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Die Ausgrabung eines Dachses

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Textdaten
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Autor: Guido Hammer
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Titel: Die Ausgrabung eines Dachses
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 597–599
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder Nr. 41
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[597]
Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Von Guido Hammer.
Nr. 41. Die Ausgrabung eines Dachses.


Des leichtlebigen, ebenso selbstsüchtigen wie gewissenlosen Buschfreiherrn Reinecke von Malepartus mürrischer, aber höchst ehrenwerther Vetter Grebing ist jenem gegenüber, der ihn betrügt und schädigt, wann und wie er nur kann, stetem Nachtheile ausgesetzt.

Der Dachs vor seiner Höhle.
Originalzeichnung von Guido Hammer.

So ärgert der hochgeborene Standartenjunker Rothpelz seinen behäbigen, Ruhe und Ordnung über Alles liebenden Onkel oftmals recht empfindlich damit, daß er ihm seine Felsenburg, den tadellos reingehaltenen Bau, in hämischer Tücke und listiger Gemeinheit so rücksichtslos verunsaubert, daß der alte Herr das sonst unbezwingliche Ahnenschloß lieber für immer aufgiebt, als durch dessen übel duftende Gänge noch ferner Aus- und Einfahrt halten zu müssen, zumal wenn in diesen Vorräumen der aufdringliche Anstifter auch gleich noch festes Quartier genommen, um von hier aus gelassen darauf zu lauern, bis der tiefgekränkte Grimmbart sein Asyl gänzlich räumt und für immer verläßt. Dann macht sich Vetter Biederschurke aber schleunigst breit darin, und nimmt „up ewig ungedeelt“ von der durch feigen Schwindel und frechste Niedertracht errungenen Freistätte vollen Besitz. Ich aber behaupte, der schuftige Annecticer, der überhaupt nur darum nicht auch Lügner, Verleumder und Ehrabschneider ist, weil ihm die Sprache hierzu mangelt, würde gewiß – könnte er eben nur reden – seine schändliche That auch noch zu beschönigen und zu beweisen suchen, daß ihn der verwichene eigensinnige Starrkopf, dem er ja durchaus kein Leid zugefügt – nicht mit einem Zahne berührt habe –, geradezu gezwungen, dessen schnöde verlassene Besitzung in Verwaltung zu nehmen. – Ja, Schlauheit geht nicht nur blos vor Schönheit, sondern auch über Ehrbarkeit und stille Tugend.

[598] Der arme Verfehmte aber troddelt nun obdachlos und darum recht kummervoll in Gottes freier Natur umher, bis er wenigstens für den Augenblick einen nothdürftigen Unterschlupf, etwa eine alte Waldschleuße oder ein wurzelgedecktes Erdloch gefunden, von wo aus er dann bedachtsam zu einem neuen Bau Voruntersuchungen anstellen kann. Um mit einem solchen aber möglichst schnell zu Stande zu kommen, wählt der aus Felsenklüften Gebürtige diesmal nur leichten Sandboden hierzu, welches Material freilich seine alte Steinklause nicht im Geringsten zu ersetzen vermag. Verräth sich doch schon der Fremdling durch solch frisch aufgeführte Einsiedelei sehr bald seinem schlimmsten Feinde, dem Jäger, der dann mit wahrem Vergnügen weiter beobachtet, ob Dachsmann auch hübsch stetig dabei Umgang hält und sich wirklich darin häuslich und bleibend einrichtet. Wie freut sich dabei der Auslugende der Bestätigung dessen, da dieser darauf hin den willkommenen Einwanderer, welchem er in seiner frühern granitfesten Residenz niemals Abbruch zu thun vermochte, nun schon fast als sein eigen betrachtet und ihn im kommenden Herbste sicher zu holen gedenkt. Bis dahin aber läßt der kluge Waidmann den stillen Waldgänger gänzlich unbelästigt, ja, er vermeidet sogar höchst behutsam Alles, was den Mißtrauischen auch nur ahnen lassen könnte, daß er bereits entdeckt und scharf in’s Auge gefaßt worden sei.

Inzwischen aber geht der borsthaarige Schwartenträger still seinen täglichen, oder vielmehr nächtlichen Nahrungsgeschäften nach, wobei er, je nach der Jahreszeit, mit Wurzeln, Gewürm, Larven, Käfern, Schnecken und Mäusen vorlieb nimmt, oder an Beeren, Obst und Feldfrüchten, auch an Bucheckern und Eicheln sich mästet, hierbei natürlich nicht minder gern ein ihm etwa aufstoßendes ergreifbares junges Feder- oder Haarwild als gesunde Zwischenkost verspeist. Daß der schwerfällige Patron aber speciell nach letzterer leckeren Jagdbeute ausginge, das fällt ihm sicher nicht ein; dazu ist er eben viel zu wenig Jäger.

