zur Opernreform mit denen der Florentiner Hellenisten des 16. Jahrhunderts, der Schöpfer der Oper überein. Denn auch diese wollten durch eine „nobile sprezzatura del canto“ charakterisieren, nicht durch süssen Wohlklang dem Ohre schmeicheln. Scheibe sah durch die landläufige Opernmusik den Endzweck der theatralischen Schreibart, nämlich den, im Zuhörer dieselben Gefühle anzuregen, die den dargestellten Helden erfüllen, nicht erreicht (S. 266). Er erkannte auch, dass man noch nicht so, wie es möglich wäre, das Charakteristische der verschiedenen Instrumente verwertete, um die mannigfachen Gemütsbewegungen musikalisch zu illustrieren (S. 269). Er betonte ferner zuerst, dass die Einleitungssinfonie ganz zu dem Charakter der Handlung passen solle, und dass man die Pausen zwischen den einzelnen Akten „durch eine mit der Begebenheit, oder mit dem Affekte wohl übereinstimmende“ Sinfonie ausfüllen müsse (S. 226), um den Zuschauer gleichsam unvermerkt aus einer Gemütsbewegung in die andere hinüber zu führen (S. 617).
Von unsinnigen Wortwiederholungen und Silbendehnungen war Scheibe kein Freund (S. 72). Der Komponist solle sich genau nach dem Sinne der Textworte richten, alle Einschnitte des Textes auch in der Komposition berücksichtigen und durch seine Töne den Sinn der komponierten Worte zum deutlichsten Ausdruck bringen (S. 304), nicht aber, wie es häufig geschehe, durch Kadenzen und Koloraturen den Satzbau zerreissen. Übrigens verwarf Scheibe die Mode des Kadenzen- und Koloraturensingens nicht schlechtweg, er gönnte den Sängern diese Gelegenheit, an passenden Stellen ihre Fertigkeit zu zeigen, recht gern (S. 238).
Die Schuld an dem schlechten Zustande der Opern sah unser musikalischer Reformator nicht nur in den Komponisten, sondern auch in den Textdichtern. Im siebenten Stück weist er an der Hand der Hamburger Operntexte den Dichtern, welche nicht wüssten, was schön und erhaben, noch was musikalisch verwertbar sei, die gröbsten Geschmacklosigkeiten nach. Auch die Einheit des Orts [33] und der Zeit beachteten sie nicht genügend. Häufig kämen der Schaulust des Publikums zu Liebe in einer Oper 12 verschiedene Situationen vor, welche natürlich nur durch die unwahrscheinlichsten Motivierungen zu der Handlung passend gemacht werden könnten.
So wenig wie sich der Komponist bemühe, eine dem Charakter der handelnden Personen entsprechende Musik zu schaffen, so wenig bekümmerten sich im allgemeinen auch die Sänger darum, durch schauspielerische Darstellung die Gestalten des Dichters zu veranschaulichen. „Wir sehen die Traurigen mit einem lachenden Munde ihre Triller machen. Ja das Wort, dolore, oder morir, wird durch ihre kräuselnden Figuren zu einer lustigen Sache gemacht.“ (S. 74.)
Scheibe, der überall Natur und Vernunft zur Richtschnur seiner reformatorischen Bestrebungen machte, bewies dies auch in der Bekämpfung des Kastratentums. Er spottete (S. 153) über die Unnatur, die darin liege, dass Alexander von einem Kastraten oder gar von einem verkleideten Weibe dargestellt werde. Um diesen, ebenfalls den Italienern nachgeahmten Fehler zu vermeiden, schlägt Scheibe die Ausbildung der in Deutschland so zahlreich vertretenen Männerstimmen und der Singstimmen überhaupt durch besondere Gesangsschulen („Pflanzgarten“) vor. Scheibe ist auch in dieser Anregung zur öffentlichen Pflege des Gesanges der erste. Dass die Einrichtung von Singschulen in Deutschland ein Bedürfnis war, beweisen die in den Zeitschriften des ganzen 18. Jahrhunderts beständig wiederkehrenden Klagen über schlechten Gesang. Im 63. Stück entwirft Scheibe übrigens einen vollständigen Plan zur Gründung von musikalischen Akademieen, welche, aus wissenschaftlich gebildeten Männern und praktischen Musikern zusammengesetzt, für die Ausarbeitung eines Systems thätig sein müssten, deren Mitglieder aber ausserdem junge Musiker unterrichten sollten. Bereits Printz hatte die Musik in den Lehrplan der Universitäten aufgenommen wissen wollen (Mizler, Bibliothek Bd. I, Teil 4), Mizler hatte öffentliche musiktheoretische Vorlesungen gehalten, aber Scheibe kam mit einem Plan hervor, der [34] in dem von ihm gewünschten Umfange noch nie ins Leben getreten ist. In der Einrichtung einer Akademie sah Scheibe auch ein Mittel, Stand und Ansehen der Musiker zu heben, denn „wenn kein musikalisches Amt vergeben würde, wenn nicht das Subjectum vorher von der Akademie das Zeugniss erhalten hätte, dass es dazu geschickt und tüchtig wäre: so würde man auch gar bald erfahrne und geschickte Musikanten erhalten und auch den Musikanten selbst ein löblicheres und rühmlicheres Ansehen geben können“. (S. 582.) Die Bezeichnung „Musikant“ gebraucht Scheibe übrigens von den grössten Meistern, jedenfalls um dadurch die verächtliche Bedeutung des Wortes abzuschwächen.
Scheibe bemühte sich stets, auf seine Kollegen einen moralischen Einfluss auszuüben, ihren Ehrgeiz zu wecken und sie zu einem gesitteten und ehrbaren Leben anzuhalten (S. 523 ff.), um so das Vorurteil gegen die verachteten deutschen Musiker zu beseitigen (S. 220).
Neben einem guten Lebenswandel empfahl Scheibe die Beschäftigung mit den Wissenschaften. Von den Komponisten wünschte er eine grössere wissenschaftliche Bildung. Sie brauchten freilich nicht, wie Mizler wollte, durchgebildete Gelehrte zu sein, bevor sie ans Komponieren gingen, sie sollten sich aber eingehender mit der Philosophie beschäftigt, vor allem denken gelernt haben, damit sie sich bei der Komposition nicht nur von dem Wohlklang oder von augenblicklichen Einfällen leiten liessen, sondern das, was sie ausdrücken wollten, mit voller Klarheit und bestimmter Absichtlichkeit im Auge behalten könnten (S. 91, 555).
Von dem von Mizler gepriesenen Nutzen der Mathematik für die Komposition wollte Scheibe nicht viel wissen (S. 29, 651); er berief sich dabei auf die Werke von Bach und Händel, welche ohne mathematische Vorstudien entstanden seien. Auch Mattheson sah in der Mathematik nur „die hurtige Magd, die der Temperatur an die Hand gehen könnte“. (Patriot 56).
Dicht- und Redekunst, meinte Scheibe, könnten wohl der Tonkunst nützlich sein, da sie denselben Zweck hätten wie die Musik, nämlich „sinnreiche Nachahmung der Natur“ (S. 266, 554, [35] 654). Diese ästhetische Forderung, welche die Schweizer und Gottsched an die Dichtkunst stellten, wurde in ihrer Übertragung auf die Musik bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts gedankenlos nachgesprochen und auf die seichteste Weise kommentiert, ohne dass der musikalischen Ästhetik daraus ein sonderlicher Fortschritt erwachsen wäre. Scheibe beschränkte den Satz für die Musik auf Nachahmung der Natur der menschlichen Leidenschaften, und um diese kennen zu lernen, forderte er auch vom Komponisten das Studium der Philosophie (S. 33). Er meinte jedoch keineswegs, dass durch grosse wissenschaftliche Vorkenntnisse jemand schon ein Komponist werden könne, er betonte wiederholt, dass das Talent angeboren sein müsse, und dass sich eine „feurige und erhabene Erfindung“ nicht aus Regeln lernen lasse (S. 87).
Scheibes Verdienste erstreckten sich auch auf den Ausbau der musikalischen Formen. Ausser der Oper zog er nach und nach die Messen, Motetten, Kantaten, Oratorien, Kammermusiken etc. in den Kreis seiner Betrachtungen und gab bei deren Besprechung lehrreiche Fingerzeige für den Komponisten. Im 64. Stücke bespricht er die Formen von Oden und Liedern und verlangt, dass sich der Komponist ganz nach dem Dichter richte. Er solle einfach und natürlich alle Strophen in gleicher Form schreiben, wo die Stimmung der Gedichte durchweg dieselbe bleibe; wo aber die Affekte wechselten, solle er dem Dichter durch neue musikalische Weisen und Wendungen gerecht werden.
Von dem weiteren Inhalt dieser für die musikalische Entwickelung so wichtigen Zeitschrift sei noch erwähnt, dass Scheibe hier zum erstenmal ganz bestimmt nachweist, dass die griechische Musik keine Harmonie in unserem Sinne gekannt habe (S. 136).
In der Polemik war auch er gefährlich wie Mattheson, man kann es daher dem guten Mizler, nachdem er einmal von Scheibe lächerlich gemacht war, nicht verdenken, wenn er sich hinter sein Versprechen verkroch, hinfort nicht mehr auf die „stachlichte“ Schreibart des Crit. mus. zu reagieren.
Erstes Stück Dienstags[WS 2] den 17. April 1738, findet sich wörtlich abgedruckt in Bd. I, Teil 6 der Mizlerschen Bibliothek. Auch Scheibe teilt dieses Stück in einer Beigabe zur 2. Auflage seines Crit. mus. mit, und zwar mit der Bemerkung, dass ein gewisser G....r der Verfasser sei. Forkel und Becker bezeichnen den „vollkommenen Kapellmeister“ als eine Streitschrift gegen Scheibe. Es hat jedoch vielmehr den Anschein, als ob dieses erste Stück der Anfang einer Zeitschrift sei, welche den Crit. mus. verdrängen wollte, die jedoch nach Mizlers Zeugnis nicht über das erste Stück hinauskam. Scheibe hatte nämlich im 26. Stück seines Crit. mus. vom 18. Februar 1738 gesagt, er wolle auf einige Zeit von seinen Lesern Abschied nehmen. An diese Bemerkung anknüpfend, heisst es in unserer, noch in keinem der bekannten Verzeichnisse aufgeführten Zeitschrift: „Wir sind indessen willens, während seiner Abwesenheit ein neues Blatt der Welt mitzutheilen, damit sie inzwischen etwas von der Musik zu lesen hat“. Man wolle sich den Crit. mus. nur als Muster nehmen, mit dem Unterschiede, „dass man alles aufrichtig und ohne Schminke vortragen werde“. Man habe wie er auch den Titel der Zeitschrift in Nachahmung Matthesons gewählt. Indem über Scheibes Werk gespöttelt wird, sucht man gleichzeitig das Interesse der Leser für das neue Unternehmen zu wecken durch das Versprechen, die Fehler Scheibes zu vermeiden.
Dass eine Fortsetzung geplant war, ist am Ende dieses Stückes ausgesprochen. Wenn das Publikum das Unternehmen unterstütze, solle alle 14 Tage ein Stück erscheinen. Durch die Mitteilung, dass vier Männer an dem Blatte arbeiteten, wird die Versicherung, dass in Zukunft nötigere und nützlichere Dinge als diese nur als Vorrede geltende Satire auf Scheibe besprochen werden sollten, wirksam unterstützt.
