Die Kunstausstellung in Dresden. Erster Brief
[349, 350]
Erster Brief.
Ueber unsre diesjährige Ausstellung soll ich Ihnen schreiben? Ich werde zu spät kommen, mehrere öffentliche Blätter haben schon darüber geurtheilt, und die Kritik der Gemählde – ich gestehe Ihnen offenherzig, ich liebe sie nicht; nur die wenigen können sie prüfen, die die Gemählde gesehen haben, die übrigen finden sie langweilig, und ich befürchte leider, daß durch das viele Kritisiren unsrer Tage das letzte Fünkchen von Kunstsinn, das noch unter uns seyn mag, vollends erlöschen wird. Seit die edle Kunst der Mahlerei ganz aus dem Kreise des Lebens gewichen ist, seit man die Gemählde nur wie Tapeten braucht, um Prunkzimmer damit zu bekleiden, oder sie in Gallerien zusammen aufhäuft, wo die Masse jeden schönen Eindruck des Einzelnen verhindert, und fast kein andres Interesse als das historische zuläßt, haben auch die Mahler die Richtung verloren, die allein etwas Großes zu leisten vermag. Nur die Branche der Kunst, die an der Eitelkeit der Menschen eine bleibende Beschützerin haben wird, – die Portraitmahlerei – wird vorzüglich geschätzt, und eben deswegen mit vorzüglichem Fleiße kultivirt. Die Ausstellung der Dresdner Akademie, welche nach der Wiener unstreitig die vorzüglichste in Deutschland ist, bestätigte dieß vollkommen. Die Hauptwerke waren Portraits. Die Historienmahlerei war nur mittelmäßig, flüchtig und dürftig. Die Landschaftsmahlerei hingegen mit mehr Fleiß behandelt. – Doch ich wende mich zu dem Einzelnen.
Der erste Kranz gebührt dem verdienstvollen Graf. Das Portrait des regierenden Fürsten Reuß zu Graiz, ganze Figur in Oel gemahlt, ist ein trefliches Bild. In einer ofnen Landschaft steht der Fürst ohne alle Gefallsucht in ruhiger Stellung so fest, so wahr, so frei da, daß gar kein Zweifel ist, er muß getroffen seyn. Die vollendete Ausführung des Ganzen und die Behandlung der Einzelnheiten, z. B. des Goldes, des Scharlachs auf der Uniform u. s. w. haben andre Blätter gerühmt. Ich hasse die Anatomie der Schönheit, und weiß von einem treflichen Bilde weiter nichts zu sagen, als: kommt und seht, es ist treflich!
Nächst diesem zogen drei schöne Portraits von Grassi die Aufmerksamkeit auf sich. Am vorzüglichsten schien mir das Portrait eines Prinzen, ganze Figur, in Oel gemahlt. Eine schöne, kräftige, männliche Gestalt, in schwarzer modischer Kleidung, in der linken Hand [351, 352] den Hut haltend, mit dem rechten Arme sich auf das Fußgestell einer Säule stützend. Die Behandlung des Schwarz in Schwarz an der Kleidung war meisterhaft. Die beiden weiblichen Portraits, von demselben Meister, gefiehlen sehr, weniger das Portrait eines Kindes, das als Psyche dargestellt war. Ein Kind, wie es ist, paßt selten zu einer Psyche, wie sie seyn sollte.
Das Portrait der Demoiselle Christ von Pochmann ist sehr brav, die Wahl der Farben in dem Gewande einsichtsvoll. Der grüne Shawl, der über den rechten Arm herüberfällt, macht den schönen Arm noch einmal so schön. – Die schreibende Sapho, von demselben Meister, hat mir desto weniger gefallen. Eine Sapho, die einen Gänsekiel in der Hand hält, der erst frisch aus dem Dintefasse herauskommt, ist – ganz abgesehen von dem Anachronismus – eine erbärmliche Geschmacklosigkeit. Man sagt: der Künstler hat Autoritäten der berühmtesten Mahler für sich. Ich antworte mit der Frage: wurden etwa jene Künstler durch solche Geschmacklosigkeiten berühmt, oder verzieh man sie ihnen nur ihrer eminenten Talente wegen? Diese Dintenbegeistrung unsrer jetzigen Zeit paßt schlecht in die alte große Welt und zu Amors Begeistrung; auch ist die ganze Idee des Bildes in der Ausführung verfehlt. Der begeisternde Amor steht hinter der Schriftstellerin Sapho und scheint ihr zu diktiren. Sapho mit der Leyer in der Hand und Amor an ihrem Busen spielend, würden die Idee weit besser ausgedrückt haben, und dazu wäre keine Dinte nothwendig gewesen, auch kein Dintefaß, das ohnehin fehlt. Das Bildniß ist übrigens nicht schlecht gemahlt, und jedem zu empfehlen, der die schreibseligen Damen lieber sieht als ich.
Das Portrait der russischen Großfürstin Anna von Guttenbrun, hätte wenigstens in diesem Zimmer keinen Platz verdient. Besser, jedoch sehr manierirt, ist das Portrait eines Künstlers, von demselben Meister.
Tischbein hat nur ein einziges Bild, das Portrait des Kapellmeisters Righini hierher geschickt. Es ist brav gemahlt und würde einzeln die Augen auf sich ziehn. Die Nachbarschaft der Grafschen Bilder schlägt es aber zu sehr nieder.
Ein recht liebliches Bild, voll Karakter, ist ein Knabe, der sich auf die Lekzion präparirt, Oelgemählde von Vogel. Man sieht den armen Jungen den Angstschweiß an, er zerbricht sich den Kopf und kann das Wort, das er sucht, nicht finden, die linke Hand kneift ungewiß in das griechische Wörterbuch ein, und die rechte möchte gern schreiben und weiß nicht was. – Leben Sie wohl, mein Freund, nächstens mehr.