In eigentlich also recht harmloser Weise „kraucht“ unser ungeselliger Nachtwächter „im Busche herum“, während er noch unschuldigerer Weise den lieben langen Tag, im Winter auch noch die Nächte hinzugenommen, einsam verschläft; nur in der kurzen Paarungszeit lebt der Griesgram mit seiner sonst ebenso abgeschlossen sich haltenden Fähe zusammen. Infolge dieses seines also nur nächtlichen Umgehens wird der trübsinnige Verließbewohner auch verhältnißmäßig sehr selten durch die Feuerwaffe erlegt, da dies höchstens bei recht hellem Mondschein auf dem Anstand möglich ist. Hierzu aber gehört unendlich viel Geduld und Vorsicht, denn der dabei erwartete Nachtwandler bewerkstelligt seinen Austritt so bedachtsam und ist dermaßen schreckhaft dabei, daß, wie man ihm nachsagt, er sich vor seinem eigenen Schatten scheut, und deshalb mit schärfsten Sinnen auf das auch nur irgendwie Verdächtige Acht hat. Erfolgreicher hingegen sucht man ihn bei Nacht – ob bei heller oder dunkler, ist gleich – in Wald und Flur mit dazu passenden Hunden auf, die ihn hier leicht stellen, packen und so lange festhalten, bis „der Herr der Schöpfung“ hinzugeeilt ist und den Ueberrumpelten todtgeschlagen hat. Wenn im Herbst der träge Klausner sich ein Wänstlein angemästet und also reich an Fett und gut von Schwarte ist, weiß Herr Immergrün auch noch allerhand weitere Mittel, den drallen Schmeerbauch in seine Gewalt zu bekommen. So belagert er ihn nicht nur in seiner Dassenburg mit Tellereisen, Schwanenhälsen, Schlagbäumen, Dachshauben und auch Selbstschüssen, welche Mordwerkzeuge alle man ihm in und um die Hauptröhren seines ausgedehnten Festungswerkes legt, sondern am liebsten holt sich der rüstige Waidmann, und zwar unter Beihülfe seiner kleinen krummbeinigen Jagdgenossen, der wackern Däckel, den menschenscheuen Mineur aus seinem erdverschanzten Lager durch Ausgrabung hervor. Und eine rechte, echte Jägerfreude bietet letztere Jagdart, wird sie nur nicht zu grausam gehandhabt, in der That; denke ich doch selber nie ohne ganz besondere Lust an so manchen dabei gehabten Naturgenuß. Am lebhaftesten steht mir aber immer der eine Fall vor der Seele, wobei ich in etwas illegitimer Weise die Reize des Dachsgrabens genossen.

Ein mir befreundeter jovialer Forstmann nämlich – Gott hab’ ihn selig, denn er ist nun auch schon vor Langem in die himmlischen Jagdgefilde einberufen worden – hatte erfahren, daß der Gehülfe vom Nachbarrevier, ein höchst eitler, prahlerischer und dabei sich ganz unfehlbar dünkender junger Mann, beschlossen, an einem bestimmten Tage auf seinem ihm unterstehenden Forstgebiet einen recht alten Dachs, der in einer ausgedehnten, etwa fünfzehnjährigen Kiefernschonung, der Cultur einer ehemaligen Brandfläche, seinen Bau hatte, zu graben.