Diese Zeitschrift sollte ursprünglich wöchentlich erscheinen, sie kam aber nach der 8. Nummer unregelmässig heraus, meistens alle 14 Tage. Im ganzen erschienen 30 Stücke, jedes zu acht Seiten, in der Zeit vom 27. Juli 1741 bis zum 23. August 1742. Aus Anmerkungen im 1., 7. und 13. Stück haben wir bei dieser Zeitschrift einige Nachrichten über ihren Vertrieb. Danach hatte der anonyme Verfasser – der Gelehrte Henke wird von Forkel als solcher genannt – in Städten der näheren Umgebung wie Hannover, Hildesheim, Wolfenbüttel und Blankenburg Korrespondenten und zwar meistens Kantoren, welche Abonnenten sammelten und dafür Rabatt bekamen. Im 13. Stücke zeigt der Verfasser an, dass er eine Pränumeration auf den Patrioten erlassen habe. Wachse die Zahl der Pränumeranden in 14 Tagen auf 100 an, so solle wieder wöchentlich ein Stück erscheinen. Da nun in der Folgezeit der Patriot fortfuhr, alle 14 Tage zu erscheinen, so dürfen wir annehmen, dass jene Anzahl nicht erreicht wurde.
Der Verfasser giebt sich in den ersten beiden Stücken als ein gelehrter Dilettant zu erkennen, der in seinen Nebenstunden die Zeitschrift schreibe, um dadurch das Ansehen und Wachstum der Musik zu fördern. Eingestandenermassen hat er den Titel seiner Zeitschrift von Mattheson entlehnt. Wie Mattheson will auch er ein Sittenlehrer sein und als echter Patriot musikalische Thorheiten bekämpfen, dagegen für Achtung und Verbreitung seiner Kunst eintreten. Der pastorale Ton, in dem Mattheson in der genannten Zeitschrift vielfach seine Ermahnungen und Lehren vorträgt, ist für das Braunschweiger Unternehmen ebenfalls vorbildlich geworden, besonders da, wo der Verfasser die Ansicht vertritt, dass die Musik als ein von Gott geschenktes Gut auch zu Gottes Ehre angewandt werden solle (13. Stück).
In seinen Kunstanschauungen steht der Verfasser ganz im Banne von Wolff, Gottsched und Mizler. Nach selbständigen Ideen und neuen Gesichtspunkten suchen wir daher vergebens. [38] Wie Mizler hält auch er die Musik für eine Zweigwissenschaft der Mathematik. Nach seiner Anschauung ist auch die Philosophie unentbehrlich für einen Komponisten, da die Musik nicht nur für das Gehör, sondern auch für die „nachdenkende Seele“ da sei und man nur aus der Philosophie die Seelenkräfte kennen lernen könnte (24. Stück).
Nach den drei Klassen der angenehmen, unangenehmen und vermischten Affekte (Wolff) werden die Leidenschaften der Liebe, Freude, Eifersucht, Furcht etc. fünf Stücke hindurch (19-23) beschrieben zur Belehrung für den Komponisten, damit dieser sich den Grad des Affektes durch eine vernünftige Einbildungskraft „vernünftig vor die Seele stellen könne“. Ob aber den Tonsetzern mit solchen sehr allgemeinen Fingerzeigen wie dem, dass die Freude durch eine „muntere und klare Stimme mit einer fliessenden und etwas geschwinden Komposition“ ausgedrückt würde, viel gedient war, ist zweifelhaft.
Die belehrende Tendenz dieser Zeitschrift zeigt sich, abgesehen von den Affektdefinitionen, in einer Erklärung der Erscheinungen des Schalles, Klanges und Tones.
Mizler war mit der „lehrreichen und nützlichen Schrift“ sehr zufrieden und brachte im III. Bande seiner Bibliothek einen Auszug der einzelnen Stücke. Für uns dürfte das Werk ohne besonderes Interesse sein, da sein philosophischer Standpunkt auf die Musikentwicklung kaum einen fördernden Einfluss hatte, andererseits die Zeitschrift gar keine neuen Beleuchtungen ihrer Zeitgeschichte giebt und auch nicht einmal über musikalische Tagesereignisse Notizen bringt. Das Beste an ihr ist der fliessende, von allem gelehrten Fremdwörterschwulst freie Stil, in dem sie abgefasst ist. Im übrigen gefällt sie sich besonders in der ersten Hälfte in grosser Weitschweifigkeit und überflüssigen Wiederholungen gleichgültiger und selbstverständlicher Dinge. Die Vorschläge, die zur Verbesserung der Musik gegeben werden, sind gut gemeint, gehen aber von der falschen Voraussetzung aus, dass sich durch Schulregeln ein kompositorisches Genie erzeugen lasse. [39] Wie aus zwei mitgeteilten Briefen hervorgeht, war das Publikum mit dem einseitigen Standpunkt des Verfassers und mit der Einförmigkeit seiner Ausführungen nicht zufrieden und verlangte vor allem, aber vergebens, nach Musikstücken. Die Zeitschrift schlief daher bald ein; die musikalische Weisheit ihres Verfassers schien aber auch schon erschöpft zu sein.
Von dieser Wochenschrift erschienen im ganzen 50 Stücke in der Zeit vom 17. März 1749 bis zum 17. Februar 1750. Die Blätter waren in Kommission zu haben in Berlin, Breslau, Frankfurt a. M., Hamburg und Leipzig. Das Stück kostete einen Groschen. Der Herausgeber war Marpurg, der sich aber nicht nannte, sondern sich hinter Namen wie Neologos, Hypographus, Philomusus etc. versteckte.
Die Tendenz dieser Zeitschrift geht, wie die aller bisherigen, auf Belehrung und Aufklärung. Eine in zwanglosen Fortsetzungen gelieferte Harmonie- und Generalbasslehre dient diesem Zweck. Es würde Sache einer Spezialarbeit sein, ihren Lehrgang darzustellen; es sei hier nur angedeutet, dass Marpurg hier zum erstenmale die Aufgabe, eine gemeinfassliche allgemeine Musiklehre auf Rameau’scher Grundlage zu schreiben, in ganz vorzüglicher Weise löst. Er befleissigt sich der möglichsten Klarheit im Gegensatz zu der wichtig thuenden Geheimniskrämerei, mit welcher alte Kontrapunktlehrer ihren Schülern zu imponieren suchten, in der sich sogar noch Sarti, der Lehrer Cherubinis, gefiel. Abgesehen von den überflüssig gewordenen lateinischen Benennungen und von manchen weitschweifigen Wiederholungen würde diese Harmonielehre noch heute ein brauchbares Lehrbuch sein können.
Die Artikel, welche dazu dienen sollten, veraltete Vorurteile zu beseitigen oder vorhandene Missstände zu geisseln, schrieb Marpurg meistens in der Form der Satire. Auch Mattheson [40] (Patriot, 40. Betr.) und Scheibe (Crit. mus., 53. St.) bedienten sich gelegentlich dieser Schreibart, aber Marpurg war Meister in ihr. Seine scharfe Beobachtungsgabe für menschliche Schwächen, der beissende Sarkasmus, mit dem er sie zu geisseln wusste, sein epigrammatisch zugespitzter Stil, der ihn immer mit wenigen Worten das Richtige sagen liess, kamen ihm in seinem Kampf gegen musikalische Unfähigkeit und die häufig damit verbundene persönliche Anmassung trefflich zu statten. Von Seiten seiner satirischen Begabung zeigt ihn die vorliegende Zeitschrift im besten Licht. Die Lektüre seiner fingierten, mit köstlichem Humor gewürzten Briefe von dünkelhaften und reaktionären Musikern oder von eingebildeten und unfähigen Dilettanten ist eine wahre Erfrischung. Man gewinnt dadurch gleichzeitig den besten Einblick in das Musikleben des vorigen Jahrhunderts. Marpurg zieht aber nicht nur musikalische Missstände in den Kreis seiner Betrachtungen, sondern er fasst seine Aufgabe gerade so wie Scheibe, der gelegentlich eine moralische Abhandlung vom Neide schrieb (Crit. mus., 48. St.), von einem viel weiteren, allgemein menschlichen Standpunkt auf; sei es nun, dass er eine adlige Dame, die auf der Auktion ein „vortreffliches Klavier“ für 15 Groschen 6 Pfennige kauft, oder einen bramarbasierenden Landedelmann verspottet, der einen Hauslehrer sucht, welcher hebräisch, griechisch, lateinisch, französisch, englisch, italienisch und holländisch kann, welcher über Heraldik, Genealogie, Theologie, Rechts- und Arzneilehre Bescheid weiss und daneben Klavier, Violine und Flöte spielt, für alle seine Leistungen aber ein Honorar von 18 bis 20 Thaler erhalten soll. Sei es, dass er über jene Stadt witzelt, die sich ein wöchentliches Konzert einrichten will aus Strafgeldern für neue Modethorheiten und eheliche Treubrüche, oder über Musiker spottet, die, wenn sie irgendwo eingeladen sind, sich durch unmässiges Essen und Trinken für ihre Leistungen zu entschädigen suchen.
Gegen Pfuscher und Stümper in der Musik war Marpurg von einer geradezu grausamen Rücksichtslosigkeit. Durch die satirische Kampfesweise wurde die Lächerlichkeit der aufgeblasenen Impotenz [41] viel wirksamer an den Pranger gestellt, als es durch eine ernste Abhandlung hätte geschehen können. Am besten zeigt uns Marpurg sein Talent zur Satire in dem im 29. bis 31. Stück befindlichen Brief des C. D. E. F. G. A. H. C, zweiten Hofmusikus in Jericho. Im 13. bis 25. Stück hatte Marpurg eine Übersetzung des „Essai sur le bon goût en musique“ von Grandvall (Paris 1732) gebracht und damit zugleich angezeigt, dass er für die Begründung einer musikalischen Ästhetik thätig sein wolle. Ausser Scheibes Abhandlung über den Geschmack in der Musik (als Zugabe der 2. Aufl. des Crit. mus. erschienen) gab es noch keine derartige Abhandlung in deutscher Sprache. Wie neu und unverständlich daher den meisten Musikern diese Art der Kunstphilosophie war, zeigt der oben erwähnte Brief aufs frappanteste. Marpurgs Briefschreiber ist ein Musikus, der sich etwas darauf einbildet, mehr Urteil und Erfahrung als seine Kollegen zu haben. Vermöge seiner grösseren Einsicht will er auch die Übersetzung der ästhetischen Abhandlung gleich als einen satirischen Scherz erkannt haben. Dass man es empfinden müsse, ob ein Musikstück gut oder schlecht sei, will unserem braven Hofmusikus gar nicht in den Sinn. Ein Stück halte man doch gemeiniglich für gut, wenn es dem Ohre gefällig und brav schwer sei. Das Wort „Empfinden“ gehöre überhaupt nicht in die Musik, sondern in die Sprache der Doktoren und Barbiere. Auch das Wort „Geschmack“ habe er seinen Kollegen erst als „Gusto“ erklären müssen, da sie gedacht hätten, es sei vom Essen und Trinken die Rede.
