Die Bronze in der plastischen Kunst

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: G. Klaussen
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Bronze in der plastischen Kunst
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 364–367
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[364]

Die Bronze in der plastischen Kunst.

Von Dr. G. Klaussen.
Mit Illustrationen nach photographischen Aufnahmen von W. Titzenthaler in Berlin.

Unter den Rohstoffen, die zur Herstellung der Werke plastischer Kunst sich eignen, nimmt der Marmor unstreitig den ersten Platz ein. Seiner Verwendung sind jedoch Grenzen gezogen. Die verschiedenen Marmorarten zeigen sich gegen Einflüsse der Witterung mehr oder weniger empfindlich, und namentlich in dem rauheren Klima nördlicher Länder müssen Denkmäler aus Marmor während des Winters mit Schutzhüllen aus Holz umgeben werden, damit sie vor einem allzuraschen Verderben geschützt sind. So ist der Bildhauer bei uns auf einen Ersatz angewiesen, den am besten der Bronzeguß liefert. Freilich kann dieses Metall, das allzu oft in noch nicht ergründetem Eigensinn die erwünschte Patinierung verweigert, an ästhetischer Wirkung sich mit der leuchtenden Schönheit des lebendig gewachsenen Steins nicht messen. Aber es bietet wenigstens den Vorzug, daß das eherne Kunstwerk das ganze Jahr hindurch dem Auge des Beschauers erhalten bleiben kann. Da sich ferner die Verwendung des Marmors bei Monumenten, die über eine gewisse Größe hinausgehen, von selbst verbietet, so ist der [365] Gebrauch der Bronze in der plastischen Kunst seit den ältesten Zeiten bei allen Völkern geschätzt worden.

Nächst dem Gold und Silber ist das Kupfer dasjenige Metall, das den Menschen am frühesten bekannt war und von ihnen in Krieg und Frieden benutzt wurde. Später erst erhielt man durch Legierungen des Kupfers mit Zinn die sogenannte



echte Bronze, welche einem ganzen Zeitalter menschlicher Entwicklung den Namen gegeben hat. Die ältesten Bronzedenkmäler, kolossale Statuen des Buddha, finden sich am Altai und in Indien. Die Bronzen in Aegypten, sowie im nördlichen und östlichen Europa, das durch den Handel der Phönicier mit den alten Kulturländern am Mittelmeer in Beziehungen stand, zeigen im wesentlichen dasselbe Material wie die asiatischen.

Für das homerische Zeitalter ist neben der Verwendung des reinen Kupfers zu Waffen und Geräten wohl auch schon der Gebrauch der Bronze anzunehmen; ihre höchste Bedeutung aber erhält diese für die Kunst des klassischen Altertums. Die Sitte, einem verdienten Menschen Bildsäulen zu besonderer Ehrung zu errichten, stammt von den Griechen. Wie verbreitet sie war, davon können wir uns nur schwer eine rechte Vorstellung machen. Soll doch allein Lysippus, der Bildhauer Alexanders des Großen, 1500 Statuen geschaffen haben, alle von nicht geringem Kunstwert, und darunter manche von stattlicher Größe. So war nach Plinius ein Apoll 30 Ellen, ein Jupiter 40 Ellen hoch, und der Sonnenkoloß zu Rhodos, von Chares, einem Schüler des Lysippus, gefertigt, hatte eine Höhe von 70 Ellen. Alle diese Bildwerke sind aus echter Bronze hergestellt, wie sie in ganz ähnlicher Mischung heute noch zum Geschützguß benutzt wird. Die Mysterien von Samothrake sollen unter anderm die Geheimnisse enthalten haben, welche angewandt wurden, um die Bildung des schädlichen Zinnoxyds bei der Bereitung zu verhindern. Ein Zusatz von Zink, der seitdem für die Statuenbronze üblich geworden ist, findet sich erst von der Zeit Julius Cäsars an.

