Die Huldigung des Siegers

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Titel: Die Huldigung des Siegers
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 212–213, 220
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[212–213]

Die Huldigung des Siegers.
Nach dem Gemälde von G. Clairin.

[220] Die Huldigung des Siegers. (Zu dem Bilde S. 212 u. 213.) „Allah il Allah!“ Es ist, als ob dieser Siegesruf der mohammedanischen Scharen tausendstimmig aus unserem Bilde aufstiege zum Himmel; er übertönt die wimmernden Jammerlaute der Gefangenen und das letzte Röcheln der Sterbenden.

Zu Granada war’s, im schönen Spanien. Seit sieben und einem halben Jahrhundert herrschten hier die Mauren, gleich groß in den Thaten des Kriegs wie in den Werken des Friedens, und lange durfte sich das unterworfene Land einer milden Knechtschaft und hoher wirthschaftlicher Blüthe erfreuen, einer Blüthe, die es nie wieder erreicht hat, deren Spuren der Wanderer noch heute staunend bewundert. Aber zwei gefährliche Feinde verbanden sich gegen die Macht der spanischen Kalifen: die Zwietracht in den eigenen Reihen und die nur zurückgedrängte, aber nicht vernichtete Christenheit. Während auf dem Throne von Cordova die Herrschergeschlechter sich ablösten, Sonderreiche bald da, bald dort sich losrissen, um meist rasch wieder zu verschwinden, eroberte die christliche Ritterschaft Schritt für Schritt den alten Boden wieder, den ihr einst die unglückliche Schlacht bei Xeres de la Frontera im Jahre 711 entrissen hatte. So konnte es dahin kommen, daß die Mauren, die einst über die ganze pyrenäische Halbinsel mit Ausnahme des asturischen Berglands im äußersten Norden geboten hatten, schließlich auf das Königreich Granada – etwa den heutigen Provinzen Granada, Malaga und Almeria entsprechend – sich beschränkt sahen und den Königen von Kastilien tributpflichtig wurden. Aber noch war es eine achtunggebietende Macht, über welche die „Könige von Granada“ verfügten. Denn das außerordentlich fruchtbare und fleißig angebaute Land ernährte drei Millionen Bewohner und stellte hunderttausend Krieger ins Feld. Und als König Mulei Abul Haschem im Jahre 1476 die Fortentrichtung des seit 230 Jahren bezahlten Tributs verweigerte, da bedurfte es eines langen, wechselvollen Krieges, bis endlich am 2. Januar 1492 die stolzen Thore von Granada dem Königspaar Ferdinand von Aragonien und Isabella von Kastilien sich öffneten und der letzte König von Granada, Boabdil, in die Verbannung wanderte.

Das ist das geschichtliche Drama, aus dem unser Bild eine Scene darstellt. Und zwar ist es diesmal der Maure, welcher Sieger blieb. An der Spitze seiner Kriegerscharen tritt der Feldherr vor seinen königlichen Gebieter, hinter sich die Träger der erbeuteten christlichen Feldzeichen, und seine ausgebreiteten Arme scheinen sagen zu wollen: „Siehe, das alles ist Dein, Dein sind die Kleinodien von Gold und Edelsteinen, die Dein Sklave Dir auf prächtiger Schale reicht, Dein die kostbaren Rüstungen der erschlagenen Feinde, Dein die heiligen Geräthe, mit denen die Ungläubigen ihren Gott verehren, Dein das Herrlichste, was an Frauenschönheit unsere Augen sahen im Feindesland! Nimm es, Herr, nimm alles, was Allah den Deinen gegeben!“

Der „König von Granada“ aber hält unter dem Thore der Moschee. Mit den ehernen Gesichtszügen des Orientalen, die mit keiner Spur die Bewegung des Inneren verrathen, schaut er von seinem prächtig geschirrten Rosse herab auf die Huldigung seines siegreichen Feldherrn. Was in dem starr emporgereckten Haupte des Herrschers für Gedanken sich kreuzen mögen? Weiß er, daß der Mann vor ihm, welcher ihm jetzt alle Früchte seines Sieges zu Füßen legt, in der Stille auf Verrath sinnt? Ahnt er, daß dem heutigen Triumph morgen ein um so tieferer Sturz folgen wird? Wer will es ergründen?