Wenn in der Grandvall’schen Abhandlung empfohlen war, sich über alles Gehörte ein Urteil zu bilden und manche Stücke zum besseren Verständnis mehr als nur einmal durchzuspielen, so findet unser Briefschreiber das ganz wider die Gewohnheit. Wertvoll und schön seien überhaupt nur die technisch schwierigen Stücke, und ob ein Stück schwer sei, das merke man gleich beim einmaligen Durchspielen. Wozu man denn ferner, wie Grandvall meinte, Sangbares und zu Herzen Gehendes spielen sollte? Nur schwierige Stücke brächten dem Musiker Ehre, ganz abgesehen davon, dass die Musik fürs Ohr und nicht fürs Herz sei. [42] Ausser der Übersetzung des Aufsatzes von Bollioud de Mermet: „Über den Verfall des Geschmackes in der französischen Musik“ (40.-43. Stück) liefert Marpurg durch einen Artikel über den Vortrag einen weiteren Beweis seiner ästhetisierenden Bemühungen (26.-28. Stück). Wenn uns manche der hier gegebenen Vorschriften als selbstverständlich und überflüssig erscheinen, so ist das nur ein Beweis dafür, wie weit verbreitet um diese Zeit die geschäftsmässige und gedankenlose Musikmacherei war, die ihre Befriedigung mehr in der Breite als in der Vertiefung suchte, und wie sehr es Marpurg wie auch allen seinen gleichgesinnten Zeitgenossen daran lag, eine künstlerischere Vortragsart zu befördern. Folgende Bemerkung aus diesem Aufsatz (S. 226): „Es würde den geübtesten Tonkünstler vielleicht verwirren, wenn er einmal in einem Saale vor einer grossen Versammlung ohne Pult und Noten etwas exekutieren sollte,“ dürften übrigens die Virtuosen unserer Zeit mit einem Lächeln der Genugthuung lesen.
Den für alle Musiker gültigen Unterweisungen im Vortrag lässt Marpurg im 37. und 38. Stück speziellere Fingerzeige für die Organisten folgen, wie schon Mattheson, Mizler und Scheibe in ihren Zeitschriften vor ihm gethan hatten; ausserdem giebt er dabei noch dankenswerte Vorschläge für die Registrierung.
In dieser Zeitschrift befindet sich auch, nebenbei bemerkt, der Originalabdruck eines Gedichtes (vgl. Lessing (Hempel) I, 172 ff.) des 20jährigen Lessing (18. Stück), der sich der Freundschaft Marpurgs erfreute. Lessing bezeichnet hier die grübelnde Vernunft in Sachen der Kunst als Hemmnis einer erspriesslichen Entwickelung, gesundes Empfindens hingegen als der Kunst förderlich. An einer Stelle (S. 145) heisst es:
„Ein Geist, den die Natur zum Mustergeist beschloss,
Ist, was er ist, durch sich, wird ohne Regeln gross.
Er geht, so kühn er geht, auch ohne Weiser sicher,
Er schöpfet aus sich selbst. Er ist sich Schul und Bücher.
Was ihn bewegt, bewegt, was ihm gefällt, gefällt.
Sein glücklicher Geschmack ist der Geschmack der Welt.“
Was uns Scheibes Persönlichkeit so sympatisch machte, das war sein deutsches Nationalbewusstsein, sein immer wiederholter [43] Hinweis auf die verkannte Tüchtigkeit seiner Landsleute, in einer Zeit, wo alles Ausländische von den Fürsten protegiert wurde und ein deutscher Künstler mindestens einen italienischen Reisepass vorzeigen können musste, wenn er überhaupt nur ein wenig Achtung geniessen wollte[8]. Demselben Nationalbewusstsein begegnen wir auch bei Marpurg. Der blinde Glaube an die unfehlbare Güte der italienischen Musik begann freilich schon zu schwinden, aber Marpurgs immer wiederholte Hinweise auf welsche Unnatur beschleunigten den Prozess. Diesem Kampf entsprang auch die einen breiten Raum der Zeitschrift einnehmende Polemik gegen Agricola, der als Olibrio, reisender Liebhaber der Musik von der Tyber, die italienische Musik verteidigt. In blinder Nachahmung alles ausländischen Wesens hatte man sich in Deutschland im grossen Ganzen wenig um das Emporblühen eines speziell deutschen Stils bekümmert. Man kannte bislang nur den italienischen und französischen Geschmack und klassifizierte nach diesem Gesichtspunkt alle Kompositionen. Dass aber die Deutschen schon längst Vertreter einer eigenen Schreibweise besassen, darauf mussten sie sich erst vom Auslande aufmerksam machen lassen. Marpurg musste seinen Lesern erzählen, dass die Ausländer einen deutschen Nationalgeschmack kennten, der aus keiner Nachahmung fremder Vorbilder entstanden sei, und das sei der Geschmack Sebastian Bachs (S. 357).
Der I. Band erschien im Verlage von Joh. Jacob Schützens sel. Witwe, die übrigen vier Bände erschienen bei Gottl. Aug. Lange in Berlin. [44] Jeder Band enthält sechs Stücke, deren ursprünglich geplantes monatliches Erscheinen nicht inne gehalten wurde.
Vom I. Bd. mit 562 Seiten erschienen die beiden ersten Stücke 1754, die übrigen 1755.
Vom II. Bd. mit 576 Seiten erschienen alle sechs Stücke 1756.
Vom III. Bd. mit 560 Seiten erschienen die ersten vier Stücke 1757, die anderen beiden 1758.
Vom IV. Bd. mit 564 Seiten erschienen die ersten beiden Stücke 1758, die übrigen vier 1759.
Vom V. Bd. mit 534 Seiten erschien das erste Stück 1760, das zweite und dritte 1761, das vierte und fünfte 1762 und das letzte erst 1778.
Im Vorbericht zum ersten Bande sagt Marpurg, es fehle auf dem Gebiete der theoretischen Musik noch überall an aufklärenden Schriften. Man habe noch keine genügende Anweisung zur Singkunst, zum Accompagnement, zur Violine[9] nach dem Muster von Bachs Anweisung fürs Klavier, Quanzens für die Flöte und Barons für die Laute. Es fehle auch noch eine vollständige Geschichte der Tonkunst, und das Gebiet der musikalischen Kritik bedürfe ebenfalls noch des weiteren Ausbaues. Er wolle mit seinen „Beyträgen“ diesen Mängeln abzuhelfen, die Musik auf allen Gebieten zu fördern suchen und gleichzeitig die Lücke ausfüllen, die durch das Aufhören der Mizler’schen Bibliothek entstanden sei. Er wolle aber den praktischen Teil der Musik mehr berücksichtigen, als es Mizler gethan habe.
Diesem Programme gemäss besteht der Inhalt der „Beyträge“ in: 1) Rezensionen neuer Schriften, 2) Auszügen aus fremdländischen musikalischen Schriften, 3) kleineren Abhandlungen, 4) Biographieen und Nachrichten von den bedeutendsten Kapellen, Theatern u. s. w., 5) Nachrichten von musikalischen Erfindungen und sonstigen Neuigkeiten, 6) einer Beigabe, bestehend in einem komponierten Scherzliede.
Wir besitzen in diesen periodisch erschienenen Blättern eine [45] unschätzbare Quelle für die Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts. Es kommen hierbei namentlich die Artikel in Betracht, welche Biographieen einzelner Künstler oder Nachrichten über musikalische Körperschaften bringen. Sämtliche Abhandlungen und besprochenen Bücher hier zu berücksichtigen würde viel zu weit führen, besonders da sich darunter eine Menge Besprechungen von vorübergehenden Erscheinungen der Tageslitteratur befinden. Ich muss mich daher bei dieser Zeitschrift darauf beschränken, ein Verzeichnis der wichtigsten Artikel und Rezensionen aufzustellen, um damit nur Anhaltspunkte für Spezialstudien zu geben.
Erstes Stück.
- a) Schreiben an den Herrn Marquis von B. über den Unterschied zwischen der italiänischen und französischen Musik.[10] (In den Anmerkungen über dieses Schreiben macht Marpurg wieder einmal seinem Unwillen über die italienische Musik Luft)[11]
- b) Oden mit Melodien zur Zeit bei Birnstiel in Berlin 1753 verlegt. (Es sind Oden von Hagedorn, Gleim, Kleist, Ebert, Uz, Ramler und Schlegel, komponiert von Graun, Krause, Quantz, Agricola, Ph. E. Bach, Telemann und Benda.)
- c) Lettre sur la musique française par J. J. Rousseau 1753.
- d) Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Oper und Musik des Königs (Forts. 6. Stück und Bd. IV, 5. Stück).
- e) Die Kapelle des Prinzen und Markgrafen Heinrich.
Zweites Stück.
- a) Thusnelde, Singspiel in 4 Aufzügen von J. A. Scheibe 1749.
- b) Matthesonii Plus ultra. Hamburg 1754. (Es ist das 75. Werk des 73jährigen Verfassers.)
- c) Lebensläufe, 1. Agricola, 2. Janitsch.
[46]
- d) Die Kapelle des Prinzen und Markgrafen Karl.
- e) Schreiben aus Paris über den Streit daselbst zwischen den französischen und welschen Tonkünstlern. Aus dem Französischen übersetzt.
- f) Prinzens Historie der Tonkunst 1690.
Drittes Stück.
- a) Nachricht von der Oper und dem Conzert spirituel zu Paris. (Es wird hier eine Geschichte des französischen Theaterwesens gegeben.)
- b) Lebensläuffe.
- 1. Joh. Joachim Quantz, von ihm selbst entworfen. (Diese bekannte Autobiographie bietet einen sehr interessanten Einblick in die Zeitgeschichte, besonders in die Art der musikalischen Erziehung. Quantz kam mit 11 Jahren (1708) bei dem Stadtmusikus in Merseburg in die Lehre. Bei diesem stand er 5¼ Jahre als Lehrbursche und 2¼ Jahre als Geselle in Kondition. Alle Instrumente mussten erlernt werden, daher blieb man auch auf allen ein Stümper. Wegen seiner guten Leistungen beim Probespielen wurden ihm ¾ Jahre der sechsjährigen Lehrzeit erlassen. Dann ging’s auf die Wanderschaft.)
- 2. Leben Herrn Georg Gebels (1709-53) ehemaligem Kapellmeisters zu Rudolstadt.
- c) Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der Hochfürstl. Kammer- und Kapellmusik zu Gotha.
Viertes Stück.
- a) Sendschreiben eines Freundes an den andern über einige Ausdrücke des Herrn Batteux von der Musik. (Ruez in Lübeck soll der Verfasser sein.)
- b) Nachricht von einer Übersetzung der Anmerkungen des Herrn Peter Franz Tosi über den Figuralgesang. (Agricola war der Übersetzer.)
- c) Riepel, Anfangsgründe der mus. Setzkunst.
- d) Lebensläuffe: 1. Kaspar Ruez. 2. Fortsetzung meiner (Joh. Georg Hoffmann) in der Matthesonischen musikalischen Ehrenpforte von S. 110-117 befindlichen Lebensumstände.
[47] Fünftes Stück.
- a) Entwurf einer ausführlichen Nachricht von der musikübenden Gesellschaft zu Berlin.
- b) Beantwortung der in des Herrn Capellmeisters Scheibe historisch-critischen Vorrede zu seiner ohnlängst von ihm herausgegebenen Abhandlung von dem Ursprung und Alter der Musik § 9 befindlichen Anmerkung, über F. W. Riedts Versuch über die musikalischen Intervallen. Von dem Verfasser des Versuchs.
- c) Lebensläuffe verschiedener lebender Tonkünstler, 1. Wilh. Friedm. Bach. 2. Christ. Nichelmann, 3. J. P. Kellner.
- d) Nachricht von der Hochfürstl. Bischöfl. Kapelle zu Breslau a. 1754. (20 Personen. 5 Sänger, darunter 4 Italiener, von denen 3 Kastraten sind. Nur der Bassist ist ein Deutscher.)
- e) Die Kapelle des Grafen von Branicki in Pohlen.
- f) Nachricht von verschiedenen berühmten französischen Organisten und Clavieristen itziger Zeit.
- g) Nachricht von verschiedenen berühmten Violinisten und Flötenisten itziger Zeit zu Paris.
Sechstes Stück.
- a) Das 2., 5. und 6. Kapitel aus Prinzens Historie der Tonkunst.
