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Die Bettenburg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCLXXV. Upsala Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLXXVI. Die Bettenburg
CCLXXVII. Bei Eger
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DIE BETTENBURG

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CCLXXVI. Die Bettenburg.




Fern von Hofes Glanz und Flitter,
In dem hohen Rittersaal,
Bei der Ahnen Ehrenmahl,
Lebte hier der letzte Ritter.

In unabhängiger Wohlhabenheit bewohnte bis vor wenigen Jahren ein Freiherr von Truchseß das Stammhaus seiner Ahnen, die Bettenburg, im banerischen Franken. Von jeher galt die Burg als ein Sitz ächter deutscher Gastfreundschaft; dabei war sie gar wohnlich eingerichtet und von ihrem letzten Eigenthümer im Innern sinnig und geschmackvoll ausgeschmückt. Ihre Lage, auf den Vorsprung eines Waldgebirgs, ist sehr reizend. Man genießt aus allen Zimmern liebliche Fernblicke in die fruchtreichen Niederungen gegen den Main hin, nordwärts auf die holzreichen Höhen; nicht minder ansprechend ist die Nähe: denn durch vieljährigen Fleiß hatte Truchseß die Umgebung des Schlosses zu einem großen Garten umgeschaffen, wo Schönheit und Nutzbarkeit immer Hand in Hand gingen und keines über das andere vernachlässigt wurde. Welchem deutschen Pomologen wäre der Name Bettenburg unbekannt? Unter den deutschen Obstbaumschulen galt die hiesige für Kirschenveredlung eine Zeitlang als die erste in Europa und das Truchseß’sche Werk darüber ist classisch.

[111] Die Burg des Ritters war viel besucht; sie war eines jener immer seltner werdenden Häuser, die des herausgehängten Schildes nicht bedürfen, um eine Menge Gäste hinein zu locken. Der Hauptpol der Anziehung jedoch blieb immer der Hausherr selbst. Christian Freiherr von Truchseß war in kurhessischen Diensten gewesen; er hatte es bis zum Major gebracht und sich dann auf seine Güter zurückgezogen. Dieser Mann drückte die Biederkeit und Kraft des wahren deutschen Ritterthums so unverkennbar aus, daß, wer diese hohe, breitschultrige, kernfeste Gestalt erblickte, unwillkührlich der Ideale der Ritterzeit, eines Franz von Sickingen, oder des Berlichingischen Götz gedachte. Unter so eindrucksvoller Hülle verbarg sich auch der ehrwürdigste Geist. „Ein treuer, fester Muth, immer und überall für Wahrheit und Recht zu sprechen, zu handein; ein gerades, gesundes, unbestechbares Urtheil über Menschenwerth und Menschenthat; ein großartiger Sinn, nach welchem er dem Geringsten Achtung bewies, wenn er sich ihm als redlich und vernünftig bewährt hatte, im Gegentheil aber auch den Vornehmsten verachtete, sobald er die heiligen Pflichten der Humanität unerfüllt ließ; – eine höchst einfache, herzliche Umgängigkeit, wodurch er alle guten und edlen Menschen, die sich seinem Kreise näherten, unwiderstehlich in denselben hineinzog und sich Herzen gewann; freie Selbstständigkeit des Geistes, Festigkeit der Grundsätze, gebaut auf religiöse und sittliche Ueberzeugung; eine sinnige Liebe für Poesie und Kunst; Begeisterung für alles Rechte und Gute, verbunden mit der reichsten Lebenserfahrung und einer vielumfassenden Bildung: das waren die Eigenschaften, deren Vereinigung dem edeln Truchseß mit Recht Anspruch auf die Aufmerksamkeit und Bewunderung seiner Zeitgenossen erw–arben.“ –

Truchseß pflog mit den größten Geistern unserer Nation vertrauten Briefwechsel und innige Freundschaft, und in der schönern Jahreszeit versammelte sich oft ein weiter Kreis ausgezeichneter Menschen um den freundlichen und genialen Burgherrn. Jean Paul, Göthe, Wagner, Thümmel, Fichte, Lindenau, Fernow, Rochlitz, Ludwig Tieck, Schlegel, Griesbach, Oehlenschläger, Wangenheim, Mosengeil, der Kanzler v. Müller, Geh. Rath v. Donop u. v. A., waren theils gelegentliche Zugvögel, theils heimisch gewordene Gäste. Auch die Fürsten der Nachbarschaft, die Herzöge von Meiningen und Hildburghausen, und der geistreiche August von Gotha sprachen öfters da ein, wo höfischer Ton und Zwang niemals geduldet wurden, und in manchem Briefe schildern sie die Seligkeit der schnell entschwundenen Stunden der Befreiung aus den Fesseln ihres Standes, die sie hier im Umgang mit guten und edlen Menschen bei dem „Fürsten der Bettenburg, dem Kaiser der Kirschen, dem Hauptmann der Männer, dem Herzog aller deutschen Herzen“ genossen[1]!




  1. Wagner’s Briefe an Truchseß.