Die Frau im Zustande der Emancipation
Wundern Sie sich nicht, meine Herren Commilitonen, daß ich in Hosen erschienen bin. Das eigenthümliche Doppelverhältniß, in welchem ich als Fräulein und als Professor zu Ihnen stehe, schien mir zur Folge zu haben, daß an manchem der geehrten Herren die Segnungen der Wissenschaft spurlos vorübergingen. Diese Erscheinung war um so betrübender für mich, als die meisten von Ihnen schon in die Jahre der Mannbarkeit eingetreten sind, in welchen ein höheres Streben über Vorurtheile hinwegführt, die bis jetzt wie gemeine Scheidemünze im Leben kursiren. Wenn dieselbe Begeisterung für die Institutionen, welche ich auf das Katheder mitbrachte, auch Sie ergriffen hätte, wenn Sie das corpus juris mit derselben Liebe erfaßt hätten, als ich es Ihnen darlegte, Sie würden an den Geschlechtsunterschied, der zwischen uns stattfindet, kaum leise erinnert worden sein. Leider aber, und ich kann eine Thräne dabei nicht unterdrücken, finden Viele von Ihnen die Institutionen – ich darf wohl sagen meine Institutionen – so trocken und langweilig, daß ich vorzugsweise dem persönlichen Eindruck, den ich mit dem Flusse meiner Rede und mit dem Feuer meiner Augen auf Sie machte, den gefüllten Hörsaal zu verdanken habe. So sehr ich mich auch dadurch auf der einen Seite geschmeichelt fühle, auf der andern möchte ich einen Kreis von gesinnungstüchtigen Männern um mich versammelt sehen, denen es mit der Wissenschaft Ernst ist, die sich an der ewigen Poesie der Wahrheit, die in dem römischen Kaiserrechte enthalten ist, männiglich erhitzen. Darum kein Kattun zwischen uns! In männlicher Tracht stehe ich Ihnen jetzt gegenüber und hoffe, daß der Mangel des Bartes allein kein Hinderniß sein wird, die vielen Aufmerksamkeiten, die mir früher zu Theil wurden, in Aufmerksamkeit übergehen zu lassen. – Cummilitones humanissimi, corpus delicti etc.