Die Kindsmörderin
Horch – die Gloken weinen dumpf zusammen,
Und der Zeiger hat vollbracht den Lauf,
Nun, so sey’s denn! – Nun, in Gottes Namen!
Grabgefährten brecht zum Richtplaz auf.
Diese Thränen nimm o Welt noch hin.
Deine Gifte – o sie schmekten süße! –
Wir sind quitt du Herzvergifterin.
Fahret wohl ihr Freuden dieser Sonne
Fahre wohl du Rosenzeit voll Wonne,
Die so oft das Mädchen lustberauscht;
Fahret wohl ihr goldgewebten Träume,
Paradiseskinder Fantasie’n! –
Ewig nimmer an das Licht zu blühn.
Schön geschmükt mit rosenrothen Schlaifen
Dekte mich der Unschuld Schwanenkleid,
In der blonden Loken loses Schweifen
Wehe! – Die Geopferte der Hölle
Schmükt noch izt das weißlichte Gewand,
Aber ach! – der Rosenschlaifen Stelle
Nahm ein schwarzes Todenband.
Denen noch der Unschuld Liljen blühn,
Denen zu dem weichen Busenwallen
Heldenstärke die Natur verliehn!
Wehe! menschlich hat diß Herz empfunden! –
Weh! vom Arm des falschen Manns umwunden
Schlief Louisens Tugend ein.
Ach vielleicht umflattert eine andre
Mein vergessen dieses Schlangenherz,
An dem Puztisch in verliebten Scherz?
Spielt vielleicht mit seines Mädchens Loke?
Schlingt den Kuß, den sie entgegenbringt?
Wenn versprizt auf diesem Todesbloke
Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen
Folge dir Louisens Todenchor,
Und des Glokenthurmes dumpfes Heulen
Schlage schröklichmahnend an dein Ohr –
Dir der Liebe sanft Gelispel quillt,
Bohr es plözlich eine Höllenwunde
In der Wollust Rosenbild!
Ha Verräther! Nicht Louisens Schmerzen?
Nicht des Weibes Schande harter Mann?
Nicht was Löw’ und Tiger milden kann?
Seine Seegel fliegen stolz vom Lande,
Meine Augen zittern dunkel nach,
Winselt er sein falsches Ach! – –
Und das Kindlein – in der Mutter Schoose
Lag es da in süßer goldner Ruh,
In dem Reiz der jungen Morgenrose
Tödlichlieblich sprang aus allen Zügen
Des geliebten Schelmen Konterfey;
Den beklommnen Mutterbusen wiegen
Liebe und – Verrätherey.
Seiner Unschuld stumme Donnersprach,
Weib, wo ist dein Gatte? hallte
Jeder Winkel meines Herzens nach –
Weh, umsonst wirst Waise du ihn suchen,
Wirst der Stunde unsrer Wollust fluchen,
Wenn dich einst der Name Bastard schwärzt.
Deine Mutter – o im Busen Hölle! –
Einsam sizt sie in dem All der Welt,
Die dein Anblik fürchterlich vergällt,
Ach, in jedem Laut von dir erwachet,
Todter Wonne Qualerinnerung,
Jeder deiner holden Blike fachet
Hölle, Hölle wo ich dich vermiße,
Hölle wo mein Auge dich erblikt,
Eumenidenruthen deine Küße,
Die von seinen Lippen mich entzükt,
Ewig, ewig würgt sein Meineid fort,
Ewig – hier umstrikte mich die Hyder; –
Und vollendet war der Mord –
Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen
Mög mit kalten Armen dich ereilen,
Donnre dich aus Wonneträumen wach,
Im Geflimmer sanfter Sterne zuke
Dir des Kindes grasser Sterbeblik,
Geißle dich vom Paradiß zurük.
Seht! da lag es – lag im warmen Blute,
Das noch kurz im Mutterherzen sprang,
Hingemezelt mit Erinnysmuthe,
Schröklich pocht schon des Gerichtes Bote,
Schröklicher mein Herz!
Freudig eilt’ ich in dem kalten Tode
Auszulöschen meinen Flammenschmerz.
Dir verzeiht die Sünderin.
Meinen Groll will ich der Erde weihen,
Schlage Flamme durch den Holzstoß hin –
Glüklich! Glüklich! Seine Briefe lodern,
Seine Küße! – wie sie hochan flodern! –
Was auf Erden war mir einst so theu’r?
Trauet nicht den Rosen eurer Jugend,
Trauet, Schwestern, Männerschwüren nie!
Auf der Richtstatt hier verfluch ich sie! –
Zähren? Zähren in des Würgers Bliken?
Schnell die Binde um mein Angesicht!
Henker kannst du keine Lilje kniken?