Die Hand auf dem Grabe

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Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Die Hand auf dem Grabe
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aus: Die Volkssagen der Altmark
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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56. Die Hand auf dem Grabe.

In der Kirche des Dorfes Groß-Redensleben, eine Stunde von Seehausen, befindet sich gleich beim Eingange, links vor der Thüre an einem steinernen Pfeiler, eine hölzerne, schwarz angestrichene Tafel, welche folgende Inschrift hat:

     2 Buch Moses XX
Sieh, sieh du böses Kind,
Was man hier merklich findt,
Eine Hand, die nicht verwes’t,
Weil der, deß sie geweßt,
War ein ungerathenes Kind,
Die man auch jetzt noch findt.
Den Vater schlug der Sohn,
Darum hat er dieß zum Lohn,
Daß hier hängt seine Hand,
Hüt dich für solche Schand.

Auf dem Rande der Tafel, rund um jene Inschrift herum, stehen die Worte:

Du sollt deinen Vater und deine Mutter ehren,
auf daß du lange lebest im Lande, das dir der
Herr dein Gott giebt.

[49] Unten an der Tafel befindet sich eine eiserne Kette, ungefähr eine halbe Elle lang, an derselben hängt eine Menschenhand, welche kurz an der Wurzel abgehauen ist; sie ist von aschgrauer Farbe, Haut und Fleisch sind gänzlich daran vertrocknet. Man erzählt hiervon folgende Sage:

Vor dem dreißigjährigen Kriege lebte zu Groß-Redensleben ein frommer Mann, der einen sehr ungerathenen Sohn hatte. Dieser Sohn verlachte nicht nur des Vaters Ermahnungen, sondern ging in seiner Verstocktheit gar so weit, daß er seinen eigenen Vater mißhandelte. Einst hob er auch die Hand gegen ihn auf, als der Vater gerade für ihn zu Gott um Besserung betete. Da geschah es aber, daß der ungerathene Bube plötzlich todt zur Erde niederfiel, zum sichtbaren Zeichen, daß der Himmel seinen Frevel nicht ungestraft lasse. Als er nun aber am Tage nachher begraben war, da begab sich ein noch größeres Wunder. Denn es wuchs plötzlich aus seinem Grabe seine Hand heraus, dieselbe Hand, womit er seinen Vater geschlagen hatte, als wenn sie in der Erde keine Ruhe habe. Da flohen vor Schrecken Alle, die es sahen, und es wagte sich Keiner mehr auf den Kirchhof; denn die Hand wich nicht wieder unter die Erde, und es war grausig anzusehen, wie sie so starr und bleich aus dem Grabe hervorragte, kalt und schweigend, aber doch ein so beredter Zeuge, wie der Herr die Sünde strafe. Zuletzt befahl die Obrigkeit, daß man sie mit Ruthen streichen sollte, glaubend, daß eine solche Strafe genug sei und die Erlösung bewirken werde. Der Befehl wurde vollzogen, und die Hand blutete, daß die Erde davon roth wurde; aber in das Grab wollte sie nicht zurück. Da ließ man sie abhauen und mit jener Tafel in der Kirche aufhängen, damit noch späte Zeiten sich ein Beispiel daran nehmen möchten.

(Eine ähnliche Sage ist in Szamaiten und Polen häufig.)