- b) Nachricht von verschiedenen Tonkünstlern in Berlin. (Solche, die in Bd. I, Stück 1 und 2 nicht genannt sind und sich mit Privatunterricht beschäftigen.)
- c) Sonnet auf das von Ihrer Königl. Hoheit, der Churprinzessin zu Sachsen selbstverfertigte, in Musik gesetzte und abgesungene Pastorell II Trionfo della Fedelta, womit zugleich eine neue Art Noten zu drucken, bekannt gemacht wird. Die Musik ist von Herrn Kammersecretair Gräfen in Braunschweig. Leipzig in den Breitkopfischen Officinen 1755. (Diese Komposition ist insofern von besonderem Interesse, als bei ihr zum erstenmal der Notendruck mit beweglichen und zerlegbaren Typen angewandt wurde. Die Nachricht Breitkopfs über seine Neuerfindung wird hier mit abgedruckt.)
[48]
- d) Widerlegte Vorurteile: 1. vom Ursprunge, 2. von der Beschaffenheit, 3. von der Wirkung der Kirchenmusik.
- e) Abhandlung von der Nachahmung der Natur in der Musik von J. A. Hiller. (Hiller folgt hier Batteux: „Einschränkung der freyen Künste auf einen einzigen Grundsatz“. Von seinem eigentlichen Thema schweift er vielfach ab, indem er seitenlang über die Verächter der Musik spricht. Er fühlt bei seinen Ausführungen recht wohl, dass die Wirkungen der Musik nicht in ungezwungener Weise auf einen einzigen Grundsatz zurückgeführt werden können.)
- f) Lebensnachrichten von einigen Gliedern der Königl. Preussischen Capelle.
- g) Gedanken von der Musik aus dem 7. Band des Schauplatzes der Natur. (Eine Übersetzung aus dem Französischen. Fortsetzung derselben Band II, Stück 3.)
- h) Sonnet auf S. Bach von Telemann.
Erstes Stück.
- a) Nachricht von der ehemaligen musikalischen Gilde in Friedeland.
- b) Galland, von dem Ursprunge und Gebrauche der Trompete, bey den Alten. Aus der Geschichte der Königl. Acad. der Wissenschaft zu Paris, nach Übersetzung der Mad. Gottschedinn.
- c) Des Herrn Abts Fraguier Untersuchung einer Stelle aus dem Plato, von der Musik 1716. (Ebenfalls aus dem Französischen von der Gottschedinn übersetzt. Fraguier will aus einer Stelle bei Plato (de legibus 1. VII) nachweisen, dass die Griechen eine Harmonie in unserm heutigen Sinne gekannt haben. Dieser Ansicht tritt Burette entgegen, indem er nachweist, dass Fraguier einige Worte Platos falsch ausgelegt hat.)
- d) Barons Beytrag zur historisch-theoretisch- und praktischen Untersuchung der Laute.
- e) Vertheidigung der Opern von Ramler.
[49] Zweites Stück.
- a) Riedts Betrachtungen über die willkürlichen Veränderungen der musikalischen Gedanken bey Ausführung einer Melodie. (Die hemmenden Fesseln, die Riedt durch die hier gegebenen Regeln dem Geiste des Komponisten anlegen wollte, wurden schon in der nächsten Zeit durch die Komposition freierer Variationsarten durchbrochen.)
- b) Barons Abhandlung von dem Notensystem der Laute und Theorbe.
Drittes Stück.
- a) Gedanken der Madame Dacier über die Flöten der Alten, aus derselben Noten über den Terenz übersetzt von Fr. Chr. Rackemann.
- b) Chronologisches Verzeichnis der seit 1645 bis 1754 in Paris aufgeführten Opern, nebst dem Leben verschiedener französischen Componisten.
- c) Die Melodie nach ihrem Wesen sowohl, als nach ihren Eigenschaften von Nichelmann. 1755.
- d) Unter den „Nachrichten“ eine Verordnung Friedrichs des Grossen vom 18. Oktober 1746, derzufolge in den Schulen wöchentlich drei Singstunden abgehalten werden sollen, um dem Verfall der Sangeskunst vorzubeugen.
Viertes Stück.
- a) Ob und was für Harmonie die Alten gehabt, und zu welcher Zeit dieselbe zur Vollkommenheit gebracht worden. (Wegen der kritischen Schärfe und wissenschaftlichen Sachlichkeit, mit der diese Abhandlung geschrieben ist, dürfte Marpurg als ihr Verfasser anzusehen sein.)
- b) Brelius Erfindung, wie man der Güte der Claviere und Clavicimbel sehr zu statten kommen könne. Aus den Schwedischen Abhandlungen.
- c) Gedanken über Daubens Generalbass in drey Accorden, Leipzig 1756. (Fortsetzung im fünften und sechsten Stück.)
Fünftes Stück.
- a) Riedts Tabellen über alle drey- und vierstimmige in der vollständigen diatonisch-chromatisch-enharmonischen
[50] Tonleiter enthaltene drei und vierstimmige Grundaccorde, ihre wahre Anzahl, Sitz und Vorzug in der Composition daraus zu erkennen.
- b) Lebensnachrichten von einigen berühmten französischen Sängerinnen.
- c) Le Glorie della poesia e della Musica contenute nell’ esatta Notitia de Teatri della cità di Venezia, e nel catalogo purgatissimo de Drami musicali quivi sin’ hora rapresentati. Con gl’ Autori della Poesia e della Musica, e con le Annotationi a suoi luoghi proprii (Fortsetzung im sechsten Stück).
- d) Du Bos, von den theatralischen Vorstellungen der Alten (nach der Übersetzung von M. Lessing). (Forts. im 6. St., ferner Bd. III., St. 4 und 5, Bd. IV, St. 2, 4, 6, Bd. V, St. l, 3, 4. Gedanken über diese Abhandlung Bd. III, St 1.)
- e) Die Königl. Capell- und Kammermusik zu Dresden 1756. (Hasse, Obercapellmeister. 11 Soprane, davon 6 Castraten, 4 Alte, davon 3 Castraten, 3 Tenore und 3 Bässe. 15 Violinen etc. Im Ganzen 68 Personen.)
Sechstes Stück.
- a) Grundlegung zur Tonordnung insgemein von Riepel 1756.
- b) Lebenslauf von J. G. Quiels, Organist und Schuladjunkt zu Nimtsch in Schlesien (Selbstbiographie).
- c) Die Churfürstl. Pfälzische Capell- und Kammermusik zu Mannheim im Jahre 1756. (20 Violinen etc.)
- d) Unter den „Nachrichten“ die Ankündigung Ph. E. Bachs, dass er die gestochenen Kupfertafeln von etwa 60 Fugen seines Vaters, an Gewicht 1 Centner, verkaufen wolle.
Erstes Stück.
- a) Leben J. Chr. Hertels. Entworfen von seinem Sohn J. Wilh. Hertel.
- b) Würtembergische Kammer-, Hof- und Kirchenmusik.
- c) Verzeichnis verschiedener Organisten von Ollmütz, Brünn, Wien und Prag, 1756.
- d) Schwarzburg-Rudolstädtische Capelle.
[51] Zweites Stück.
- a) Weitzlers Anhang zu dem kurzen Entwurf der ersten Anfangsgründe, auf dem Clavier nach Noten zu spielen.
- b) Lebensläufe. 1. von Fasch, 2. von Höckh.
- c) Anhalt-Zerbstische Capelle.
- d) Verzeichnis der jetzt lebenden Organisten in Breslau im 1757. Jahre.
- e) Der allezeit fertige Polonoisen- und Menuetten-Componist von J. Ph. Kirnberger 1757.
- f) Il Trionfo della Fedelta, Drama pastorale per Musica, di E. T. P. A (vgl. S. 47).
- g) Versuch einer gründlichen Violinschule von Leopold Mozart Augspurg 1756. (Das Werk wird mit Freuden begrüsst.)
- h) Einfall einen doppelten Contrapunkt in der Octave von 6 Tacten zu machen, ohne die Regeln davon zu wissen von Ph. E. Bach.
Drittes Stück.
- a) Nachricht von dem gegenwärtigen Zustand der Musik Sr. Hochfürstl. Gnaden des Erzbischofs zu Salzburg 1757.
Viertes Stück.
- a) Verzeichnis deutscher Opern (Fortsetzung 6. St., Bd. IV, 5. St., Bd. V, St. 4 und 5 aus Gottscheds Gesch. der deutsch. dramat. Dichtkunst).
- b) Der Triumpf der Treue, ein Schäferspiel aus dem Italiänischen der Durchl. Ermelinde Thalie übersetzt.
- c) Mecklenburg-Schwerinsche Hof-Capelle.
- d) Lebensläufe. 1. Rolle, 2. Tegetmeyer, 3. Graf.
- e) Anleitung zur Singkunst. Aus dem Italiänischen des Tosi übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Agricola.
Fünftes Stück.
- a) Lettre de Clément Marot a Mons. de .... touchant ce qui s’est passé à l’arrivée de Jean Baptiste de Lulli aux Champs Elisées. à Cologne, chez Pierre Marteau 1688.
Sechstes Stück.
- a) Sammlung einiger Nachrichten von berühmten Orgelwerken in Teutschland, Breslau 1757.
[52] (Es werden Dispositionen gegeben von den Orgeln in Freiberg in Sachsen, Halberstadt, Halle, Königsberg, Magdeburg und Meerane in Sachsen).
- b) Unpartheyische Gedanken über die richtige Denkungsart des Herrn Daube in seinem Vorbericht über den Generalbass in drey Accorden: von Fr. Wilh. Sonnenkalb, Organisten in Herzberg (Forts. Bd. IV, St. 3).
- c) Essai d’un nouveau Caractère de Fonte pour l’impression de la Musique, inventé et executé dans toutes les parties Typographiques, par Fournier le jeune, Paris 1756.
Erstes Stück.
- a) Sorgens Anmerkungen über Quanzens ♯D- und ♭E-Klappe auf der Querflöte.
- b) Historisch-kritische Nachrichten von den geistlichen und weltlichen Opern in Engelland, aus der Bibliothèque Britanique Tom. XV, Part. I übersetzt von Rackemann (Forts. im 2. St.).
Drittes Stück.
- a) Quanzens Antwort auf von Moldenits Schreiben an Quanz, nebst einigen Anmerkungen über dessen Versuch einer Anweisung die Flöte Traversiere zu spielen.
Viertes Stück.
- a) Schreiben von Verbesserung des Kirchengesangs von S. von Sydow.
- b) Nachricht von einigen an dem Savoyschen Hofe, in dem vorigen Jahrhundert, gespielten Opern.
Fünftes Stück.
- a) Vermischte Sachen, darunter die Anzeige der kritischen Briefe über die Tonkunst und die Nachricht vom Tode Grauns mit einem Gedicht auf ihn.
- b) Beytrag zu des Herrn Prof. Oelrichs historischen Nachrichten von den acad. Würden in der Musik von Mattheson.
- c) Abhandlung von den Liedern der alten Griechen, aus dem IX. Band der Histoire de l’Academie des inscriptions et belles lettres des Herrn de la Nauze von H. Ebert übersetzt (Forts. im 6. St.).
[53]
Erstes Stück.
- a) Auszug aus der Einleitung in die schönen Wissenschaften nach dem Französischen des Herrn Batteux mit Zusätzen versehen von C. W. Rammler.
Zweites Stück.
- a) Versuch eine vollkommen gleichschwebende Temperatur durch Construktion zu finden.
