Die Doppelhochzeit im Schlosse zu Berlin

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Textdaten
Autor: Ernst Walther
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Titel: Die Doppelhochzeit im Schlosse zu Berlin.
Untertitel: Volksblatt. Eine Wochenzeitschrift mit Bildern. Jahrgang 1878, Nr. 10, S. 73–75, Nr. 11, S. 81
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Herausgeber: Dr. Christlieb Gotthold Hottinger
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Dr. Hottinger’s Volksblatt
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Erscheinungsort: Straßburg
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[73]

Die Doppelhochzeit im Schlosse zu Berlin.
den 18. Februar 1878.

Eine erhebende Feier, die durch die Liebe des deutschen Volkes zu ihrem Kaiserhause eine nationale geworden, hat am 18. Februar in Berlin stattgefunden.

Die Vermählungen zweier Prinzessinnen des kaiserlichen Hauses, die der Prinzessin Charlotte v. Preußen [1] der ältesten Tochter unseres Kronprinzen, mit dem Erbprinzen Bernhard v. Sachsen-Meiningen, so wie die der Prinzessin Elisabeth, der zweitältesten Tochter des Prinzen Friedrich Karl, mit dem Erbgroßherzog August v. Oldenburg, wurden an diesem Tage im kaiserlichen Schlosse zu Berlin gefeiert.

Schon in den Nachmittagsstunden desselben hatte sich eine nach Tausenden zählende Menschenmenge in den mit Blumen und Fahnen festlich geschmückten Straßen nächst dem Schlosse eingefunden. Der Himmel lächelte glückverheißend und breitete sich in wolkenloser Bläue über die Stadt und das fröhliche Menschengetreibe.

Die von halb sechs Uhr an in fast ununterbrochener Reihenfolge die schöne Strecke „Unter den Linden“ durchfahrenden Gallawagen, welche die fürstlichen Gäste mit ihrem Gefolge nach dem kaiserlichen Schlosse brachten, boten der schaulustigen Menge reichliche Augenweide, aber besonders waren die Blicke erwartungsvoll nach dem mit der preußischen und englischen Flagge geschmückten kronprinzlichen Palais gerichtet, von wo aus die liebliche königliche Braut, Prinzessin Charlotte, zu ihrer Trauung fahren sollte.

Gegen 6 Uhr stiegen der Herzog von Meiningen mit seinem Sohne, dem Bräutigam, von dem Prinzen v. Wales sowie dem Herzoge v. Connaught, beide Brüder der Kronprinzessin, geleitet, die breiten Stufen des kronprinzlichen Palais herab.

Ihnen folgte die Braut in strahlendem Festschmucke an dem Arme ihrer Mutter, und wurde an dem Vorplatze des Palais von ihrem Vater, dem Kronprinzen, und dem versammelten Hofstaate begrüßt.

Wer das innige Familienleben kennt, welches die kronprinzliche Familie umschließt, das vollständige Aufgehen der Eltern in Liebe zu ihren Kindern, der wird es begreiflich finden, daß der Kronprinz tief erschüttert von dem Augenblicke, der die geliebte Tochter aus dem trauten Familienkreis entführte, diese weinend an′s Herz drückte. Erst nach langer zärtlicher Umarmung trennte er sich von dem geliebten Kinde. Prinzessin Charlotte stieg darauf in den bereitstehenden, von sechs prachtvollen Rappen gezogenen Hochzeitswagen, in dem sie an der rechten Seite ihrer Mutter Platz nahm.

Oben auf dem prachtvollen, reich mit goldenen Zierrathen geschmückten Wagen ruhten sechs silberne Kronen. Vier mächtige Adler, unter deren Flügel brennende Laternen, schmückten die vier äußeren Ecken der Wagenkuppel. Das Innere des Wagens war mit lichtgrauem Seidenstoffe bezogen. Der mit rothem Sammt ausgeschlagene Kutscherbock war reich mit goldgestickten Wappen und Kronen ausgestattet.

Unter dem rosigen Lichte bengalischer Flammen, welche im Augenblicke der Abfahrt das wahrhaft großartige Bild umflossen und der harrenden freudig bewegten Menge das geliebte Königskind in bräutlichem Festschmucke zeigten, setzte sich der Wagen, von berittenen Fackelträgern geleitet, unter dem nicht endenwollenden Jubelrufe der Bevölkerung in langsamem Schritte nach dem kaiserlichen Schlosse in Bewegung.

Immer wieder verneigte sich die liebliche Braut dankend und grüßend.

Nachdem der für die kaiserliche Familie ernannte Standesbeamte, Freiherr von Schleinitz, bereits am Sonntag Nachmittage in Gegenwart der Trauzeugen den standesamtlichen Act im kronprinzlichen Palais vollzogen, hatte sich nunmehr eine glanzvolle Gesellschaft in den Räumen des kaiserlichen Schlosses eingefunden, um der kirchlichen Feier beizuwohnen.