Während der Stürme der Völkerwanderung und der folgenden kriegerischen Jahrhunderte fand die antike Bronzefabrikation eine Zufluchtsstätte in Byzanz. Von da kam sie im 9. Jahrhundert nach Deutschland. Zu den bemerkenswerten Arbeiten des 11. Jahrhunderts gehören die Thüren am Münster zu Aachen sowie an den Domen zu Mainz, Augsburg und Hildesheim. Hier, am Fuße des Harzes, nahm die Kunst einen neuen Aufschwung: die Erze des Rammelsberges bei Goslar lieferten das Material. Zu besonderer Blüte gelangte der Bronzeguß durch die Familie Vischer in Nürnberg. Peter Vischers Sebaldusgrab ist ihr berühmtestes Werk. Und selbst das Leid des Dreißigjährigen Krieges vermochte die Errungenschaften der Technik nicht zu vernichten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts goß Johann Jacobi nach Schlüters Modell das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten für die Lange Brücke zu Berlin. In neuerer Zeit knüpfen sich die größten Erfolge des deutschen Bronzegusses u. a. an die Leistungen von Stiglmayer und Miller in München, Howaldt in Braunschweig, Burgschmiet in Nürnberg, Stotz und Pelargus in Stuttgart, der Gießerei Lauchhammer und zum guten Teil an den Namen Gladenbeck. Zwei Fabriken seines Zeichens giebt es jetzt in Friedrichshagen bei Berlin, die ursprüngliche alte, jetzt Aktiengesellschaft, und ein neueres Unternehmen, die Gießerei zweier Söhne des alten Gladenbeck. Ein Besuch der letzteren gab die Anregung zu dieser Betrachtung. Dort sind auch die Bilder aufgenommen, welche unser Text erläutert.

Es ist ebenso unterhaltend wie belehrend, durch diese Anlagen zu wandern, in denen Kunst und Gewerbe sich zu innigem Bunde die Hand reichen, und zu beobachten, wie nach dem vergänglichen Gipsmodell des Bildhauers allmählich das wie für die Ewigkeit geschaffene Werk des Bronzegießers entsteht. Auf dem untenstehenden Bilde ist man beschäftigt, die Gipsmodelle, wie sie vom Bildhauer stammen, für die Formen herzurichten. Die große Statue im Vordergründe stellt den norwegischen Dichter Björnson dar.

Man hat zwei Methoden zur Herstellung der Form für den Guß: das Wachsschmelzverfahren und die Sandformerei, von denen wir hier nur die erstere zu berücksichtigen haben. Im Altertum war die primitivste Art die, daß man ein massives Wachsmodell herstellte und dieses dann mit Lehm oder einem anderen geeigneten Material in dicker Schicht umgab, wobei man ein paar Kanäle offen erhielt. Die erhaltene Masse trocknete und erhitzte man so lange, bis durch Ausschmelzen des Wachses ein Hohlraum entstanden war, in den man das flüssige Metall eingießen konnte. Dies mußte nach Erkalten naturgemäß die Form des ursprünglichen Wachsmodelles zeigen. Hierbei ergab sich jedoch der Nachteil, daß der Gegenstand massiv gegossen wurde. Das war bei größeren Werken unmöglich, sowohl der Kosten wie des Gewichts wegen. So suchte man schon im Modell ein festes Inneres herzustellen. Nach Benvenuto Cellini formte man im Mittelalter ebenso wie im Altertum zunächst aus Lehm über


[366]
Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0366 1.jpg

Die Herstellung der Wachsmodelle.


einem Eisengestell einen sogenannten Kern, welcher in roher Gestalt dem zu schaffenden Modell ähnlich, aber in seinen Ausdehnungen kleiner war. Auf diesen Kern trug man Wachs in der Stärke, die das Metall später haben sollte, auf und arbeitete hierin freihändig das Modell vollständig aus. Das so vorbereitete Modell wurde nun mit der Formmasse umgeben, in welcher sich die negative Form des Denkmals abdrückte. Es blieben nur die Wachsstangen sichtbar, durch deren späteres Wegschmelzen die Zuflußlöcher für das Metall und die Ventile für die ausströmende Luft, die „Windpfeifen“, entstanden. Wurde das Wachs jetzt ausgeschmolzen, so entstand zwischen dem Kern und der Form ein leerer Raum für das einzugießende Metall. Dies Verfahren hatte den Nachteil, daß mit dem Schmelzen des Wachses und dem Zerschlagen der äußeren Form auch stets das Original-Wachsmodell verloren ging, so daß der Künstler, wenn der Guß nicht gelang, noch einmal von vorn anfangen mußte. Auf diese unvollkommene Weise ist die oben erwähnte Bildsäule des Großen Kurfürsten gegossen, und noch in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts arbeitete Rigetti in Neapel nach dieser Methode. Heute setzt man nicht mehr das Original aufs Spiel, sondern man macht über ihm zunächst eine Gipsform oder elastische Form, in welche man das flüssige Wachs eingießt. Nachdem eine schwache Schicht an den Wänden der Form erstarrt ist, gießt man es wieder aus. Dies so gewonnene hohle Wachsmodell dient nunmehr für den Bronzeguß, während das Original erhalten bleibt. Unser obenstehendes Bild zeigt die Herstellung solcher Wachsmodelle, die man, um sie besser handhaben zu können, in einzelne Teile zerlegt hat. Im Mittelpunkte sieht man einen Arbeiter beschäftigt, das flüssige Wachs in das Formstück einzugießen. Im Hintergrunde rechts macht sich ein anderer an den vorstehenden Eingußröhren, von denen oben die Rede war, zu schassen, während links vorn ein dritter an dem Modell eines Löwenkopfes Besserungen vornimmt.