- b) Sorgens Anleitung zum Generalbass und zur Composition. Mit Anmerkungen von Marpurg. Berlin 1760. (Über den mit Sorge geführten Streit (krit. Briefe, 18) führt Marpurg hier die ihm zustimmenden Urteile von Mattheson, Quanz, Riedt und Albrecht an. In der Fortsetzung im vierten Stück sind die Urteile von Ph. E. Bach, Rolle, Schröter und Cramer mitgeteilt.)
- c) Untersuchung der Sorgischen Lehre von der Entstehung der dissonnirenden Sätze (Forts. 3. St.).
Fünftes Stück.
- a) Anmerkungen über drey Lieder der Irokesen. Aus dem Journal Etranger Mai 1754.
- b) Allerhand zur Geschichte der Harmonie und Figuralmusik.
- c) Albrechts Nachricht von der Kirchenmusik zu Mühlhausen.
Sechstes Stück.
- a) Lamberts Gedanken über die musikalische Temperatur. Aus dem Französischen übersetzt.
- b) Versuch in Temperaturtabellen.
- c) Gebrauch der Temperaturtabellen.
- d) Über die geometrischen Verhältnisse der 24 musikalischen Intervalle.
- e) Anleitung zu einer Methode, die Differenzen der diaton.- chromat.- und enharmonischen Intervalle, und die aus ihrer Verbindung mit den Intervallen entstehenden Hilfsintervalle der ungleichschwebenden Temperatur, ohne Zirkel und Massstab auf dem Claviere zu finden.
[54]
Wöchentlich erschien ein Brief, deren 16 einen Teil bilden; 4 Teile machen einen Band aus. Im ganzen kamen 143 Briefe heraus.
Der erste Band mit 506 Seiten besteht aus 64 Briefen, welche vom 25. Juni 1759 bis zum 6. Sept. 1760 erschienen.
Der II. Band mit 504 Seiten enthält die Briefe 65-128 während der Zeit vom 20. Juni 1761 bis zum 15. Januar 1763.
Der III. Band mit 118 Seiten enthält die Briefe 129-143, während der Zeit vom 11. Juni 1763 bis zum 17. Sept. 1763. Damit ging die Zeitschrift ein. Das Stück kostete einen Groschen. Die „kleinen Klavierstücke und Singoden“ sind nicht regelmässig am Schluss angefügt und verschwinden im II. und III. Band fast ganz. Jeder Brief trägt die Adresse einer Person von „Verdienst, Einsicht und Geschmack“, ohne dass immer eine nähere Beziehung zwischen dem Inhalt des bezüglichen Briefes und der Person des Adressaten zu Tage träte.
Die Mitglieder der musikalischen Gesellschaft, welche die Briefe schreiben, nennen sich mit den fingierten Namen Amisallos, Oikuros, Eysympheriphoros, Neologos und Hypographus.
Marpurg ist der Herausgeber auch dieser Zeitschrift. Seine Thätigkeit als Redakteur ist für die Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts von weitreichendster Bedeutung. Nach kleinlichem Klatsch und gleichgültigen Berichten von vorübergehenden Tagesereignissen suchen wir bei ihm vergebens. Er fasste seine Aufgabe als Journalist von einem viel höheren Standpunkte auf. Er wollte vor allem aufklären, Vorurteile verscheuchen, den Blick vom Einzelnen auf das Allgemeine lenken, das Interesse an der historischen Entwickelung der Musik wecken und die Musiker mit Selbstachtung und mit Hochschätzung ihrer Kunst erfüllen. Hierbei unterstützte ihn eine staunenerregende Allgemeinbildung, die noch umfassender und weitreichender war, als bei Mattheson und Scheibe. [55] Über Marpurgs thätigen Anteil an den Briefen lässt sich nichts Bestimmtes sagen, wohl aber vermuten, dass er sehr gross war. An einer Stelle (Bd. I, S. 420) wird die Behauptung Sorges, dass Marpurg die Briefe ganz allein schreibe, dahin korrigiert, dass er „nicht die Hälfte“ der Blätter verfertigt habe. Wenn daher auch nicht alle selbständigen Abhandlungen Marpurg zuzuschreiben sind, so ist doch jedenfalls die Anregung und Auswahl derselben sein Werk.
Die Polemik nimmt in dieser Zeitschrift wieder einen so breiten Raum ein, wie in keiner anderen seit Matthesons Crit. mus. Hauptsächlich ist es Sorge, der hier den beständigen Zielpunkt von Marpurgs Ausfällen bildet. Als ein Beispiel dafür, wie verletzend Marpurg sein konnte, sei auf den 4. an Ph. E. Bach gerichteten Brief verwiesen, in welchem es bei der Ankündigung von Sorges demnächst erscheinendem „Compendium harmonicum“ heisst, dasselbe enthalte für einen Groschen bekannte Wahrheiten und für 15 Groschen Wind und Grossthuereien. Der Verfasser sei Sorge, pro tempore Organist in Lobenstein, das p. t. solle soviel heissen als ad interim, d. i. so lange, bis man einen besseren Organisten bekommt. In dieser geringschätzigen Weise wird die ganze Zeitschrift hindurch über Sorge gesprochen, wo sich nur eine Gelegenheit dazu bietet. Marpurg hat hier alles zusammen getragen, was sich auf seinen gegen Sorge ausgefochtenen Streit bezieht, der über dessen Harmoniesystem entbrannt war. Namentlich scheint Sorges Kühnheit, mit der er Marpurg, den gefürchteten Kritiker angriff, diesen zu Ausfällen veranlasst zu haben, die schon nicht mehr allein der vom Gegner vertretenen Sache gelten.
Auch Kirnberger muss in dieser Zeitschrift manches über sich ergehen lassen. S. 15 wird er als „Kleinlieb“ angeführt, der hocherfreut anzeigt, dass er zu einem Duett die dritte Stimme gefunden habe. Im 6. Brief wird eine zweistimmige Fuge von ihm ironisch besprochen. Im 23.-28. Brief erfolgt die Rechtfertigung dieser Kritik, auf welche Kirnberger vorher geantwortet hatte. Im 30. Brief verteidigt Marpurg, der hier seinen Namen nennt, die musikalische Gesellschaft gegen Kirnbergers Angriffe: [56] Von der Gesellschaft habe niemand die Besprechung der Fuge verfasst, sondern dieselbe sei eingeschickt worden.
Alle Teile der musikalischen Theorie finden in den kritischen Briefen ihre Berücksichtigung. Tonberechnungen, die überhaupt bei den Theoretikern des 18. Jahrhunderts eine grosse Rolle spielen, nehmen auch hier einen breiten Raum in Anspruch; 11 Stücke (36.-41, 55.-58. und 118. Brief) sind ihnen gewidmet.
Das Harmoniesystem von Rameau wird im 8. Brief besprochen, im 10. dasjenige von Sorge. Die Briefe 76-82 bringen eine Abhandlung über die Fuge. Im 13., 14. und 16. Brief finden wir einen Aufsatz über die verschiedenen Taktarten. Der Verfasser fusst auf dem Traktat über die Rhythmopoeie von Riepel, welcher zuerst ausführlicher hierüber geschrieben hatte. Die Briefe 59 bis 70 sind an Lessing gerichtet und enthalten eine Abhandlung über den Vokalsatz und die verschiedenen Versarten. Eine sehr ausführliche Belehrung über das Recitativ findet sich in den Briefen 97-117. Ein Ansatz zu einer musikalischen Bibliographie ist im 7. und 11. Brief gegeben. Marpurg macht hier den sehr vernünftigen Vorschlag, das Wichtigste aus den Werken Matthesons zu excerpieren. In der satirischen Anekdotensammlung „Legende einiger Musikheiligen“ (1786), die von Forkel Marpurg zugeschrieben wird, ist dieser Vorschlag wiederholt (S. 305) mit der Bemerkung, dass Hiller der geeignete Mann dazu sei.
Von grösster Wichtigkeit ist das Verzeichnis deutscher Odensammlungen seit dem Erscheinen der Gräfe’schen Oden, welchem kurze kritische Besprechungen beigegeben sind. Die Komposition in diesem Musikzweige nahm zu jener Zeit einen gewaltigen Aufschwung. Es werden hier nicht weniger als 43 verschiedene Sammlungen genannt, die in der Zeit von 1737 bis 1762 herauskamen.
Der 3. Brief, an Krause, den Autor des Buches „von der musikalischen Poesie“, gerichtet, handelt von der Odenkomposition; ebenso der 22. und 72.-75. Brief. Über die Odentexte wird im 17. Brief gesprochen.
Eine Übersetzung der französischen Abhandlung: „Vergleichung der italienischen und französischen Musik“ von Raguenet [57] findet sich im 9. 12. 15. und 51. Brief. Mattheson hatte bekanntlich in der Crit. mus. diesen Aufsatz schon einmal übersetzt. Dieser alte Hamburger Kritiker kommt in dieser Zeitschrift auch noch einmal zum Wort. Ein Ungenannter hatte eine Kritik einer Fuge aus der Marpurgischen Fugensammlung eingesandt (33.-35. Brief). Mattheson, aufgefordert, sein Urteil über diese Kritik abzugeben, thut dies im 45. Brief, worauf im 46.-49. Brief eine Beantwortung des sich „nunquamne reponam“? nennenden Anonymus erfolgt.
Unter der Rubrik „Nachrichten von neuen und alten musikalischen Schriften“ (82.-89. Br.) finden sich Rezensionen praktischer Musikwerke. Die Besprechungen sind zum Teil sehr eingehend (vgl. die der Choralmelodien von Hiller zu Gellerts geistlichen Oden); sie behandeln die Tonstücke nicht so ganz im allgemeinen, sondern analysieren sie bis ins kleinste und zeigen durch Vorschläge neuer Melodiewendungen und Harmonien auch einen produktiven Charakter. Man sieht aus den Rezensionen mancher dieser anscheinend sehr mangelhaften Opera, dass die „Autorsucht“ zu jener Zeit eine weitverbreitete Krankheit war, und dass die aufklärende Kritik viel zu thun hatte, um den produktiven Musikern eine schärfere Selbstkritik beizubringen.
In dem Aufsatze: „Von der Setzart einiger Tonkünstler aus dem 15., 16. und 17. Jahrhundert“ (89. –94. Br.) befinden sich Besprechungen der Orgeltemperatur von Ammerbach gen. Nicolaus (1571). Es wird auch ein Gaillarde von ihm mitgeteilt, „um den Geist der Komposition im 16. Jahrhundert kennen zu lernen“, ferner werden hier die musikalischen Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Wintergespräche von Joh. Georg Ahle rezensiert. Es ist dies der erste schüchterne Ansatz dazu, das Interesse auf das musikalische Treiben der vorhergehenden Jahrhunderte zu lenken. Ein weiteres Eindringen wäre für die musikalische Entwickelung im 18. Jahrhundert viel fruchtbringender gewesen, als die immer wiederkehrenden Streitigkeiten über die Musik der alten Griechen und die nutzlosen Temperaturberechnungen. Von grösster Wichtigkeit sind die „Beitrage zur Historie der Musik“, (95. 96. 122. [58] 141. Br.), welche eine Ergänzung der „Storia della Musica“ vom Padre Martini bezwecken. Wir finden hier auch Biographien von Adlung, Schröter, Albrecht, Meyer von Schauensee etc.
Über die durchschnittlich dürftige Allgemeinbildung der Musiker und über deren mangelndes Nationalitätsbewusstsein, welches sich darin zeigte, dass sie ihre Kompositionen lieber mit französischen Titeln voller Sprachfehler, als mit ehrlichen deutschen Namen belegten, wird auch hier geklagt. „Warum schreibt man nicht deutsch“? So ruft Marpurg als guter Patriot aus.