Es dürfte fast unmöglich sein, nur annähernd den Glanz zu schildern, der sich hier entfaltete. Prächtige Uniformen aller Länder und Reiche, überstrahlt von den festlich geschmückten Frauengestalten, sah man durch die Säle des Kaiserschlosses nach der Kapelle wandern, sich dort in malerischen Gruppen sammelnd und des Augenblickes entgegenharrend, wo die drei Schläge des Marschallstabes das Erscheinen des kaiserlichen Hofes verkündeten.

Genau 6½ Uhr ertönte das Zeichen durch den Oberceremonienmeister des kaiserlichen Hauses, Graf v. Stillfried Alcantara.

Den Zug eröffnete der Oberstmarschall Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Dyck mit dem Marschallstabe. Ihm folgten paarweise die für die [74] Neuvermählten befohlenen Kammerherren sowie eine Anzahl von Junkern.

Sodann kam das erste Brautpaar, oder sagen wir, da die standesamtliche Trauung bereits vollzogen war, das neuvermählte Paar, der Erbprinz und die Frau Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen. Die Frau Erbprinzessin trug auf dem Haupte die ihr von der Kaiserin, ihrer Großmutter, eigenhändig befestigte Prinzessinnenkrone. Der Saum ihrer, mit Silberfäden durchzogenen, reich gestickten und mit Edelsteinen gezierten Brautschleppe wurde von vier Damen getragen.

Rechts von den Neuvermählten schritt deren Oberhofmeisterin Prinzessin Biron v. Curland. Hinter dem Erbprinzen v. Sachsen-Meiningen, der die Majorsuniform des ersten Garderegiments und die Kette des kürzlich empfangenen Schwarzen Adler-Ordens angelegt hatte, ging der ihm zur Aufwartung befohlene Generalmajor von Sannow.

Hierauf folgte das zweite neuvermählte Paar in gleicher Weise wie das erstere, von Ehrendamen und Herren geleitet und gefolgt von einem glänzenden Hofstaate.

Jetzt erschien die hohe, stattlich schöne Gestalt unseres Heldenkaisers in schlichter preußischer Generalsuniform, auf der die Kette des Schwarzen Adler-Ordens ruhte. Er führt die Königin der Belgier zur Rechten, zur Linken die Frau Großherzogin v. Oldenburg. Die Schleppen beider Fürstinnen werden von Edelknaben getragen. Wieder kommt ein glänzendes Gefolge von Generälen und Flügeladjutanten.

Unter Vortritt zweier Kammerherren erscheint nun die Kaiserin im Zuge, ihr zur Rechten der König der der Belgier, zur Linken der Prinz v. Wales. Die Schleppe der hohen Frau tragen vier Gräfinnen.

Ihr folgt die Frau Kronprinzessin von den beiden Vätern der neuvermählten Gatten geleitet, sodann der Kronprinz in Feldmarschallsuniform, ebenfalls mit der Kette des Schwarzen Adler-Ordens, die Frau Prinzessin Friedrich Karl und seine Schwester, die Großherzogin von Baden, führend.

Genau dem Range nach schließen sich nun in gleicher Weise die übrigen zur Festlichkeit geladenen Fürstlichkeiten an.

Die Schleppen der fürstlichen Damen werden sämmtlich von Pagen aus dem Berliner Cadettencorps getragen.

So durchschreitet der überaus glanzvolle Zug die prunkvollen Räume des Rittersaales, die Bildergallerie und den weißen Saal. Aus den weit geöffneten Thüren der Schloßkapelle, von deren dunklen Marmorwänden der Schein unzähliger Kerzen den Eintretenden entgegen strahlt, dringen die feierlichen Klänge eines geistlichen Liedes.

Die Neuvermählten werden zum Altar geführt, und der feierliche Act der Trauung nimmt, unter Beiwohnung der versammelten Hof- und Domgeistlichkeit durch den Hof- und Domprediger Dr. Kögel vollzogen, seinen Anfang.

„Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.“ (Brief an die Römer, 12, 12.) Das war wahrlich ein schöner Spruch, den der Geistliche zum Texte seiner Trauungsrede gewählt. In ergreifenden Worten mahnte er die Neuvermählten, an der Liebe, die da Alles glaubt, Alles duldet, Alles hofft, festzuhalten; stets ein freies, warmes Herz für das Volk zu wahren, freudigen Sinnes die Noth der Dürftigen zu lindern und den Bedrückten immer ein williges Ohr zu leihen. Die beiden Fürstinnen mahnte er in herzlichen Worten an den Spruch, welchen er denselben bei ihrer erst vor Kurzem stattgehabten Confirmation mit auf den Lebensweg gegeben und der für die Prinzessin Charlotte lautete: „Behüte dein Herz;“ – für die Prinzessin Elisabeth: „Fürchte dich nicht; denn ich habe dich erlöst.“ – Sodann mahnte er die neuvermählten Gatten an den Wahlspruch ihrer Häuser, den Erbprinzen Bernhard v. Meiningen an das „Treu und beständig,“ den Erbgroßherzog v. Oldenburg an: „Ein Gott, ein Recht, eine Wahrheit“; „Ihr Männer, liebet Eure Weiber,“ sagte er dann zu Beiden gewandt und zu den Fürstinnen „Ihr seid den Männern unterthan!“ Darauf schloß er mit Wiederholung der Worte: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.“ Alsdann überreichte er beiden Paaren je eine Bibel als Geschenk und Hausschatz für das neue Heim.

