Die Entstehung von Schöneck (Ziehnert)
Die Entstehung
von
Schöneck.
[90] Schöneck, ein sogenanntes Freistädtchen im voigtländischen Amte Voigtsberg, ist der höchstgelegene Ort des voigtländischen Kreises. Nachstehende Erzählung, obgleich eben nicht unwahrscheinlich, ist doch wohl eine später gedichtete Erklärung des Namens Schöneck, den übrigens die rauhe, wilde Gegend wohl blos der Aussicht wegen verdienen möchte. Schöneck ward vermuthlich im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts gegründet.
Der Landvoigt Heinrich 1) reitet
frühmorgens in den Wald,
laut klaffen seine Rüden,
sein silbern Hiefhorn schallt.
ein fein Stück Wegs voraus,
da stöbern seine Rüden
ein Bärenlager aus.
Wild stürzt heran die Bärin,
und schießt nach ihr den Bolzen,
doch fehl geht sein Geschoß.
Rasch aus der goldnen Scheide
reißt er sein blankes Schwert,
die Kaiserin verehrt.
Schon ist die Bärin nahe!
Er hetzt die Rüden an,
die packen jach im Nacken
Die Bärin brüllt vor Schmerzen,
und reißt sich wüthend los,
und haut die scharfen Tatzen
tief in des Ritters Roß.
Zu Boden stürzt sein Roß,
das Schwert ist ihm zerbrochen,
und fern der Jäger Troß!
Da läuft mit seinem Schürbaum
so keck, als ob die Bärin
ein duldig Lämmlein wär’.
Schon hat der Bärin Tatze
des Voigtes Arm gefaßt,
des starken Schürbaums Last.
Drauf zieht der Köhlerbube
sein Messer vor, und stößt
es in des Thieres Gurgel:
Da spricht der Voigt: „„Mein Retter,
sag an, was forderst du
zum Dank? Ich war des Todes,
kamst du nicht noch dazu!““
no, säht, i hoo schü soot,
wänn ihr für mi ä Plätzle
zu ä klä Haisle hoot.“
„I hoo ä Schotz. Mei Vooter,
doos is möch miseroblig,
u därf o nett ä hämm.“
„I möcht’ mer’n Haisle bae
für mi u meinen Schotz,
kä Holz u a kä Plotz.“ 3)
Der Landvoigt lächelt freundlich:
„„Fehlt dir nichts, als ein Haus,
so such’ in meinem Lande
Holz nimm dir aus dem Walde,
dem du am nächsten bist,
auch Steine magst du brechen,
so viel dir nöthig ist.
dir’s etwa Jemand wehrt,
zeig’ ihnen dieses Ringlein
und dies zerbrochne Schwert.““
Er gab ihm Schwert und Ringlein,
und lief zu seiner Liebsten,
straks an das Werk zu gehn.
Die Dirne schürzt’ sich eilends
auf solche seine Mähr,
im Lande lang umher.
Nach jeder Himmelsgegend
durchzog das junge Paar
die Gauen, ohne daß noch
Der Köhler rief wohl öfters:
„O Geses, do is fei!“
Doch immer sprach die Dirne:
„„Gih wögk, wos fallt dir ei?““ 4)
die Maid beschwatzte ihn,
und wider Willen mußt’ er
stets mit ihr weiter zieh’n.
So kamen sie denn endlich
mit Wäldern und mit Wiesen,
da rief die Maid: „„O je!
Doos is ä gor schü Eckel,
do ko mer weitaus scha’,
do, du, do müss’ mer ba’ 5)!““
Der Köhler war’s gewillig,
und fing flugs an zu bau’n,
und in dem nächsten Walde
Kam Einer von den Jägern,
der ihm darinnen wehrt’,
dem zeigt’ er flugs das Ringlein
und das zerbrochne Schwert.
und sagten mehr kein Wort,
und wünschten ihm gut Leben,
und gingen ruhig fort.
Und als er war zu Stande
da ließ er sich vom Priester
mit seiner Liebsten trau’n.
Bald, als um jenes Häuschen
ein ganzer Ort entstand,
die Stadt Schöneck genannt.
1) Landvoigt Heinrich. Die kaiserlichen Voigte, welche seit Ende des 10. oder Anfang des 11. Jahrhunderts über das, nach ihrer Würde benannte Voigtland erst auf Lebenszeit, bald aber erblich, herrschten, hießen alle Heinrich Reuß. Da aber die Zeit der Entstehung Schönecks nicht genau zu bestimmen ist, so bleibt auch ungewiß, welcher von diesen Heinrichen hier zu verstehen sey, vielleicht Heinrich der Reiche, der Stammvater derer von Weida, welcher in Urkunden von 1140 bis 50 oft genannt wird.
2) Härr – ärlöst! In voigtländischer Mundart so viel, als: Herr Voigt, ihr seid erlöst!
3) Ko sei – kä Plotz. In voigtländ. Mundart s. v. a.: Kann seyn! Nun seht, ich habe satt, wenn ihr für mich ein Plätzchen zu einem kleinen Häuschen habt. Ich habe einen Schatz. Mein Vater, der läßt mich sie nicht nehmen; das ist, mein’ ich, ein Herzeleid, und ich darf auch nicht heim! Ich möchte mir ein Häuschen baun für mich und meinen Schatz, nur hab’ ich noch kein Spänchen, kein Holz und auch keinen Platz.
4) O Geses – dir ei? voigtländ. s. v. a.: O Jesus, da ist fein (schön)! und: Geh weg, was fällt dir ein?
5) O je – mer ba’. voigtländ. s. v. a.: O je! das ist ein gar schön Eckchen, da kann man weitaus schau’n, das ist ein gar schön Eckchen, da, du, da müssen wir bau’n!