Von satirischen Briefen, die uns im Crit. mus. an der Spree so ergötzten, findet sich leider nur einer in dieser so überaus vielseitigen Zeitschrift. Der zweite Brief ist der Herzenserguss eines reaktionären Musikus, der in allen Fortschritten der Tonkunst die Spuren des hereinbrechenden Verfalls zu entdecken glaubt. Der biedere „Paläophil“ ist der Ansicht, dass die vielseitigen und grossen Ansprüche, die man jetzt an die Bildung der Musiker stelle, noch manches tüchtige Genie zurückschrecken würden.
Im 71. Stück der Krit. Briefe findet sich eine musikalische Zeitschrift angezeigt, derer noch in keinem der bekannten Verzeichnisse Erwähnung gethan ist. Unter „Neuigkeiten“ steht:
„Man wird Ursache haben, von diesem Wochenblatte alles Gutes zu sagen, wenn die Herren Verfasser die darinnen angemeldeten Materien werden ausgeführt haben.“
Im fünften Stück des V. Bandes Seite 349 der Marpurgischen Beyträge 1762 findet sich die Notiz, dass das zweite Stück von diesem Wochenblatte 3 oder 4 Wochen nach dem ersten erschienen sei. Ob die unbekannten Verfasser das Unternehmen fortsetzen wollten, wisse man nicht.
Die einzige weitere Spur dieser Zeitschrift fand sich in dem handschriftlichen Bücherverzeichnis des 1823 verstorbenen Thomaskantors Schicht, wo nur das erste Stück angeführt ist.
[59]
Es erschienen im ganzen 4½ Jahrgänge ohne Unterbrechung. Der erste vom 1. Juli 1766 ab mit 408 Seiten, der zweite mit 406 Seiten, der dritte Jahrgang enthält ausser den fortlaufenden 52 Nummern vom 4. Juli 1768 bis zum 26. Juni 1769 noch als Anhang 26 Stücke vom 10. Juli bis zum 25. Dezember 1769, damit der vierte Jahrgang, der den neuen Titel: „Musikalische Nachrichten und Anmerkungen“ bekam, seinen Anfang zugleich mit dem neuen Jahre 1770 nehmen konnte.
Der anonyme Herausgeber war Hiller. Seine Zeitschrift ist die erste, welche in ihrer Einrichtung unseren modernen musikalischen Fachblättern entspricht. Besprechungen musikalischer Aufführungen nebst Nachrichten von Künstlern, Rezensionen praktischer wie theoretischer Neuerscheinungen und Abhandlungen aus dem Gebiete der Geschichte, Theorie und Ästhetik der Musik finden sich nebeneinander.
Die Rezensionen, welche den breitesten Raum in dieser Zeitschrift einnehmen, sind allem Anschein nach sämtlich das Werk des Redakteurs Hiller. Denn zu wiederholten Malen äussert er, dass nur ein einziger auswärtiger berühmter Mann sein Unternehmen mit Beiträgen unterstütze, die in den mitgeteilten Musikerbiographien bestünden. (Bd. II, St. 1; Bd. III, St. 1; Bd. IV, St. 1.) Alles Übrige sei die Arbeit eines Einzigen (Bd. III, Anhang S. 202).
Hiller vereinigte Eigenschaften in sich, welche ihn zum Kritiker wie geschaffen machten. Zunächst eine gründliche musikalische Bildung, die sich nicht auf theoretische und geschichtliche Kenntnisse beschränkte, sondern auch einer produktiv musikalischen Begabung zu gute kam. Durch seine kompositorische Schöpferkraft war er seinen sämtlichen Vorgängern im Fache der musikalischen Kritik überlegen, die alle sehr scharf und richtig die Werke anderer beurteilen konnten, aber als frei schaffende Künstler [60] nie einen bleibenden Erfolg erzielten, da der Quell ihrer unmittelbaren musikalischen Empfindung durch kritische Reflexionen des experimentierenden Geistes gehemmt war. Hillers Vorzug, der sich im allgemeinen selten mit den Eigenschaften eines Kritikers vereint findet, ermöglichte ihm ein liebevoll entgegenkommendes An- und Nachempfinden der Werke anderer. Dazu kamen noch seine theoretischen Kenntnisse, die ihn Mangelhaftes durch Besseres zu ersetzen befähigten. Die Erfahrungen, die er als Komponist gemacht hatte, liessen ihn ferner nicht wie den blossen Theoretiker an dem unwandelbaren Dogma der Regeln festhalten, sondern machten ihn freimütig gegen kühne Neuerungen der frei schaffenden Phantasie (Bd. I, S. 29). Kleinliche Ausstellungen wegen grammatischer Unrichtigkeiten traten bei ihm völlig zurück; er sah mehr auf den musikalischen Gehalt des Ganzen, als auf die Fehlerhaftigkeit im Einzelnen. Marpurg mochte Hiller an kritischer Schärfe, Vogler, den wir in seinen „Betrachtungen der Mannheimer Tonschule“ als kritischen Lehrmeister kennen lernen werden, an kleinlicher Genauigkeit überlegen sein: beiden fehlte aber das, was Hillers Rezensententhätigkeit so erspriesslich machte, nämlich das der Kunstproduktion so ungemein förderliche Wohlwollen, die liebevolle Versenkung in das Schaffen des Künstlers. Während Marpurg und Vogler ihr Augenmerk vor allem darauf richteten, sich keinen Fehler entgehen zu lassen, sah Hiller mehr darauf, das Gute in den zu besprechenden Tonwerken aufzufinden (Bd. II, S. 2). Bei Marpurg und Vogler tritt der scharfe kritische Beobachter ganz in den Vordergrund, bei Hiller bleibt das Hauptinteresse des Lesers immer auf das Werk gerichtet, hinter welchem die Person des Berichterstatters ganz verschwindet.
Trotzdem die Rezensionen eigentlich für das musizierende Publikum bestimmt waren, liess Hiller doch einen belehrenden Zweck für den komponierenden Kunstjünger nicht aus dem Auge. Er berücksichtigte daher vor allem neue und unbekannte Komponisten, um sie entweder anzuregen oder auf ihre Fehler aufmerksam zu machen (Bd. IV, S. 3). Aus diesem Grunde liess er es sich auch nicht verdriessen, dürftige und wertlose Tonstücke zu [61] besprechen, um an ihnen ein warnendes Beispiel zu geben (I. 53 ff., II. 342 ff. und 352).
Eine gediegene Kenntnis der praktischen Musiklitteratur und ein feines Gefühl für die Eigenart der verschiedenen Komponisten unterstützten Hiller wesentlich in seiner kritischen Thätigkeit. Dies zeigt sich z. B. in der Besprechung der Haydnschen Sinfonien[12] (Bd. IV, St. 5). Es sind dies sechs Sinfonien, die 1769 bei Bailleaux in Paris herauskamen. Von diesen sagt Hiller, dass sie gar nicht von ein und derselben Hand zu sein schienen, denn die 2. 3. und 4. hätten nichts von der originellen Manier Haydns. Die zweite sei grösstenteils eine misslungene und ekelhafte Nachahmung der Filzischen Manier. Da Hiller die Themen dieser Sinfonien angiebt, ist eine Vergleichung derselben mit den Sinfonien in Breitkopfs Katalogen möglich. Danach findet sich die erste Sinfonie dieser französischen Ausgabe in Breitkopfs Supplementkatalog I, 1766 als Nr. 1 einer Serie von sechs Haydn’schen Sinfonien, die fünfte als Nr. 1 einer Serie von vier Haydn’schen Sinfonien (Supplem. II, 1767). Die zweite Sinfonie der französischen Ausgabe, die Hiller für am wenigsten dem Haydn’schen Stile ähnlich erachtet, findet sich nicht unter Haydns Namen, sondern unter dem Namen Herffert (Suppl. Kat. II, 1767). Nebenbei bemerkt, zeichnen sich die ersten Pariser Stimmenausgaben von Haydn’schen Sinfonien der Firmen La Chevardière, Bailleaux und Mme. Berault, sowie die späteren von Sieler, Richault, Imbault, Pleyel und Le Duc durch grosse Fehlerhaftigkeit aus. Die zunehmende Beliebtheit des Komponisten vom „Stabat mater“ brachte es mit sich, dass unter Haydns Namen viele Tonwerke von Autoren zweiten und dritten Ranges verbreitet wurden. Erst 1810 liess Le Duc die ersten 26 französischen Partiturausgaben Haydn’scher Sinfonien erscheinen, aber auch vor diesen ist sehr zu warnen.
Wie seine Naturanlagen Hiller in so hervorragender Weise zur Kritik praktischer Musikwerke befähigten, so kamen ihm eine [62] gediegene Allgemeinbildung und eine ausgedehnte Litteraturkenntnis, die sich auch über das musikalische Gebiet hinauserstreckte, zur Beurteilung musiktheoretischer und – geschichtlicher Werke zu statten.
Hillers menschliche Eigenschaften kommen zu seinen künstlerischen und wissenschaftlichen hinzu, um sein Charakterbild vollständig zu machen. Zunächst ist es die grosse Bescheidenheit, die uns ihn so sympathisch macht. Seine Person tritt gänzlich hinter der Sache zurück, ja seine Bescheidenheit gestattet ihm nicht einmal, sich als Herausgeber seiner Zeitschrift zu nennen. Die Hinweise auf seine Singspiele, die sich in den Blättern finden, sind alle mit einer liebenswürdigen Zurückhaltung gemacht worden.
Ausser der Bescheidenheit ist es die prinzipielle Vermeidung aller Streitigkeiten, die Hiller als Mensch charakterisiert und die Lektüre seiner Blätter so angenehm macht (Bd. I, S. 6, 123; Bd. II, S. 151; Bd. III, S. 199, 363). Es findet sich freilich auch ein polemischer Meinungsaustausch in den „Nachrichten“; Hiller hat demselben aber nur Aufnahme gewährt in der richtigen Erkenntnis, dass es prinzipielle Fragen giebt, über die man erst nach längerem Streit zur klärenden Wahrheit kommen kann. In der „Allgemeinen deutschen Bibliothek“ nämlich, die, nebenbei bemerkt, häufig musikalische Artikel brachte, welche die Anerkennung der fachmännischen Zeitgenossen fanden, war Lingkes Lehre vom „Sitz der musikalischen Sätze“ angegriffen worden. Antworten und Gegenantworten, die deswegen gewechselt werden, füllen mehrere Stücke der Zeitschrift (Bd. II, St. 42; Bd. III, St. 24, 25, 47 und 49).
Die Betonung des Deutschtums ist auch eine der erfreulichen Erscheinungen, welche, wie in allen Musikzeitungen der ersten Periode, so auch in Hillers „Nachrichten“ wiederkehrt. Hierbei wird dann stets zugleich gegen alles Ausländische, was dem deutschen Wesen unnatürlich ist, energisch Front gemacht. (Bd. II, S. 14, 56, Bd. III, S. 76 f., 108, 266 f., Bd. III, Anhg. 125, Bd. IV, S. 5 etc.). Bekanntlich lieferte Hiller den besten Beweis seiner musikalisch-nationalen Bestrebungen in der Schöpfung des deutschen [63] Singspieles. So oft er dessen in seiner Zeitschrift Erwähnung thut, bekämpft er auch die noch immer verbreitete Ansicht, als ob die deutsche Sprache zur Komposition nicht tauglich sei, wie es schon Scheibe und Marpurg vor ihm gethan hatten.
