Die Kunst
Der Abend strahlt auf Pindus Höhn,
Die Glut der Phantasie umglänzt die Gipfel,
Ihr Athem weht durch diese Lorbeerwipfel,
In deren Hain die Musen gehn.
Bald wird Gesang aus ferner Grotte hallen,
Und durch die Nacht auf jener Quelle wallen,
Der Phöbus Wunderkraft verlieh.
Hier ist der Menscheit Heiligthum!
Geweihten Gäng’ Apollons Chor erschienen,
Uns bliebe kaum des Thieres Ruhm.
Vom Bildner, der sein Ideal
Bei diesen Lorbeern fand in Rosendüften,
Der Wahrheit, in der Sonne Strahl.
Vom Dichterhauch aus Pindus Hain
Ward unser Geist auf des Gesanges Wogen
Zum Reiche der Begriffe fortgezogen,
Die Schönheit goß voll Heiterkeit
Ihr Licht von diesen Höhn auf unsre Erde;
Da rief die Pflicht ihr schöpferisches Werde!
Und vor uns war Unendlichkeit.
Als Greis noch liebt mit Feuerkraft der Jugend,
Der ist kein Mensch, ein Joch ist seine Tugend,
Und er ein Sklav’ und ein Despot.
O! rausche stärker, Lorbeerhain!
Wie mit Vernunft die Sinne ewig ringen,
Wenn beide sich der Kunst nicht weihn.
Und strafen will ich jeden Staat,
Der sie verschmäht! er stellt dem Laster Netze,
Ein Greuel für den Götter-Rath.
Wie seine Bürger irre gehn!
Er treibt sie zu der Wissenschaften Gipfeln,
Entfernet von der Künste Blüthenwipfeln,
Doch horch, es schweigt der Lorbeerhain!
Ich seh den Mond durch alle Zweige wallen,
Ich höre Lieder aus der Grotte hallen,
Der Musen Lieblingsaufenthalt.
Mich der Gesang! der Hain, die Wiese wanket
Im Mondenlicht, der Sternenhimmel schwanket,
Mein Busen faßt die Ewigkeit.
»Hinan, so rauscht das Lied daher,
Hinauf! dort weht der Menscheit Athem linder,
Dort strömt der Wahrheit Strahlenmeer!
Wallt sicher an der Künste Hand;
Sie schenken euch dereinst des Adlers Flügel
Die kaum des Sehers Auge fand.
Hinauf zu ihren Blumenhöhn,
Wo himmelan Apollons Tempel ragen,
Durch deren Hallen in den bessern Tagen,
Hinauf zum schönsten Morgenroth!
Da sind die Sterblichen der Götter Brüder,
Und wir, wir leiten sichrer sie durch Lieder,
Als sonst der Staaten Machtgebot.«