Nachdem die Gußform fertiggestellt worden ist, wird sie in der Gießgrube eingedämmt, das heißt fest in Sand eingestampft. Ueber ihr wird ein vierseitiges Becken aufgemauert, in dem sich die Löcher für die Zuflußkanäle und die Windpfeifen befinden. „Wohl, nun kann der Guß beginnen!“ Handelt es sich um besonders große Stücke, so benutzt man den Flammofen; bei kleineren Güssen wird das Metall in Graphittiegeln geschmolzen. Hat man den Öfen bis zur Rotglühhitze gebracht, so setzt man zunächst die Kupferbarren ein, und erst, wenn diese geschmolzen sind, fügt man das Zink und endlich das Zinn hinzu, während man mit einem Kehrbaum aus grünem Holz die Bestandteile zu mischen sucht. Als das beste Verhältnis für Bildsäulen und Gußwaren überhaupt giebt d’Arcet an: 82 Kupfer, 18 Zink, 3 Zinn und 1 1/2 Blei. Der alte Gladenbeck nahm früher Kupfer 89,55, Zink 7,40, Zinn 2,99.

Ist der Zapfen aus dem Ofen gestoßen, so bricht das flüssige, weißglühende Metall wie eine feurige Schlange hervor und nimmt seinen Weg durch einen Kanal zu dem über der Form befindlichen Becken. Noch sind die Oeffnungen der Zuflußkanäle geschlossen, da tönt das Kommando des Meisters: „Die Birne auf!“ – und lautlos stürzt die glühende Lava in die Tiefe der Form. Aus den Windpfeifen aber rauscht es auf, und im nächsten Augenblick schießen lange blaue Feuersäulen aus ihrem Munde. Noch immer rollt neues Metall nach dem Kessel und immer verschwindet es wieder, endlich bleibt es stehen, sein Spiegel erhebt sich, die Form ist voll und der Guß ist vollendet. Auf unserm oberen Bilde auf S. 365 sieht man nicht den großen Flammofen in Thätigkeit. Das Metall ist in Graphittiegeln geschmolzen worden, und jetzt sind die Arbeiter beschäftigt, aus einem solchen Tiegel, den sie mittels einer großen eisernen Stange handhaben, die flüssige Bronze in die Zuflußkanäle der eingedämmten Form einzugießen.

Etwa zwei bis drei Tage nach dem Guß hebt man die Form aus der Dammgrube heraus. Die Form selbst wird zerschlagen und der Guß durch Absägen der erkalteten Zuflußkanäle sowie durch Beizen mit Säuren und Isolieren hergerichtet. Das unten stehende Bild führt uns in die Ciselierwerkstatt. Hier ist man gerade dabei, die Kolossalstatue Kaiser Maximilians, des „letzten



[367] Ritters“, welche für das Vestibül des Reichstagshauses bestimmt ist, fertig zu stellen. Die reich geschmückte Rüstung in all ihren Feinheiten wiederzugeben, ist der Guß doch nicht imstande. Da muß denn mit Meißel, Feile und Grabstichel nachgeholfen werden. Im allgemeinen aber lieben die Bildhauer von heute diese Nacharbeit des Ciseleurs nicht. Sie haben den Wunsch, den Guß möglichst getreu nach dem Original unverändert zu erhalten.

Die einzelnen Gußstücke, wie man sie auf unserem zuletzt erwähnten Bilde sieht, müssen natürlich genau aufeinander passen. Später werden sie so fest zusammengenietet, daß schließlich auch das schärfste Auge von einer Naht nichts mehr erkennen kann. Dann ist endlich das ganze Kunstwerk fertig, dem Meister zum Lobe, dem Beschauer zur Freude.

Die großen Schwierigkeiten, die mit der Bildgießerei verbunden sind, erklären es zur Genüge, warum der Preis der Bronzen verhältnismäßig hoch ist. Für den „Hausgebrauch“ ist deshalb eine Erfindung mit Freuden zu begrüßen, welche den Besitz geschmackvoller Gebilde der Plastik, wenn auch nicht der Allgemeinheit, so doch einem größeren Kreise ermöglicht: die Erzeugnisse aus galvanisch bronziertem Zinkguß sind heute mit dem Auge von denen aus Bronze kaum noch zu unterscheiden. Dadurch, daß es ferner gelungen ist, ein Verfahren zu erfinden, durch welches man große Originalstücke auf rein mechanischem Wege beliebig verkleinern kann, sind die Denkmäler aller Zeiten zum Zimmerschmuck geworden. Für monumentale Zwecke aber wird die Bronze nach wie vor der einzige ernste Konkurrent des Marmors bleiben.