Gegen die italienische Musik, namentlich gegen die anmassend und gespreizt auftretende Sinfonie, wandte sich Hiller zu wiederholten Malen (Bd. III, S. 108, Anhg. 58). Man kann aber von seinem Ernst in diesem Punkte nicht recht überzeugt sein, wenn man damit die überschwänglichen Lobpreisungen vergleicht, die er auf das Haupt seines erklärten Lieblings Hasse häuft. Wo sich nur eine Gelegenheit bietet, wird dieser „unsterbliche Meister“ als der Höhepunkt deutscher Musik hingestellt und in Gegensatz zu allem Fremdländischen gebracht (Bd. I, S. 326, Bd. III, S. 35, 59 und 108, Anhg. S. 135 ff, Bd. IV, S. l, 52 etc.). Diese Begeisterung für Hasse, nach dessen Oratorien ihn vor allem verlangte (Bd. III, Anhg. S. 156), entsprach so ganz Hillers Vorliebe für das Empfindsame und Rührende in der Musik.
Das vorwiegende Gefühl für den bloss sinnlichen Reiz der Musik liess ihn auch nicht zur rechten Würdigung von Bach, Händel und Gluck kommen, die hinter Hasse und Graun ganz zurücktreten. Er gedenkt der beiden Ersteren freilich mit allem gebührlichen Respekt, aber er hätte ausdrücklicher auf sie hinweisen müssen, wenn er mehr als eine scheue Hochachtung vor ihnen gehabt hätte. Von Seb. Bach heisst es Bd. III, S. 50: „die von ihm verfertigten Kirchenarbeiten machen seinem tiefsinnigen Geiste Ehre und wollen ihren eigenen Liebhaber haben“. Ausser an dieser Stelle wird Bach nur noch (Bd. III, S. 81) einmal und zwar als Klaviermeister erwähnt, der eine neue Epoche des Klavierspielens herbeigeführt habe.
Wie Forkel und andere angesehene kritische Zeitgenossen ist Hiller von Glucks Opernreform gerade nicht begeistert. Er hält die Musik zur „Alceste“ für „nach französischen Leisten in italienischem Geschmack“ verfertigt und wünscht, dass lieber die Partitur von Hasses „Piramo e Tisbe“ als von Glucks Oper gedruckt wäre (Bd. III, Anhg. S. 156). [64] Über seinen Anteil an den selbständigen Abhandlungen seiner Zeitschrift hat Hiller sich in seiner Bescheidenheit nicht geäussert. Da sich aber einige Aufsätze finden, bei denen der Autor nicht angegeben ist, so dürfen wir diese auf Hillers Konto setzen.
Im ersten Bande käme da zunächst eine Abhandlung über den „Musikalischen Vortrag“ in Betracht (Bd. I, St. 22; Bd. II, St. 12 und 15). Es wird hier betont, dass der musizierende Künstler vor allem selbst mitempfinden müsse, wenn er im Zuhörer Empfindung erregen wolle. Von Hiller dürfte auch die Belehrung über die Komposition von Kirchengesängen sein (Bd. I, St. 31 und 51), die Forderung, dass sie „rührend“ sein sollten, klingt wenigstens sehr nach Hiller. Ob der Aufsatz „Von dem Gebrauch und Missbrauch der Pauken in alten und neuen Zeiten“ (Bd. II, St. 27, 28) auch von ihm ist, erscheint zweifelhaft, da die hier bekundete genaue Bibelkenntnis nur einem theologischen Fachmann zuzutrauen ist. Näherliegend wäre schon die Vermutung, dass Hiller den von philologischem Wissen strotzenden Aufsatz: „Versuch von den musikalischen Wettstreiten der Alten“ (Bd. III. St. 20, 23, 28, 29) verfasst habe, schon aus dem rein äusserlichen Grunde, weil auch hier, wie in den Abhandlungen über den Vortrag und über die Kirchengesänge, die Zeiträume zwischen den einzelnen Fortsetzungen auf eine gelegentliche Arbeit des vielbeschäftigten Redakteurs schliessen lassen. Jedenfalls von Hiller ist aber der „Kritische Entwurf einer musikalischen Bibliothek“ (Bd. III, St. 1-11 und 13, 14). Die wichtigsten litterarischen Erscheinungen auf allen Gebieten der Musik werden hier einer kurzen Besprechung unterzogen.[13]
Ausser diesen Aufsätzen dürfte Hiller auch die Zusammenstellung von Tagesereignissen der Zeitgeschichte zu zusammenhängenden Aufsätzen gemacht haben. So die: „Kurze Nachricht von dem Zustande der Music in Italien; aus den neuesten Reisebeschreibungen zusammengezogen“. (Bd. II, St. 13, 14, 23-26.) [65] Es sind überaus interessante Mitteilungen über italienische Konservatorien, über Piccini, Scarlatti, Goldoni etc.
Über die neuesten musikalischen Ereignisse in Frankreich aus dem Jahre 1767 erfolgen ebenfalls Mitteilungen (Bd. II, Stück 27-30) unter den verschiedenen Überschriften „Oper“, „Komische Oper“, „Concert spirituel“, „Musikalische Schriften“, „Praktische Musik“.
Auffallend ist die Erscheinung, dass Übersetzungen von ästhetischen Aufsätzen aus fremden Sprachen einen so breiten Raum in der Zeitschrift beanspruchen. Sie ist aber sehr erklärlich, da es in dieser Hinsicht in deutscher Sprache wenig gab. Im I. Bande kämen hier in Betracht die Artikel: „Über die Musik aus dem Dictionaire d’Anecdotes“ (Stück 29, 30). Sodann ein zweiter Aufsatz „Über die Musik“ aus dem „Essai sur l’origine des connoissances humaines“ (Stück 35, 38, 39), ferner: „Das Wesentliche der musikalischen Kunst oder Betrachtungen über die Musik und die verschiedenen Theile derselben“, von C. H. Blainville, schliesslich ein Auszug aus dem „Essai sur l’union de la Poésie et de la Musique“. Die Übersetzung eines englischen Aufsatzes „Über die Musik“ findet sich im II. Bd., Stück 47-51.
Im III. Bande finden sich folgende fremdländische ästhetische Aufsätze:
- Stück 12: „Beantwortung der Frage: Was finden sich zwischen der Musik und der Mahlerey für Ähnlichkeiten?“ Aus dem „Mercure de France“.
- Stück 32-38: „Von der Freyheit der Musik“ aus den „Mélanges de littérature, d’histoire et de philosophie“ par Mr. d’Alembert.
- Anhang, Stück 4-6: „Browns Betrachtungen über die Poesie und Musik“. (Es wird ein kritischer Auszug gegeben.)
Im IV. Bande folgende:
- Stück 2-7: „Über den musikalischen Ausdruck nach dem Rousseau“.
- Stück 8-14: „Versuch über die Vereinigung der Poesie und Musik, aus dem Französischen“.
- Stück 45: „Über die Oper aus Marmontels Dichtkunst“.
[66] Im IV. Bande befindet sich auch der einzige Original-Aufsatz aus deutscher Quelle, nämlich: „Von der Musik aus dem sechsten Theile des Arztes“.
Hillers Bestrebungen, über ästhetische Fragen Beiträge zu liefern, entsprechen auch die kritischen Auszüge aus Rousseaus Dictionaire (Bd. II, Stück 38 ff., Bd. III, Stück 15 ff.), sowie die Beiträge zu einem musikalischen Wörterbuche, die dem „Berliner Magazin“ entnommen sind. Es sind dies Erklärungen von neugeschaffenen musikalischen Terminis, die wegen ihrer Plattheit geradezu lächerlich wirken. So heisst es z. B.: „Abgeschmackt nennt man eine unmässige Verschwendung und unrichtige Wahl der musikalischen Zierrathen; die sich gänzlich von der edlen Einfalt entfernen, welche wahre Kenner so hoch zu schätzen gewohnt sind“.
„Beweis, ein musikalischer, ist dasjenige, was den Grund enthält, aus welchem die Wahrheit der musikalischen Sache, wovon eben die Rede ist, begreiflich wird. Dass z. E. d eine Terz von h ist, wird dadurch bewiesen, weil d auf der dritten Stufe von h entfernt steht“.
Wichtiger als die ästhetischen sind die geschichtlichen Aufsätze der „Nachrichten“, so z. B. „Versuch einer kurzen Geschichte der Musik“, eine Übersetzung aus den „neuen Nachrichten oder Anmerkungen über Italien und die Italiener von zween schwedischen Edelleuten“ (Bd. II, Stück 3-6). Ferner: „Versuch über die musikalische Oper“ von Algorotti aus dem Italienischen übersetzt von Raspe (Bd. III, Stück 50-51).
Sodann die sehr interessanten: „Nachrichten von der Musik in Russland“ (Bd. IV, Stück 18-30) und endlich: „Über die Bouffons oder Streitigkeiten über die Musik in Frankreich“ (Bd. IV, Stück 43-44).
Die speziellere Darstellung der Zeitschriften des 18. Jahrhunderts sei hier vorläufig abgebrochen. Die musikalischen Journale der nächsten Zeit geben freilich auch mit Ausnahme von
[67] Forkels „Musikalisch-kritischer Bibliothek“, Eschstruths „Musikalischer Bibliothek“ und Reichardts „Kunstmagazin“ zur Darlegung eines so prinzipiellen Standpunktes, wie er in den bedeutenderen Zeitschriften der ersten Periode zu Tage trat, kaum Veranlassung. Der ideale Zweck der Aufklärung und Belehrung weicht mehr und mehr dem realen des profitablen Geschäfts, indem die periodisch erscheinenden Blätter den deutlich hervortretenden Nebenzweck haben, die Kauflust des Publikums für Neuerscheinungen auf dem Musikalienmarkt zu erregen (Cramer: Magazin, Musikal. Real-Zeitung, Augsburger musikal. Mercur).
Von unvermindertem Interesse sind natürlich alle Journale, insofern sie ihre Zeitgeschichte darstellen. Wenn auch aus dem Studium der Musikzeitungen in dieser Hinsicht gerade keine wesentlich neuen Ergebnisse zu Tage gefördert werden, so bringen doch die unabsichtlichen, gelegentlichen Mitteilungen manche individuellen Züge in das grosse Gemälde der Entwicklungsgeschichte, durch die das richtige Verständnis für den Charakter einer Zeit erst erschlossen wird.
In dieser Hinsicht ist das erste musikalische Blatt, welches nur vom Tagesklatsch leben wollte, für die Geschichte der Leipziger Musikverhältnisse von besonderem Interesse. Es ist dies die „Unpartheiische Kritik der vorzüglichsten seit drey Jahren allhier zu Leipzig aufgeführten grossen Concerte, Opern etc.“ 1798. Das Blatt kam aber über die pomphafte Ankündigung von dem, was es noch alles bringen wollte, nicht weit hinaus, sondern wurde verdrängt von einer Zeitschrift, welche den Klassizismus in der Geschichte des deutschen musikalischen Journalismus repräsentiert, nämlich von der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“.
[68]
Es sei hier eine Reihe von musikalischen Zeitschriften aufgestellt, welche in den bisherigen Verzeichnissen noch nicht angeführt sind. Sie sind grösstenteils aus Katalogen – etwa 70 an der Zahl – zusammengesucht. Es kann daher weder auf Vollständigkeit Anspruch erhoben, noch kann immer zuverlässig die Zeit der Entstehung und die Existenzdauer angegeben werden. Dies Verzeichnis soll vielmehr nur dazu dienen, Anhaltspunkte für weitere Forschungen zu liefern.[14]
- 1. Musikalischer Haus-Freund, neuer Kalender, Mainz, Schott's Söhne 1822–1835.
- 2. Ästhetische Rundschau. Wiener Wochenschrift für Musik, Dramatik und bildende Kunst. Herausgeber und verantwortlicher Redacteur A. v. Czeke. Erster Jahrgang 1866.