Zu diesem Zwecke nun war von ihm auch bereits an eine ganze Sippe Sonntagsjäger, die er dafür natürlich waidlich honoriren mußte, Einladung ergangen, also alles hübsch an die große Glocke gehangen worden. Um diesen Nimrodsplan aber nicht nur zu kreuzen, sondern daraufhin auch noch ein recht tolles Jägerstücklein auszuführen, ließ mich mein Freund Grünrock wissen, daß er selber in der Nacht vor dem seitens seines Collegen bestimmten Tage der Dachsausgrabung den fetten Braten zu holen gedenke, damit, wenn dann zur festgesetzten Stunde der einberufene Jägertroß zur Stelle käme, dieser das Nest bereits ausgenommen fände. Hierzu brauche er jedoch nothwendig Hülfe, und zwar nur ganz vertraute, diese aber könne nur ich ihm sicher gewähren. Gern ging ich hierauf ein und sagte ihm lustig zu, dabei sein Kumpan zu werden. In Folge dessen fiel mir denn am entscheidenden Abend zunächst die Rolle zu, schon eine Stunde vor Sonnenuntergang den beabsichtigten nächtlichen Ausflug zu eröffnen, um noch bei Tageshelle an Ort und Stelle einzutreffen. Meine Aufgabe war, hier zu beobachten, ob der betreffende Gehülfe den Bau erst noch einmal untersuchen werde. Auch sollte ich bei einbrechender Dunkelheit, wo dann dessen Kommen nicht mehr zu befürchten stand, gleich bei der Hand sein, um schnell sämmtliche Röhren versetzen zu können, damit Mosje Schmalzsack, wenn er doch vielleicht einmal ausnahmsweise einen etwas vorzeitigen Ausgang zu halten gedachte, auf diese Weise dingfest gemacht würde. Mein Anstifter, der, um möglichst unverdächtig zu bleiben, erst mit Mondaufgang bei mir mit Grabwerkzeug und Hunden eintreffen wollte, durfte doch nicht blos zum Gutenachtsagen hinauskommen.

So saß ich denn lange einsam, still und wohl verborgen, nicht allzu weit von der stark befahrenen Hauptröhre entfernt, in einem tiefen Kiefernkuschel und lauschte auf jeden Laut. Aber nichts irgendwie Verdächtiges stieß mir bei meinem stundenlangen Harren auf, und nachdem ich nach dieser Frist schnell alle Eingänge des umfangreichen Baues verrammelt, war es für mich eine wahre Herzenswonne, den wunderbar herrlichen, wenn auch schon recht frischen Octoberabend in so heimlicher Waldeinsamkeit genießen zu können. Golden schimmerte da der Sonne Nachglanz am Himmel durch die dichten grünen Wipfel des jungen Holzes, während nach entgegengesetzter Seite der Mond über den weiten, weiten nebelduftigen Wald emporstieg und ihn bald mit magischem Schimmer übergoß, im nahen Waldteich aber, den ich durch ein paar lichte Stellen in der Schonung gerade erblicken konnte, mit glitzerndem Prunken sich wiederspiegelte. Dazu schnipsten und flatterten noch immer Wandervögel durch die Dickung, und vom Geröhricht des stillen Gewässers her flüsterte und klang es sirenenhaft, untermischt von tausend schwirrenden Stimmen dort eingefallener Staare, während Wildenten mit pfeifendem Flügelschlag die Luft durcheilten und dann, beim Einfallen, von weit her auch ihre Laute mit denen von anderem Wassergeflügel vereinten. Aber auch das Abendglöcklein aus dem nächsten Dorfe schallte hell und melodisch zu mir herüber und – gestehe ich es nur offen ein! – gerade dieser feierliche Schall machte mir, wie ein ernstes Mahnen, das Herz pochen vor Gewissensbissen über mein Wandeln auf immerhin unrechtem Pfade – lief es dabei auch nur auf einen Waidmanns-Schabernack hinaus.

Doch als vom Rande der Dickung her das verabredete Signal meines Genossen ertönte, da war die empfindsame Stimmung auf einmal verflogen, und mit kurzem Pfiff erwiderte ich das gegebene Zeichen und bekundete damit, daß Alles sicher sei. Darauf hin raschelte es denn auch bald auf ausgetretenem Wildsteig daher und vorsichtig näherte sich, mit Spaten, Schaufeln, Hacke und Gabel auf der Schulter, mein Verführer, gefolgt von dem bewährten Däckelpärchen, Bergmann und Waldine.

