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Die Fürstin von Isenburg

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Textdaten
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Autor: Ludwig Storch
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Titel: Die Fürstin von Isenburg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 38–39
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[38]

Album der Poesieen.

Nr. 4.
Die Fürstin von Isenburg.

O könntest du, mein Lied, doch Sonnenglanz
Und Farbenpracht des Irisbogens finden.
Du solltest einen prächtgen Strahlenkranz
Um ein verehrtes Bildniß daraus winden!
O Genius, der Schillern Farben lieh,
O Genius der deutschen Poesie,
Gieb mir nur heute deine schönsten Tinten!

Denn eine Heilige ist es, der es gilt,
Wenn in den Kanon auch nicht aufgenommen;
Es ist ein hehres deutsches Frauenbild,
In der der Liebe reinste Glut entglommen.
Mehr als dem Papst, des Himmels stolzem Knecht.
Gebührt dem Dichter das erhab’ne Recht,
Zu Heiligen zu sprechen seine Frommen

Gepriesen sei die Fürstin Frau Sophie
Von Isenburg im glänzenden Gedichte,
An der ihr Priesteramt die Poesie
Nach ihrem gottentstammten Recht verrichte!
Die Fürstin trete mit dem Heil’genschein.
Gewebt aus Liederstrahlen hehr und rein,
Aus dem Gedicht hinaus in die Geschichte!

Ein Frühlingsabend führt die hohe Frau,
Von ihrer Dienerin allein begleitet,
Mit ihrem Säugling in die grüne Au,
Die sie mit seligem Gefühl durchschreitet.
Der Liebe Gottesflamme, die sie hegt,
Mit der sie auch den ärmsten Bruder pflegt
Sieht sie als Segen um sich ausgebreitet.

Im Körbchen trägt die Zofe Brot und Wein.
Zur Tafel wandeln oft die Abendstunden
Der edeln Frau den moosgeschwellten Rain,
Da läßt sie froh sich Lottes Gabe munden.
Auch hat zuweilen schon ein armer Gast
An diesem Fürstentische süße Rast,
Erquickung und ein freundlich Wort gefunden.

Sieh nach der Mutterbrust lebend’gem Quell
Verlangt in ihrem Arm der holde Knabe!
Sie setzt auf einen Stein am Weg sich schnell
Und reicht dem Liebling die ersehnte Labe.
Denn ihre höchste, heil’ge Mutterpflicht
Entzieht dem Sohn die treue Fürstin nicht;
Nicht fremder Brust dankt er die Liebesgabe.

[39]

Wie so das Kind den Born des Lebens trinkt,
Wankt eine Frau daher, die matten Glieder
In dürft’ge Lumpen eingehüllt, und sinkt
Ohnfern der hohen Dame kraftlos nieder.
Ein Säugling schreit in ihrem Achselbund;
Nach Nahrung stöhnt des armen Weibes Mund,
Dann schließt in Ohnmacht sie die Augenlider.

Rasch eilet auf der edlen Frau Gebot
Die Magd mit Wein die Arme zu erquicken,
Die schlägt die Augen auf und nimmt das Brot
Und deutet nach dem Kind auf ihrem Rücken.
„Weh’ mir! das arme Würmlein unterliegt!
Die Quelle meiner Brust ist heut’ versiegt.“
So stammelt sie mit thränenschweren Blicken.

Die Fürstin reicht den Sohn der Zofe hin
Und leget schnell mit seligem Genügen
An ihre Brust das Kind der Bettlerin,
Das trinkt den süßen Born mit gier’gen Zügen.
O göttliches Gefühl, der Liebe Lohn,
Die ihre Brust entzieht dem eignen Sohn
Und läßt das Kind der Armuth daran liegen!

Viel große Thaten nennt das Weltgericht,
Doch eine schön’re hab’ ich nicht gefunden,
Und eine würd’gere für mein Gedicht.
Das Herz, das solcher Liebe Kraft empfunden,
Ist mehr als eine Fürstenkrone werth,
Das sei mit einem Sternenkranz geehrt,
Den ihm der Dichter ehrfurchtsvoll gewunden!

Ludwig Storch. 


Anmerkung. Sophie Charlotte, regierende Fürstin von Isenburg, eine der edelsten und trefflichsten deutschen Frauen, starb im Jahre 1784 in ihrem 38. Lebensjahre.