- 3. Musica. Archiv für Wissenschaft, Geschichte, Aesthetik und Literatur der heil. und prof. Tonkunst, herausgegeben von Mettenleiter 1866.
- 4. Historischer Notiz-Kalender für Musiker und Musikfreunde, von F. X. Chwatal. Magdeburg 1868.
- 5. Almanach des allgemeinen deutschen Musikvereins. 1.Jahrgang. Leipzig. Kahnt, 1868.
- 6. Allgemeiner Deutscher Musiker-Kalender für 1879. Berlin.
- Aus dem 18. Jahrh. seien von deutschen musikalischen Zeitschriften noch nachträglich angeführt:
- Musikalischer Beytrag. Hamburg 1777. Im Catalog von Fétis, wo sich diese Zeitschrift findet, sind nur vier Stücke angezeigt.
- Musikalischer Almanach auf das Jahr 1782. Alethinopel.
- Musikalischer und Künstler-Almanach a. d. J. 1783. Kosmopolis.
- Musikalischer Almanach herausgegeben von Reichardt. 1796.
[69]
- 1. Journal de Musique historique théorique et pratique. Janvier 1770 à Avril 1771. (Freystätter meint, die erste Nummer sei im Mai 1770 erschienen.)
- 2. Journal de Musique et des Théâtres de tous les pays par une Société de Musiciens et de gens de lettres. 22. Janvier 1804-16. Février 1804.
- 3. Chronique musicale du Journal des débats. 1820. Es erschienen nur 6 Nummern.
- 4. Journal général d’annonce des ceuvres de Musique, Gravure, Lithographie etc. publiés en France et à l’étranger. 1re année. Paris 1825.
- 5. L'Artiste. Paris 1831.
- 6. Guyot de Fère. Annuaire des artistes Français, statistique des beauxarts en France. 1832.
- 7. Agenda musical pour l’année 1836. Contenant tous les renseignements utiles aux amateurs de musique et aux artistes. Paris 1836.
- 8. Annuaire musical 1845. Par une Société des Musiciens. Paris.
- 9. Annuaire des lettres, des arts et des théâtres. Paris 1845.
- 10. Almanach des lettres et des arts à l’usage des gens d’esprit et autres. Paris 1850.
- 11. Almanach musical pour 1854-70. 1.-17. Jahrgang. Paris.
- 12. Annuaire musical publié par Ch. Soullier. Paris 1855.
- 13. La Chapelle. Journal de Musique vocale religieuse. Paris 1859.
- 14. L’année musical, ou revue annuelle des théâtres lyriques et des concerts, des publications littéraires relatives à la musique et des événements remarquables appartenant á l’histoire de l’art musical, par P. Scudo. Première année 1860. Paris, L. Hachette et Cie.
- 15. J. F. Vaudin. Almanach des Orphéons et des Sociétés instrumentales. 1. Jahrgang 1863. Paris.
- 16. Mme. J. de B. Annuaire special des artistes musiciens. 1. Jahrgang 1863. Paris.
- 17. La saison musicale, par une réunion d’écrivains spéciaux. 1. Jahrgang 1866. Paris.
- 18. Gasparini. Almanach des musiciens de l’avenir avec un morceau inédit de Richard Wagner et les regrets de Beethoven. Paris 1867.
- 19. Almanach des Orphéonistes et des musiciens de l’avenir. Paris 1868.
- 20. Coyon. Annuaire musicale et orphéonique de France. 1. Jahrgang 1875.
- 21. Revue de la musique. Rédacteur en chef Arthur Pougin. Paris et Bruxelles 1876.
- 22. Les annales du théâtre et de la musique. Réd. par Edouard Noël et Edmond Stoullig. Paris 1876-90. 1.-15. Jhg.
- 23. Almanach du Figaro pour 1881. Paris.
[70]
- 1. Polimnia europea ossia biblioteca universale di musica storico-scientifico-letteraria e curioso-dilettevole. 1823. Bologna. Im Katalog von Fétis dazu die Bemerkung: „cet annuaire n’a pas été continué.“
- 2. Rossini e la musica, ossia amena biografia musicale; almanacco per l’anno 1827, Anno 1°.
- 3. Almanacco per l’anno 1828. Milano.
- 4. Album. Giornale letterario di belle arti. Roma 1835-60.
- 5. Il Subalpino, giornale di scienze, lettere ed arti. Torino 1836. Im Katalog von Martin dazu die Bemerkung: „Ce journal contien un certain nombre très étendus relatifs à la musique.“
- 6. L’arte in Italia. Rivista mensile delle belle arti, diretta da Carlo Felice Biscarra e Luigi Rocca, colla collaborazione di molti artisti e letterati italiani. Torino 1869.
- 7. Boccherini. Giornale musicale. 1873.
- 1. Samenspraaken over musikaale Beginselen, ontworpen door J. W. Lustig, Organist te Groningen. Voor de Maan Januarius 1756. Het eerste Stuck, te Amsterdam, by A. Oloffen, Boek-en Muziek Verkooper in de Gravestraat. Diese Monatsschrift findet sich angezeigt in Marpurgs Historisch-kritischen Beiträgen Bd. III, St. 4. Marpurg bemerkt dazu, dass die acht Stücke, die er davon gesehen habe, „viele Belesenheit und einen ruhmwürdigen Fleiss“ an den Tag legten. Der Verfasser Lustig sei ein Schüler von Mattheson. – Demnach gab es schon eine holländische musikalische Zeitschrift 62 Jahre vor dem Erscheinen des Amphion[15] (1818-20), der im Katalog von Fétis als das erste Musikjournal in Holland bezeichnet wird.
- 2. Omnibus. Journal mensuel de la littérature, des annecdotes, des faits politiques, des théâtres, de la musique et des modes. 1. Jahrgang 1835. La Haye.
- 3. De Spectator voor tooneel, concerten en tentoostellingen. s’Gravenhage-Utrecht. 1843.
- 4. De Nederlandsche Kunstspiegel. s’Gravenhage 1844. 1. Jahrgang.
- 5. Annuaire du Conservatoire de Musique de Bruxelles 1870.
- 6. Sint Gregorius Blad. Tijdschrift tot bevordering van kerkelijke toonkunst. Onder redactive van M. J. A. Lans. 1.-25. Jahrgang 1876-90. Haarlem.
[71]
- 1. Concerts of ancient music under the patronage of their majestys, as performed at the New Rooms, Tottenham-Street. London 1785 u. ff.
- 2. The harmonicon. London, W. Pinnock, Longman etc. 1823-33. Dazu die Bemerkung im Katalog von Fétis: „La publication de ce journal s’est arrêtée à la fin de l’année 1833.“[16]
- 3. The Athenaeum. London. Literary and critical Journal, (and after): Journal of English[WS 3] and foreign literature, science, the fine-arts, music and the drama. London 1828-86. Im Katalog von Schuerleer dazu die Bemerkung: „Publication importante très estimée et recherchée.“
- 4. The musical journal, a magazine of information on all subjects connected with the science. (Published by M. M. Rimbault and Macfavren.) Jan. to June 1840. London. Fétis: „Ce journal n’a pas été continué.“
- 5. The dramatic and musical review. London, Ouwhyn 1842-43. Fétis: „Ces deux années sont les seules qui ont été publiées.“
- 6. Miscellaneous records of the musical union, by J. Ella, director 1845-58.
- 7. Cocks’ musical almanac for 1849-51. London.
- 8. Musical Directory, Register and Almanac 1869. London.
- 9. The musical Independent. 1872.
- 1. Neujahrsgeschenk an die Zurcherische Jugend, von der Allg. Musik-Gesellschaft in Zürich. 1813-66.
- 1. La España artistica. Gaceta musical de teatros, literatura y nobles artes. Madrid, impr. de A. Aviz. 1. u. 2. Jahrgang 1857-Sept. 1858. No. 1-49.
- 2. Calendario musical para el año de 1859, primero de su clase que se publica en España, por Roberto (Mariano Soriano Fuente). – Calendario musical para el año bisiesto de 1860, por Roberto. Año 2°. – Madrid, Martini; Barcelona, Tasso.
Ich, Karl Wilhelm Ferdinand Krome, wurde geboren am 21. Juni 1869 zu Dorum, im Lande Wursten, als vierter Sohn des weiland evangelisch-lutherischen Pastors Ferdinand Krome. Im Herbst 1882 kam ich auf das Gymnasium zu Göttingen und besuchte dann, durch zweimalige längere Krankheit unterbrochen, die Gymnasien zu Verden, Hameln und Bremen. Nach bestandener Reifeprüfung bezog ich im Herbst 1891 die Universität und das Konservatorium zu Leipzig. Vom Oktober 1892 bis Juli 1894 studierte ich in Würzburg. Dem Direktor der Königlichen Musikschule, Herrn Dr. Kliebert, bin ich besonderen Dank schuldig für reiche Anregung und nachhaltige Förderung meiner Studien. Im Herbst 1894 kehrte ich nach Leipzig zurück und hörte Vorlesungen bei den Herrn Professoren Kretzschmar, von Oettingen, Sievers, Volkelt, Wundt, Holz und Witkowski. Besonders Herrn Prof. Kretzschmar fühle ich mich zu aufrichtigen Dank verpflichtet für das in mir erweckte Interesse an musikgeschichtlichen Forschungen.
Fußnoten
- ↑ Prutz, Gesch. des deutsch. Journalismus. Hannover 1845.
- ↑ Opel, Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse. S. 10 im Archiv f. d. Gesch. d. deutsch. Buchhdls. Bd. III, 1879.
- ↑ Opel a. a. 0. 44 ff.
- ↑ Opel a. a. 0. 262.
- ↑ Koberstein: Gesch. d. deutsch. Nat. Lit. V. Aufl. 1872. II, 18.
- ↑ Scherer, Lit. Gesch. 3. Aufl. 371.
- ↑ Nos périodiques musicaux S. 28.
- ↑ Scheibes berühmter Angriff gegen Bach (Crit. mus. St. 6) fällt hiergegen nicht ins Gewicht, denn im Grunde wusste Scheibe Bachs Grösse mehr zu würdigen, als vielleicht manche von denen, die wegen seiner Freimütigkeit so entrüstet thaten.
- ↑ Leop. Mozarts Violinschule erschien 1756.
- ↑ Nach einer Notiz des mir zur Verfügung stehenden Handexemplars von C. F. Becher war dieser Aufsatz von Christ. Gottfr. Krause, von dem auch die sehr vernünftigen „Vermischten Gedanken“ im II. u. III. Bd. stammen.
- ↑ Die in ( ) befindlichen Sätze sind Erläuterungen des Verfassers.
- ↑ Haydn wird, nebenbei bemerkt, in der Litteratur zuerst bei Hiller erwähnt (Pohl, Joh. Haydn, Vorwort) und zwar als berühmter Sinfoniekomponist, sowie als Komponist für Kammermusiken (Bd. III, St. 11. 13. 14).
- ↑ Junker versuchte in seinem Almanach von 1782 auch einen solchen „Entwurf“, dessen mannigfache Lücken in den „sichtbaren und unsichtbaren Sonnen- und Mondfinsternissen“ (wahrscheinl. v. Forkel) ergänzt wurden.
- ↑ An Theater-Almanachen und Kalendern, die auch über musikalische Dinge handeln, fanden sich in den Katalogen 63 als nicht von Freystätter berücksichtigt.
- ↑ Nach Fétis ging der Amphion schon 1820 ein. Freystätter meint, er habe bis 1829 fortbestanden.
- ↑ Becker und mit ihm Freystätter meinen, die Zeitschrift habe nur bis 1831 bestanden.