Ungesäumt ward nun zur That geschritten, und ließen wir deshalb vor allen Dingen die Däckel, Bergmann, den Erfahrenen, voran, in die geöffnete Hauptröhre einkriechen. Kaum war dies geschehen, so gellten auch schon die scharfen Stimmen unserer grätigen Hülfstruppen daraus hervor, bis sie, dumpf verhallend, [599] nur noch dem fest an die Erde gedrückten Ohr vernehmbar blieben, denn nur noch aus unterster Tiefe des Baues drang das jetzt zu Standlaut gewordene Bellen der kleinen Angreifer herauf; sie hatten also den Belagerten im Kessel festgemacht. Nach dieser Gewißheit ward nun sofort „eingeschlagen“ und mit energisch geführter Arbeit dem Ziele zugestrebt, wozu uns die fest vorliegenden Hunde nicht wenig anfeuerten. Aber immer tiefer mußten wir schaffen, so daß wir zuletzt nur noch abwechselnd arbeiten konnten, da in dem für die Tiefe von vornherein nicht weit genug gehaltenen Einschlag zu Zweien zu graben nicht möglich war. Trotz solcher Schwierigkeit ward mit unablässiger Hast rüstig vorwärts gedrungen, schon um der Hunde willen, die zwar vor dem sich scharf wehrenden Dachs tapfer Stand hielten, aber baldiger Hülfe von außen sicher bedurften; denn schon war Waldine, wie dies bei solchen Fällen ihre Art war, einige Male herauf aus dem Bau zu ihrem Herrn gekommen, gleichsam um Beschleunigung mahnend, dann aber sogleich wieder zum Beistand ihres Gemahls zum Kampfplatz geeilt. Aber obgleich wir schon über Mannestiefe hinab waren, hatten wir damit doch noch immer nicht das Ziel erreicht, das noch weiter zu verfolgen nun bald gefährlich ward, indem das lockere Erdreich der ziemlich steil gehaltenen, ja stellenweise unterhöhlten Grubenwände leicht einbrechen und den darin Arbeitenden verschütten konnte. Und dabei durften wir, dem Laute der Hunde nach, noch immer nicht auf ein sehr baldiges Erschließen der unterirdischen Arena hoffen, da wir, um dieses zu erreichen, nothwendig erst noch das ganze bereits gegrabene Loch einigermaßen erweitern mußten, damit wir darin wenigstens noch nothdürftig die Schaufel führen konnten. Unter solchen Umständen war bereits Stunde auf Stunde vergangen, wobei das böse Gewissen, wenigstens bei mir, auch noch das Seinige that, die Arbeit peinlich werden zu lassen, denn wie oft horchte ich bei derselben hoch auf, wenn sich irgend etwas, etwa von einem flüchtig werdenden Stück Wild oder ziehenden Vogel herrührend, vernehmen ließ, gleich dabei an einen Ueberfall von verletzter Seite her denkend. Aber wir ließen deshalb doch nicht ab von unserem ruchlosen Werke, und welch’ eine Freude, als endlich der Lärm unter der Erde so deutlich wurde, daß wir jeden Augenblick auf die Kämpfenden stoßen konnten!

Vorsichtig, um im hitzigen Eifer nicht etwa die braven Däckel durch einen scharfen Spatenstich zu verletzen, gruben wir nunmehr nur noch mit den Händen weiter, und auch dies nur abwechselnd, indem der Andere mit der dazu angezündeten Laterne leuchten mußte. Plötzlich wurde Luft im Keller, und zwar genau an der Stelle, wo der dicht vor dem Dachs liegende Bergmann Stand hielt, sodaß dieser von seinem Herrn sofort abgehoben werden konnte, um ihn mir, der ich oben die niederhängende Laterne hielt, herauf zu reichen. Schnell ward auch die nachfahrende Waldine erfaßt und desselben Weges befördert. Kaum war dies aber geschehen, so brachten auch einige schnell, nicht gerade rücksichtsvoll geführte Spatenstiche das Vordertheil des kühnen Burgherrn in Sicht. Rasch reichte ich darauf die Gabel hinab, und im nächsten Augenblicke schon war der wüthende Gefangene damit im Genick zu Boden gedrückt. Ohne Besinnen sprang auch ich nun hinunter in die enge Grube, um helfend mit einzuschreiten, und faßte zu diesem Zwecke den Gefangenen an einer seiner Vorderbranten fest, um ihn wenigstens nicht zurückfahren zu lassen, da er sich dann leicht noch hätte verklüften können. Das hätte uns noch eine Höllenarbeit bereitet. So hatten wir in dem grabähnlichen, unheimlichen Loche, ich in gebückter Stellung und die Laterne am Bügel im Munde, das Thier wohl fest, aber auch keinen Finger mehr frei, ihm den Garaus zu machen, denn es stemmte sich ja mit der Kraft wenigstens eines Doppelponys so gewaltig gegen uns, daß ich es an der fettigen Patsche kaum noch festzuhalten vermochte, zumal auch schon die Gabel zu weichen begann. Dazu bröckelte es fortwährend so stark von der Wandung unseres Schachtes hernieder, daß man jeden Augenblick gewärtig sein konnte, der leichte Boden werde völlig zusammenbrechen, besonders da die Dächsel oben am Rande herabzuspringen strebten und nur das Machtwort ihres Herrn sie davon zurückhielt.

