Die Kirchthürme in Greifenhain

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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Die Kirchthürme in Greifenhain
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 155–160
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[155]
17.
Die Kirchthürme

in
Greifenhain.

[156] In Greifenhain und Eschefeld, zwei Dörfer bei Frohburg, geht folgende Sage, welche von historischer Grundlage gar keine Spur trägt, so daß die Zeit ganz unbestimmbar ist; manche verlegen sie in das 14. Jahrhundert.




[157]

Dem Herrn von Eschefeld gefiel
nichts besser, als das Würfelspiel.
Er spielt’ um hohen Preis, und schor
sich wenig drum, wenn er verlor.

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Auch Ritter Kunz von Greifenhain

schien diesem Spiele hold zu seyn,
und beide hatten manche Nacht
am Würfelbrete zugebracht.

Wenn nun das edle Ritterpaar

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so mit dem Spiel beschäftigt war,

da saßen sie wie angepicht
am Tisch, und sahn und hörten nicht,
ja, Frohburg konnte untergehn,
sie hätten sich nicht umgesehn,

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und siehe, der von Eschefeld

verlor fast stets das meiste Geld.

Einst spielen sie zur Erntezeit
mit der gewohnten Emsigkeit,
da zieht ein schweres Wetter auf.

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Jedoch sie hören nicht darauf,
[158]

und ob des Donner auch mit Macht
aus rabenschwarzen Wolken kracht,
und Blitze klirren Schlag auf Schlag;
die Spieler fragen nichts darnach.

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Da stürzt ein Knecht herein, und spricht:

„Ach, edle Herrn, wißt ihr’s noch nicht?
Bei uns und auch in Greifenhain
schlug’s eben in den Kirchthurm ein!
Die Thürme brennen lichterloh

30
wie eine Schütte trocken Stroh.

Ein Glück, daß sich der Wind gedreht,
und nun die Gluth dorfabwärts weht!“

„Hm, brummt der Eschefelder Herr,
so ruhig, als ob gar nichts wär’,

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laßt brennen, was nun einmal brennt,

und löscht nur, was ihr löschen könnt!“
Jedoch der Herr von Greifenhain
schien etwas ängstlicher zu seyn,
griff zum Barett, und wollte geh’n

40
und nach dem Feuer drüben seh’n.


Da hielt der And’re ihn: „Ei, was?
So bleibt doch da! Was schiert uns das?
Ich seh’ nicht ein, was ihr so rennt,
da ihr’s ja doch nicht löschen könnt!

45
Ein einzig Spiel noch! Meiner Treu,

da kommt mir ein Gedanke bei.
Beim Zernebock[WS 1], so wartet doch!
Ein außer einz’ges Spielchen noch!“

[159]

„Setzt euch! Mir fällt ein Späßchen ein:

50
Ihr setzt den Thurm von Greifenhain,

und ich den Thurm von Eschefeld,
das heißt, zum Kirchthurmbau das Geld.
Wer nun gewinnt, der baut sich dann
zwei Thürme, und der And’re kann

55
und darf nie wieder einen bau’n.

Wollt ihr’s, nun, topp! so laßt uns schau’n!“

Der Greifenhainer will nicht dran,
doch spricht er endlich: „„Nun wohlan!
Es gilt! Das Wort ist Unterpfand!““

60
Sie geben sich noch drauf die Hand,

dann wirft der Eschefelder: „Elf!
seht her! Euch hilft nun nur die Zwölf,
sonst ist der Thurm von Greifenhain
mit Fahne, Knopf und Glocke mein!“

65
Der Greifenhainer nimmt darauf

die beiden Würfel ängstlich auf,
und wirft: „„Ha, sechs und sechs ist zwölf!
Wie steht’s denn nun mit eurer Elf?
Ja, ja! zwei Sechsen! Seht nur her!

70
Das ist ein glücklich Ohngefähr!

Mein ist der Thurm von Eschefeld,
und ihr – gebt mir zum Bau das Geld!““

Der And’re grollt: „Heut trifft mich’s hart!
So hat mich’s doch noch nie genarrt!

75
Ihr seid gewiß ein Sonntagskind,

daß ihr fast allemal gewinnt –

[160]

Das Geld zum Thurm sollt ihr empfahn,
doch würfl’ ich nie mit euch fortan!
Jedennoch sprecht nur bei mir ein,

80
ihr sollt mir stets willkommen seyn!“


So ward das Würfeln ausgesetzt,
doch blieb die Freundschaft unverletzt,
und als der Thürme Zwillingspaar
nach zween Jahren fertig war,

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da zahlte der von Eschefeld

getreulich das verlegte Geld
zwar eben nicht mit heiterm Blick,
doch ohn’ ein scheeles Wort zurück. –

So ist von alten Zeiten her

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in Eschefeld kein Kirchthurm mehr,

und darf, kann man der Sage trau’n,
das Dorf nie wieder einen bau’n.
In Greifenhain hingegen steh’n
noch zwei, wie Brüder anzuseh’n;

95
sie ragen über’s Gotteshaus

hoch in des Himmels Blau hinaus.





Anmerkungen (Wikisource)

  1. slawische Gottheit, vgl. Czorneboh