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Die Kindsmörderin

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Textdaten
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Autor: Friedrich Schiller
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Titel: Die Kindsmörderin
Untertitel:
aus: Anthologie auf das Jahr 1782, S. 42 – 48
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1782
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[42]
Die Kindsmörderin.


Horch – die Gloken weinen dumpf zusammen,
     Und der Zeiger hat vollbracht den Lauf,
Nun, so sey’s denn! – Nun, in Gottes Namen!
     Grabgefährten brecht zum Richtplaz auf.

5
Nimm o Welt die lezten Abschiedsküße,

     Diese Thränen nimm o Welt noch hin.
Deine Gifte – o sie schmekten süße! –
     Wir sind quitt du Herzvergifterin.

Fahret wohl ihr Freuden dieser Sonne

10
     Gegen schwarzen Moder umgetauscht!

Fahre wohl du Rosenzeit voll Wonne,
     Die so oft das Mädchen lustberauscht;

[43]

Fahret wohl ihr goldgewebten Träume,
     Paradiseskinder Fantasie’n! –

15
Weh! sie starben schon im Morgenkeime,

     Ewig nimmer an das Licht zu blühn.

Schön geschmükt mit rosenrothen Schlaifen
     Dekte mich der Unschuld Schwanenkleid,
In der blonden Loken loses Schweifen

20
     Waren junge Rosen eingestreut: –

Wehe! – Die Geopferte der Hölle
     Schmükt noch izt das weißlichte Gewand,
Aber ach! – der Rosenschlaifen Stelle
     Nahm ein schwarzes Todenband.

25
Weinet um mich, die ihr nie gefallen,

     Denen noch der Unschuld Liljen blühn,
Denen zu dem weichen Busenwallen
     Heldenstärke die Natur verliehn!
Wehe! menschlich hat diß Herz empfunden! –

30
     Und Empfindung soll mein Richtschwerd seyn! –

Weh! vom Arm des falschen Manns umwunden
     Schlief Louisens Tugend ein.

[44]

Ach vielleicht umflattert eine andre
     Mein vergessen dieses Schlangenherz,

35
Ueberfließt, wenn ich zum Grabe wandre,

     An dem Puztisch in verliebten Scherz?
Spielt vielleicht mit seines Mädchens Loke?
     Schlingt den Kuß, den sie entgegenbringt?
Wenn versprizt auf diesem Todesbloke

40
     Hoch mein Blut vom Rumpfe springt.


Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen
     Folge dir Louisens Todenchor,
Und des Glokenthurmes dumpfes Heulen
     Schlage schröklichmahnend an dein Ohr –

45
Wenn von eines Mädchens weichem Munde

     Dir der Liebe sanft Gelispel quillt,
Bohr es plözlich eine Höllenwunde
     In der Wollust Rosenbild!

Ha Verräther! Nicht Louisens Schmerzen?
     Nicht des Weibes Schande harter Mann?

50
Nicht das Knäblein unter meinem Herzen?

     Nicht was Löw’ und Tiger milden kann?

[45]

Seine Seegel fliegen stolz vom Lande,
     Meine Augen zittern dunkel nach,

55
Um die Mädchen an der Seine Strande

     Winselt er sein falsches Ach! – –

Und das Kindlein – in der Mutter Schoose
     Lag es da in süßer goldner Ruh,
In dem Reiz der jungen Morgenrose

60
     Lachte mir der holde Kleine zu,

Tödlichlieblich sprang aus allen Zügen
     Des geliebten Schelmen Konterfey;
Den beklommnen Mutterbusen wiegen
     Liebe und – Verrätherey.

65
Weib, wo ist mein Vater? lallte

     Seiner Unschuld stumme Donnersprach,
Weib, wo ist dein Gatte? hallte
     Jeder Winkel meines Herzens nach –
Weh, umsonst wirst Waise du ihn suchen,

70
     Der vielleicht schon andre Kinder herzt,

Wirst der Stunde unsrer Wollust fluchen,
     Wenn dich einst der Name Bastard schwärzt.

[46]

Deine Mutter – o im Busen Hölle! –
     Einsam sizt sie in dem All der Welt,

75
Durstet ewig an der Freudenquelle,

     Die dein Anblik fürchterlich vergällt,
Ach, in jedem Laut von dir erwachet,
     Todter Wonne Qualerinnerung,
Jeder deiner holden Blike fachet

80
     Die unsterbliche Verzweifelung.


Hölle, Hölle wo ich dich vermiße,
     Hölle wo mein Auge dich erblikt,
Eumenidenruthen deine Küße,
     Die von seinen Lippen mich entzükt,

85
Seine Eide donnern aus dem Grabe wieder,

     Ewig, ewig würgt sein Meineid fort,
Ewig – hier umstrikte mich die Hyder; –
     Und vollendet war der Mord –

Joseph! Joseph! auf entfernte Meilen

90
     Jage dir der grimme Schatten nach,

Mög mit kalten Armen dich ereilen,
     Donnre dich aus Wonneträumen wach,

[47]

Im Geflimmer sanfter Sterne zuke
     Dir des Kindes grasser Sterbeblik,

95
Es begegne dir im blutgen Schmuke,

     Geißle dich vom Paradiß zurük.

Seht! da lag es – lag im warmen Blute,
     Das noch kurz im Mutterherzen sprang,
Hingemezelt mit Erinnysmuthe,

100
     Wie ein Veilchen unter Sensenklang; – –

Schröklich pocht schon des Gerichtes Bote,
     Schröklicher mein Herz!
Freudig eilt’ ich in dem kalten Tode
     Auszulöschen meinen Flammenschmerz.

105
Joseph! Gott im Himmel kann verzeihen,

     Dir verzeiht die Sünderin.
Meinen Groll will ich der Erde weihen,
     Schlage Flamme durch den Holzstoß hin –
Glüklich! Glüklich! Seine Briefe lodern,

110
     Seine Eide frißt ein siegend Feu’r,

Seine Küße! – wie sie hochan flodern! –
     Was auf Erden war mir einst so theu’r?

[48]

Trauet nicht den Rosen eurer Jugend,
     Trauet, Schwestern, Männerschwüren nie!

115
Schönheit war die Falle meiner Tugend,

     Auf der Richtstatt hier verfluch ich sie! –
Zähren? Zähren in des Würgers Bliken?
     Schnell die Binde um mein Angesicht!
Henker kannst du keine Lilje kniken?

120
     Bleicher Henker zittre nicht! – – –


Y.