Die Erdpyramiden bei Bozen
[468] Die Erdpyramiden bei Bozen. (Zu dem Bilde S. 465.) Wenn wir eine geneigte Fläche sandigen oder kiesigen Bodens betrachten, während Regen auf dieselbe fällt, sehen wir, daß das über die Fläche herabrieselnde Regenwasser sich seine bestimmten Wege sucht. Es schwemmt die lockersten kleinsten Bestandteile der Fläche nach abwärts und verschont dagegen jene Punkte, wo größere Steine liegen. Durch öfter wiederkehrende Regen wird schließlich eine solche Kiesfläche mehr und mehr zerschlitzt und zerspalten: nur jene Erhöhungen bleiben zurück, die durch einen größeren Stein wie durch eine Art Haube oder Schild gedeckt sind. In solcher Weise kann sich eine ganze Kiesfläche im Laufe langer Zeiten in jene seltsamen Gebilde verwandeln, die man in der Geologie als Erdpfeiler oder Erdpyramiden bezeichnet. Es sind spitze Kegel aus Kies, neben- und übereinander aufragend, häufig auf ihrer Spitze noch jenen schützenden Stein tragend, dem sie ihre Entstehung verdankten. Ob sich aus einer Kies- oder Erdfläche solche Erdpfeiler bilden können, hängt von mancherlei Bedingungen ab: von der Festigkeit der Erdschichte, von ihrer Neigung, von dem größeren oder geringeren Schutze, den sie durch die auf ihr sich ansiedelnde Pflanzenwelt etwa genießt. Eine gewisse Mischung von thonigen oder lehmigen und sandigen Bodenbestandteilen scheint für diese seltsame Bodenbildung erforderlich zu sein. In Europa finden sich besonders charakteristische Erdpyramiden im südlichen Tirol: bei Bozen, auch unweit des Schlosses Tirol bei Meran. Man kann sie auch während der Fahrt über den Brenner zwischen Innsbruck und Matrei beobachten. Ungleich großartiger finden sich diese Felsgestalten im nordamerikanischen Gebiet von Colorado, am Rio Grande. Unser Bild zeigt jene Erdpyramiden, welche auf dem Wege von Bozen nach Klobenstein zu sehen sind; im Hintergrunde erheben sich die zerklüfteten Kalkschrofen des „Schlern“, noch weiter zurück der gewaltige Langkofel. M. H.