In solch mißlicher Lage – denn zum Ueberfluß brach nun wirklich noch die frisch geschnittene hainbuchene Gabel in ihren Schenkeln – blieb nichts weiter übrig, als den wüthend sich sträubenden Burschen in zwar wenig waidmännischer, aber hier einzig gebotener Art wenigstens vorerst zu betäuben. Dies bewerkstelligte denn endlich mein Nimrod mit recht gutem Erfolg durch seinen gewuchtigen, eisenbeschlagenen Stiefelabsatz. Dadurch ward aber nicht nur den Leiden des armen Thieres vorläufig ein Ziel gesetzt, sondern auch uns eine Erlösung von heftigster Anstrengung zu Theil. Behend zogen wir nun noch den für den Moment regungslos Gewordenen aus seiner Bresche hervor und tödteten ihn vollends durch ein paar sichere Schläge über die Nase.

Nun erst verschnauften wir wirklich ganz Erschöpften ein wenig, dann aber schleiften wir unsere Beute mit der Fangleine an und kletterten, sie nachziehend, aus der fatalen Grube herauf. Da standen wir denn endlich wieder auf festem, sicherem Grund und Boden und hatten nun nur noch die Arbeit vor uns, unsere Stiefelfährten, an denen man die Thäter hätte erkennen können, sorgfältig zu vertilgen, was wir auch bald und gründlich mittelst eines recht borstigen Kiefernwipfels ausgeführt hatten.

Hierauf aber wurden dem gewichtigen Todten die Läufte zusammengebunden und eine haltbare Kiefernstange hindurchgeschoben. Diese nahmen wir auf die Schultern, das Werkzeug in Arm und Hand – und fort ging’s. Die Hunde folgten uns nach. Die an und für sich nahe gelegene Reviergrenze nahmen wir absichtlich auf Umwegen, um auch hierbei etwaige Verfolger zu täuschen. Zu diesem Zwecke zogen wir uns sogar erst einem nahen Waldbache zu, in dessen Bette wir, gut bestiefelt, in entgegengesetzter Richtung von unserem eigentlichen Ziele hinschritten und nach längerem darin Fortwaten mit größter Vorsicht Ausstieg hielten. Aber auch noch von hier aus beschritten wir, uns dabei wieder rückwärts wendend, noch immer nur dergleichen Terrain, auf welchem ein Nachspüren mit Erfolg kaum denkbar erschien. Unter solcher nicht unangebrachter Achtsamkeit erreichten wir denn ungefährdet das heimische Revier, und endlich, als schon bleicher Dämmerschein den Osten zu lichten begann, auch die einsam gelegene Junggesellenwohnung des lecken Dachsräubers.

Daß der darauffolgende reifkalte, sonnenklar prächtige Morgen, ein Morgen, wie er zum Dachsgraben nicht schöner gedacht werden konnte, im feindlichen Lager nur Bestürzung und gerechten Unwillen fand, wird Jeder selbst ermessen können. In meines nächtlichen Spießgesellen Herzen hingegen war eitel Lust und Freude über seinen gelungenen Streich, welche ich, wenn auch nicht so ganz ohne jede vorwurfsbittere Regung, um so aufrichtiger mit ihm theilte, als ich wußte, wie der um sein allerdings gutes Recht geprellte Forstgehülfe nur allzu gern in großthuerischer Jägerrohheit sich hervorthat und sein ausersehenes Opfer sicherlich nach althergebrachter, leider auch heutigen Tages noch oft angewandter empörender Art behandelt hätte, von der schon der unvergeßliche kernfeste, biedere Altmeister Wildungen vor nun bereits achtzig Jahren ebenso trefflich als edelentrüstet spricht:

„Denn empörend ist’s wahrlich, wie unbarmherzig manche von Euch Waidmännern den unschuldigen Dachs zu mißhandeln gewohnt sind, wenn er das Unglück hat, ihren Tigerklauen zur Beute zu werden. Krätzen, zu diesem schrecklichen Endzwecke ausschließlich ersonnen, werden ihm tief in den Leib geschraubt, um ihn seiner bestürmten Wohnung damit zu entreißen, und in einem Sacke wird er dann oft stundenweit zum Kampfplatze geschleppt, wo ein wüthendes Heer von Hunden aller Gattungen mit mörderischem Zahne ihn zerfleischen muß. Dem Tode schon nahe, wird er von seinen Henkern ihm wieder entrissen, durch eine Wasserfluth der kleine Rest seines Lebens zu neuen Qualen angefrischt und die kannibalische Hatze so lange wieder erneuert, bis endlich sein wirklicher Tod dieses scheußlichste aller Schauspiele beschließt. Fluch und Schande dem Barbaren, den solche Jagdgräuel noch ergötzen können!“

Und, füge ich hinzu, noch giebt es deren.