Die Galeerensklaven
Die Galeerensklaven.
[1]Mehrere Tage sprach man in Rochefort von Nichts als von der Ankunft einer neuen Galeerenkette; endlich brach der merkwürdige Tag an. Vom frühen Morgen war der Weg, auf welchem diese Unglücklichen erwartet wurden, mit einer Menge Neugieriger bedeckt. Ein Karren erschien, es befanden sich sieben Kranke darauf; sie hatten um den Hals eine Fessel, woran ein Vorhängschloß hing. Ein junger, brauner Mann, von angenehmem Aeußern – man behauptete, daß er ein spanischer Maler sey – fiel auf: in seiner Haltung lag ein Ausdruck von Schmerz und Reue. Die Kette, in drei Kordons getheilt und 114 Mann stark, folgte bald: an der gelben Kleidung erkannte man 46 Galeerensklaven,[692] welche von Toulouse kamen. Unter den Uebrigen waren viele Militärs, Opfer unserer revolutionären Gesetze, die fortbestehen, ungeachtet beredte und muthige Stimmen sich dagegen erhoben haben. Bedeutende Personen bemerkte man zwar nicht, doch befand sich ein Botenmeister (inspecteur de messageries), ein Arzt und ein Gesundheitsbeamter von der Armee darunter. Sie haben sämmtlich eine Kette um den Hals, die angeschmiedet ist, und so weit hinunterreicht, daß sie sich an die Kette anschließt, woran alle zusammen gefesselt sind, deren Last sie ihnen tragen hilft. Eine städtische Wache von Bordeaux bildete die Bedeckung; an der Spitze des Zugs ging der Hauptmann der Kette mit einem breiten Säbel in der Hand, der jedoch in der Scheide stack; dieser Mann, der eine ziemlich beträchtliche Caution leistet, führt die Gefangenen jedesmal an den Ort ihrer Bestimmung; wenn ihm unterwegs einer oder mehrere entwischen, so zahlt er für den Kopf 3000 Fr. Ein solcher Fall kommt zwar selten vor, wäre aber beinahe diesmal vorgekommen. Etwa zwei Stunden vor Rochefort war es zweien gelungen, während der Rastzeit ihre Eisen zu zerbrechen, und sie wollte sich gerade aus dem Staub machen, als ihnen der Hauptmann auf die Sprünge kam und den einen, der schon die Mauer der Clausur erklimmte, mit einem tüchtigen Säbelhieb in den Rücken herunterschlug. Sie wurden sogleich festgenommen, sorgfältig bewacht, und bei ihrer Ankunft in Rochefort in den Saal der Verdächtigen gebracht, wo sie, unter einer thätigen Aufsicht, ihre Freiheitsliebe büßen.
Wenn nun der Zug vor dem Bagno angelangt ist und das verhängnißvolle Thor sich öffnet, um hinter Manchem sich auf immer zu verschließen, bleibt die Volkswoge, die bis dahin fort und fort anschwoll, zurück. Innen ist zum feierlichen Empfang der ganze Vorstand versammelt, der Unterpräfekt, der Marinekontrolleur, der Chef des Medicinalwesens, die Gesundheitsbeamten, der Commissär – Alle in großer Galla und von der Mannschaft des Hauses, die unter den Waffen steht, von Adjutanten und Unteradjutanten umgeben.
Die Ankömmlinge setzen sich im Hof herum, erhalten jeder ein Quart Wein und es wird ihnen die provisorische Fußschelle angelegt. Hierauf geht die Abnahme der Eisen vor sich. Zu dem Ende legt der Züchtling seinen Hals auf die sogenannte Krücke (bequille), eine Art Block, der am Boden festgemacht und oben eine Oeffnung hat, worein der Hals gerade paßt; ein anderer Züchtling hält ihm den Kopf und das Halsband, während mit einigen Hammerschlägen das Nieteisen losgeschlagen wird. Man gebraucht bei diesem Geschäft Leute, die sich an Köpfen von Holz zuvor lange geübt haben. Ein Pole, der im Bagno das Amt des Henkers und des Peitschers versieht, operirte mit solcher Geschicklichkeit, daß er in einer Minute mit drei Mann fertig war.
Nach der Abnahme der Eisen werden die Züchtlinge entkleidet, alle ihre Effekten auf einen Haufen geworfen, zusammengepackt und später an Trödler verkauft. Der Ertrag davon wird vielleicht unter sie vertheilt; wenigstens wäre dieß nicht anders als billig. Was sie von Geld besitzen, nehmen die Adjutanten von ihnen in Empfang, die darüber eine besondere Rechnung führen und es ihnen bei ihrer Entlassung oder ihrer Familie bei ihrem Tod zustellen. Sie selber dürfen nur eine unbedeutende Summe in Händen behalten.
Nun werden sie in großen Wannen gebadet und mit Schwämmen abgewaschen; der Commissär war so human gewesen, das Wasser dazu wärmen zu lassen. In diesem Augenblick kann man die Verbrecher classifiziren: man erkennt die Rückfälligen (Retourpferde genannt), die Fälscher u. s. w. an der Brandmarkung. Es befanden sich etwa dreißig unter ihnen, die lebenslänglich verurtheilt waren: beinahe alle diese trugen einen Rosenkranz um den Hals und hatten Gebetbücher.
Sind sie aus dem Wasser, so passiren sie vor den Gesundheitsbeamten die Musterung: es wird untersucht und aufgeschrieben, ob sie geimpft sind, oder ob sie die Pocken gehabt haben. Findet sich, daß einer krätzig ist, so wird er von den übrigen getrennt. Hierauf begeben sie sich in die Trommel (so heißt der Platz zwischen den beiden Sälen des Sklavenhauses), ein Adjutant fragt sie nach der Dauer ihrer Strafe und stellt ihnen die Hauskleidung zu, bestehend in einem rothen Rock, worauf die drei Buchstaben g a l zu lesen, in Leinwandhosen, die numerirt sind, in einem Hemd und in einer rothen Mütze für die temporär, wo wie in einer grünen für die auf Lebenszeit Verurtheilten; an der Mütze hängt ein Blech mit der Numer ihrer Immatrikulation. Die Qualität der Kleidung ist nach der Dauer der Strafzeit verschieden.
Die temporär Verurtheilten kommen in den Saal Saint Gilles; die lebenslänglich, oder wenigstens auf sehr lange Zeit Verurtheilten und die Verdächtigen in den Saal Saint-Antoine. Sie dürfen Nichts mit hineinnehmen. Einer von ihnen, der ein Brod unter dem Arm trug, mußte es dem Adjutanten geben, der es in Stücke zerschnitt, um sich zu überzeugen, daß nichts Gefährliches darin verborgen sey. Endlich werden sie an die Bank gefesselt, und man läßt ihnen acht Tage Zeit, sich von den Mühseligkeiten des Transports zu erholen.
In fünf Viertelstunden war Alles vorbei, und man muß gestehen, daß die Rechte der Humanität auch am Galeerensklaven geachtet wurden.
- ↑ Courrier des Tribunaux, 13 Juin.