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Die Hydriotischen Frauen

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Die Hydriotischen Frauen
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 73. S. 290–291.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Hydriotischen Frauen.


Wenn ein Reisender zu Schiff bei Hydra vorbeifährt, oder wenn er nur flüchtig durch die Straßen und die Umgegend geht, wird er keine richtige Vorstellung von den Häusern bekommen, deren Aeußeres so wenig verspricht. Nur im Innern findet sich Reichthum und Luxus. In der Stadt sind wohl funfzehn bis zwanzig Häuser, die man in Italien Palazzi nennen würde. Ihre Besitzer haben sie von ihren See- und Handelsreisen her, ja von jedem Land, wo sie ihr Gewerb hinführte, mit allem ausgeschmückt, was zur Verschönerung oder Bequemlichkeit des Lebens dienen kann; europäische Geräthe und Möbeln stehen da neben asiatischen in weiten Sälen. Die Fußböden von Stuck, Marmor oder Mosaik geben Kühlung. Alle Stockwerke haben nach verschiedenen Richtungen hin Terrassen, und darauf stehen die seltensten Blumen des Orients und des Abendlandes. Selbst die Erde dieser Gärten wurde mit großen Kosten von fern herbeigebracht und auf den steilen Felsen getragen. So war das Haus, wo ich in Hydra so viel Gastfreundschaft fand. Es herrscht über Stadt und Meer. Auf mehr denn hundert Stufen mußte man vom Hafen hinaufsteigen. Von seinen Terrassen aus sah ich Mora und die Spitze von Attika. Ich denke noch mit Interesse daran, denn mein Gastfreund ließ mich mehrere Tage nicht fort, da er um das Cap Colonna einen Piraten kreuzen sah. Mit seinem Fernrohr konnte er all’ seine Bewegungen beobachten. So bewachte er wirklich das Meer, denn vom Golf von Argos bis zum Golf von Athen entgieng seinen Blicken nichts.

Auffallend war mir bei meinem kurzen Aufenthalt in Hydra, daß da die Frauen so wenig geachtet und so untergeordnet sind. In dieser Beziehung ist die türkische Sitte hier mehr herrschend geworden, als irgendwo in Griechenland. Die Hydriotinnen führen ein sitzendes Leben im Innern des Hauses, und können zu der Dienerschaft gerechnet werden. Begegnet man ihnen im Saal oder Vorhaus, so geht man vorüber und sieht sie kaum an. Wenn Essenszeit ist, so kommen sie und setzen sich nach allen andern Hausgenossen. Der Mann und Fremde thun als wenn sie nicht da wären; nur selten gibt man ihnen Gelegenheit zum Sprechen, d. h. zum antworten, denn zuerst reden, würde ihnen für allzugroße Kühnheit ausgelegt werden. Die Hydrioten sind albanesischen Stamms und haben in ihren Sitten noch Manches von der Rohheit ihrer Vorfahren. Ich besuchte einen Griechen, der in Hydra ansässig ist. Die Hausfrau – groß und schön – trat herein, um uns zu bewirthen, reichte uns selbst die Rosen-Conserve, das Glas Wasser, die Pfeife und den Kaffee, was man alles zehnmal annehmen muß, wenn man zehn Besuche am Morgen macht, die früh um fünf Uhr gleich nach der Messe beginnen. Ich war ganz beschämt, die schöne Frau so vor mir stehen und warten zu sehen, bis ich gegessen und getrunken. Ich wollte daher aufstehen, aber der Hausherr machte mir ein Zeichen mit der Hand, als wenn er mich an etwas Unschicklichem verhindern wollte. Die Griechin lächelte anmuthig über meine Verlegenheit. [291] Später setzte sie sich auf einen Stuhl, weit von uns weg, während wir Männer bequem auf dem Divan saßen. Sie hörte unserer Unterhaltung zu, lächelte auch wohl manchmal über etwas, wagte aber nie ein Wort zu sagen.

Der hydriotische Capitän D .. brachte mich nach Hydra, und als wir ausgestiegen waren, sagte er zu mir: Bleiben Sie nur hier. Ich springe geschwind zu meinen Freunden; wir gehen erst gegen Abend hinauf in mein Haus. Welche sonderbare Sitten! Nach vier oder fünf Monatlanger Abwesenheit dachte er nicht daran, zuerst seine Frau zu umarmen; er hatte von Mittag bis Abend viel nothwendigeres zu thun! und doch ist D .. gewiß ein guter Gatte und Vater. Er richtete sich hierin nur nach der Landessitte. Kein Mensch in Hydra hätte darin etwas auffallendes gesehen, und jeder hätte dasselbe gethan. Als ich abreisen wollte, wünschte ich die Hausfrau noch zu begrüßen. „Das ist nicht nöthig – sagte er – doch wenn Sie wollen, so steht es Ihnen frei.“ Nun ließ er sie in die Hausflur kommen.

In Hydra verkehren auch die Frauen nicht so frei mit den Fremden, wie in andern Theilen Griechenlands. Dieß kömmt von der häufigen Abwesenheit ihrer Männer; dadurch werden diese eifersüchtiger, und die Frauen sehen sich zu größerer Zurückgezogenheit gezwungen. Kaum sind die Hydrioten einige Tage im Jahr zu Haus, und gleichen so den Seevögeln, die sich nur für Augenblicke auf Klippen und Felsen setzen, und dann wieder fortfliegen.