In dem Augenblicke, als die Paare ihre Ringe wechselten, erschien als Zeichen für das Lösen der Geschütze eine rothe Flamme auf der Kuppel des Schlosses.

Erwartungsvoll hatte die nach Tausenden zählende Menschenmenge, der es nicht vergönnt war einen Einblick in die Festräume zu gewinnen und die sich durch unaufhörliches Hin- und Herwogen auf den Straßen schadlos hielt, auf diesen Augenblick geharrt, um durch lautes Hurrahrufen die Freude und Theilnahme an dem wichtigen Augenblicke zu bekunden.

Nun lichtete sich nach und nach die Menschenmenge, nur in den Räumen des kaiserlichen Schlosses, wo nach der kirchlichen Feier die beiden neuvermählten Paare im weißen Saale unter dem Thronbaldachin sitzend die Huldigung aller Anwesenden entgegen nahmen, begann das Fest eine neue glanzvolle Gestaltung anzunehmen.

Nachdem der Huldigungsact beendet, begaben sich die Fürstlichkeiten in vorerwähnter Rangordnung nach dem Rittersaale, allwo eine prächtige Tafel hergerichtet war, an der die Neuvermählten die Ehrenplätze einnahmen. Die Generallieutenants v. Pape und v. Bülow legten für die Fürstlichkeiten die Speisen vor. Der Oberstjägermeister Fürst v. Pleß reichte dem Kaiser die Suppe, der Oberst-Schenk Prinz Biron von Curland den Wein. In gleicher Weise wurden die übrigen anwesenden Fürstlichkeiten durch die ihnen zur Aufwartung beigegebenen Ritter bedient. Seine Majestät der Kaiser brachte einen Trinkspruch auf die Neuvermählten aus. Nach aufgehobener Tafel begann im weißen Saale der Fackeltanz.

Nach einer althergebrachten Sitte hält das [75] Brautpaar, unter dem Vortritte der Minister, welche brennende Wachskerzen in Händen tragen, mit jeder einzelnen anwesenden Fürstlichkeit in der Reihenfolge des Ranges derselben einen feierlichen Umzug durch den Saal. Diesmal belief sich die Zahl derer, die den Fackeltanz ausführten, auf einundzwanzig fürstliche Häupter. Unter den Klängen eines rauschenden Festmarsches luden zuerst die beiden neuvermählten Fürstinnen den Kaiser durch eine Verbeugung zum Fackeltanze ein, hierauf folgte die Kaiserin, von den beiden jungen Gatten aufgefordert, sodann hielten die beiden neuvermählten Fürstinnen mit dem Kronprinzen, die Gatten mit der Frau Kronprinzessin ihren Umzug fort, bis die Reihe der anwesenden Fürstlichkeiten beendet war.

Die Sitte des Fackeltanzes, welche in früheren Jahrhunderten an Höfen sowohl als in bürgerlichen Kreisen stattfand, versinnbildlicht das Licht, welches die Heimstätte der Neuvermählten erhellen, die heilige Flamme des häuslichen Heerdes entzünden soll.

Ein zweiter alter Brauch, welcher, nachdem die Neuvermählten unter dem Lichtglanze der Fackeln in die für sie bestimmten Kammern geleitet waren, ausgeführt wurde, war der der Strumpfband-Vertheilung.

Die Strumpfbänder der neuvermählten Fürstinnen werden, sobald diese in ihre Kammern eingetreten sind, von der Oberhofmeisterin gelöst, – darauf in kleine Stücke zerschnitten und den anwesenden Gästen zur Erinnerung vertheilt. – Auch diesmal wurde die hergebrachte Sitte beibehalten, jedoch können wir aus sicherer Quelle berichten, daß eine Anzahl eigens zu diesem Zwecke gefertigter, mit Namenszug und Krone versehener Strumpfbänder zur Vertheilung kamen. Mit dieser altherkömmlichen Sitte fanden die Festlichkeiten des 18. Februar ihren Abschluß. In den folgenden Tagen schlossen sich weitere an.

Und wenn wir nun den Wunsch aussprechen: „Gottes Segen möge auf den Neuvermählten ruhen!“, so sind wir gewiß, daß viele Tausende im weiten Vaterlande von Herzen darin einstimmen.

Ernst Walther.     

Anmerkungen der Vorlage

  1. Deren Bild wird die nächste Nummer bringen.

Nr. 11, Seite 81

[81]

Prinzessin Charlotte,
Tochter des Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen Friedrich Wilhelm und der Kronprinzessin Victoria,
geboren den 24. Juli 1860,
vermählt den 18. Februar mit Erbprinz Bernhard von Sachsen-Meiningen.