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Die Grillparzerwoche

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: W. L.
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Titel: Die Grillparzerwoche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 131–132
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[131] Die Grillparzerwoche, während deren allenthalben in Deutschland und Oesterreich der hundertjährige Geburtstag des Dichters feierlich begangen wurde, mag in manchem die Erinnerung an die Schillerwoche des Jahres 1859 erweckt haben. Und zwar denken wir hierbei nicht bloß an die einmüthige Begeisterung, mit der in allen Ländern deutscher Zunge, sogar in der für die deutsche Gesittung gewonnenen Bukowina, der hundertste Geburtstag des österreichischen Dichters, wie ehedem derjenige des schwäbischen, gefeiert wurde. Wir erinnern uns vielmehr, daß im Jahr 1859 der Schillertag für Oesterreich das Wiederaufwachen des deutschen Geistes aus langer Erstarrung bedeutete, und wir können bestätigen, daß diesmal das Vaterlandsgefühl und Selbstbewußtsein der Deutsch-Oesterreicher durch die Grillparzerfeste sich mächtig bekundete und aufs erfreulichste stärkte. Die großen und öffentlichen Veranstaltungen für Grillparzers Ehrung scheinen uns für ein solches Urtheil weniger maßgebend als die oft in ihrer Schlichtheit rührenden Kundgebungen in den Kreisen des Volkes und insbesondere der Jugend Oesterreichs.

[132] Wir haben diese und jene Feier in Mittel- und Volksschulen und Töchteranstalten mitangesehen und uns innig daran erfreut, wie die jungen Herzen und Geister in das Verständniß des größten österreichischen Dichters eingeführt wurden. Wir haben gesehen, wie Grillparzers Werke zu den Lieblingsbüchern unseres Volkes geworden sind. Und als der Bürgermeister von Wien in der feierlichen Ansprache, mit welcher er die Grillparzer-Ausstellung im Wiener Rathhause eröffnete, den Wunsch ausdrückte, neben des Dichters Werken selbst, die schon tief in das Volk eingedrungen, möchte die auf Kosten der Stadt Wien veranstaltete Lebensbeschreibung Grillparzers von Sauer unser aller Kenntniß über den Dichter noch zu einer vollkommeneren machen, da mußte ihm der laute Beifall von allen Seiten sagen, wie sehr er hiermit allen aus dem Herzen gesprochen hatte.

Grillparzers Sommerwohnung in Rudolfsheim.

Wie vertraut aber bereits die Bevölkerung Wiens mit den Einzelheiten des Lebens Grillparzers und seiner Zeit sich gemacht hat, konnte man täglich erfahren, wenn man sich unter die Scharen mischte, welche die Grillparzer-Ausstellung besuchten und in ihrer lebhaften Art ihre Bemerkungen über die einzelnen Gegenstände machten. Es waren natürlich vor allem jene geweihten Stätten, da der Dichter im Leben geweilt hatte, welche die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zogen, sein bescheidenes Wohn- und Arbeitszimmer in der Spiegelgasse, wo ich selbst vor dreißig Jahren dem Dichter die Schauspielerin Janausek, welche in Wien als Medea gastirte, vorstellen durfte. Eine theuere Reliquie ist auch die von Reinhold in Wasserfarben gemalte und für die „Gartenlaube“ von T. Rybkowski gezeichnete Sommerwohnung Grillparzers in Rudolfsheim, beziehungsweise der Gartenpavillon der Freiin Henriette von Pereira Arnstein in deren ehemaligem Palast auf dem „Braunhirschen-Grund“ in Sechshaus. Auf dieser Besitzung der ihm gastfreundlichen, sehr kunstsinnigen Familie pflegte Grillparzer in den dreißiger und vierziger Jahren seinen Sommeraufenthalt zu nehmen und er hing mit Vorliebe in diesem idyllischen Gartenhäuschen seinen Gedanken nach. In den letzten Jahrzehnten pflegte er das reizende Baden bei Wien aufzusuchen. Auch dort ist die Pietät seiner Verehrer seinen Spuren nachgegangen, und auf Betreiben H. Rolletts wurde an dem Hause, wo er wohnte, eine Gedenktafel angebracht. Eine solche ziert auch in Wien sein Geburts- und sein Sterbehaus, und der Wiener Schriftstellerverein Concordia ließ dieses letztere für die Grillparzerwoche in sinniger Weise schmücken. In demselben Haus, in dem er gewohnt hat, befindet sich zu ebener Erde die Wirthschaft „Zur Stadt Amberg“. Dort pflegte der Dichter fast täglich ein Stündchen zu verweilen und sich seinen Träumen bei einem Gläschen österreicher Weines zu überlassen. Ueber seinem Stammplatze hat nun der wackere Wirth auf Anregung des Schriftstellers Amster eine marmorne Denktafel mit entsprechender Inschrift anbringen lassen. Ein Kreis von Schriftstellern hat auch diese Dichterstätte durch eine würdige Feier eingeweiht, und jetzt kaun man allabendlich daselbst Wiener Bürger über ihren Lieblingsdichter erzählen hören. W. L.